Alsenbänkli-Desaster ruft nach Parlament
Rahel Urech zum Bundesgerichtsentscheid zum Alsenbänkli.
Es gibt Menschen im Bezirk Horgen, die sich für Bedeutendes engagieren. Zum Beispiel für ein Kinderhilfswerk in Nepal. Dafür, dass in Lesbos gestrandete Flüchtlinge Nothilfe erhalten oder eine tschetschnische Familie vor Verfolgung bewahrt wird. Es gibt Menschen, die sich für das Weiterbestehen der Sekundarschule im Hirzel einsetzen, den Erhalt der Remise in Richterswil oder für einen Bademeister in der Ludi-Badi.Und dann gibt es das Alsen-Komitee. Dieses kämpft für ein Aussichtsbänkli. Obwohl das Bänkli – wohlgemerkt – seit Frühling 2012 nicht mehr an der Alsenstrasse steht und der Duttipark zwei Minuten Fussweg entfernt die gleiche Aussicht bietet.
Zwei Mal schaffte es das Komitee mit seinem Bänkli bis vor Bundesgericht. Dieses hat jetzt entschieden, dass das Bänkli nicht wieder aufgestellt und an der Alsenhalde kein Aussichtspunkt festgelegt werden darf. Das ist beruhigend: Das Bänkli stand auf einem privaten Grundstück. Ein Entscheid für das Bänkli hätte den Grundbesitz in Frage stellen müssen.
Unfassbar bleibt, dass sich das höchste Schweizer Gericht mit derartigen Bagatellen herumschlagen muss. Schuld daran trägt das System: Einige wenige Thalwiler Stimmberechtigte haben an zwei Gemeindeversammlungen Initiativen des «überparteilichen Komitees zur Erhaltung des Aussichts- und Ruhebänkli Alsen» durchgewinkt; bei der ersten Abstimmung waren 2,7 Prozent Stimmberechtigte anwesend, bei der zweiten 1,6 Prozent. Wie die Voten an den Versammlungen belegen, war es weniger das Bedürfnis nach diesem bestimmten Bänkli, als vielmehr der Wunsch nach weniger Verdichtung und mehr Grün im Dorf, das die Zustimmung begünstigte.
Verständlich, dass sich die Grundstücksbesitzer gegen die Einflussnahme auf ihr Eigentum wehrten: Wegen eines Sitzbänkli wollten sie nicht auf das geplante Einfamilienhaus verzichten. So sah sich der Gemeinderat – beauftragt durch die Gemeindeversammlung– dazu gezwungen, ebenfalls gerichtlich für das Bänkli zu kämpfen. Das Komitee und die Gemeinde verloren durch fast alle Instanzen. Trotzdem setzte das Komitee den Kampf fort – mit einem hehren Anstrich: Es war nicht länger der Abbruch eines Sitzbänkli, den das Komitee bekämpfte, sondern «rechtliche Ungereimtheiten» und «den Eingriff in die Gemeindeautonomie».
Was mag es für Gründe geben, sich bis vor Bundesgericht für ein Sitzbänkli einzusetzen? Vielleicht Ärger. Ärger über die Gemeinde, die das Bauland mit Bänkli für 140 000 Franken hätte kaufen und der Erholungszone zuweisen können. Ärger über die anscheinend «kleinliche» Gegenofferte des Gemeinderats für das Land, die ausgeschlagen wurde. Vielleicht Missgunst. Es wird gemunkelt, dass Mitglieder des Komitees selbst interessiert gewesen seien am Bauland, die Gemeinde aber beschieden habe, dass die Hanglage sich nicht für eine Bebauung eigne.
Selbst wenn das Alsenbänkli tatsächlich regelmässig frequentiert worden wäre– was nie belegt wurde – müssen sich die Thalwiler die Frage stellen: Kann es sein, dass ein kleiner Prozentsatz der Stimmberechtigten der Gemeinde ein aussichtsloses Gerichtsverfahren aufdrückt, das mehr als 120 000 Franken kostet und die höchsten Gerichte beschäftigt?
Wieder einmal drängt sich in Thalwil die Frage nach einem Parlament auf. Dieses hätte sich nicht von Emotionen mitreissen lassen. Es hätte über den eigenen Tellerrand geschaut.
Angesichts der Finanzmisere in Thalwil, den massiven und schmerzhaften Einsparungen, müssen die 120 000 verschleuderten Franken ein Schlag ins Gesicht der Mehrheit sein. Das Geld hätte Schulkindern Ski- und Klassenlager ermöglicht, Sport- und Kulturvereinen den benötigten Zustupf gesichert oder dem Seebad Ludretikon zwei Jahre lang einen Bademeister finanziert.
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