Alles soll schneller werden – mit dem Ziel Meistertitel
Dortmund rechnet sich auch für nächste Saison Chancen aus, den FC Bayern anzugreifen. Die Mannschaft wird gezielt verstärkt.
Als sich Mannschaft und Tross am Samstagabend am Trainingsgelände des BVB zu Abendessen und kühlen Getränken niedergelassen hatten, war die verpasste Meisterschaft schon beinahe abgehakt. Bei den meisten jedenfalls. Augenzeugen berichten, dass sich die Trauer in Grenzen gehalten habe. Am späten Abend, als sich die meisten schnell in den Urlaub verabschiedeten, drehten sich die Gespräche bereits um die neue Saison. Die Vorbereitung wird schon Ende Juni beginnen. Mit der Mission, den Rivalen aus dem Süden in der nächsten Saison noch einmal herauszufordern.
Das 2:0 am letzten Spieltag in Mönchengladbach hatte wenig Ertrag gebracht, ausser der Fussnote, mit 76 Punkten die drittbeste Ausbeute in 52 Jahren Dortmunder Bundesliga-Zugehörigkeit geliefert zu haben. Dass die Bayern ihre zwei Punkte Vorsprung ins Ziel brachten, es war nur der Vollzug einer überdeutlichen Vorahnung. «Wir haben die Meisterschaft viel früher verloren», bilanzierte Axel Witsel, «gegen die sogenannten kleinen Clubs.» Die Präzisierung lieferte Goalie Roman Bürki: «Bei allem Respekt, aber gegen Nürnberg, Augsburg oder Düsseldorf musst du gewinnen, wenn du Meister werden willst.»
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der vor dem Anpfiff versucht hatte, mehr Optimismus zu verbreiten, als es rational eigentlich Sinn machte, hatte zwei Spiele im Saisonverlauf ausgemacht, die dem BVB den Titeltraum verdorben hatten: «Wir haben gegen Hoffenheim überlegen gespielt und 3:0 geführt, und in Bremen war es genauso und wir haben 2:0 geführt. Beide Male haben wir dann nur Unentschieden gespielt, beide Male zwei sichere Punkte verloren. Das waren gefühlte Niederlagen, die einer erfahreneren Mannschaft einfach nicht passieren.»
Sinneswandel als Fazit
Immerhin schien der zumindest theoretisch erst am letzten Spieltag entschiedene Titelkampf einen Sinneswandel bewirkt zu haben. Dass die Bayern nur in dieser einen Saison eine Schwächeperiode gehabt hätten, die man unbedingt hätte nutzen müssen, schien beim finalen Mannschaftsessen schon nicht mehr die Dortmunder Lehrmeinung zu sein. Die Nähe zur Meisterschale lässt die überwiegend jungen Profis im Nachhinein an eine noch grössere Chance im nächsten Jahr glauben. Das ist ein Sinneswandel. Vielleicht hätte er schon früher kommen müssen. Trainer Lucien Favre und die Chefs Watzke und Michael Zorc müssen sich insgeheim fragen, ob sie ihren Anspruch auf den Meistertitel nicht früher und entschlossener hätten verkünden können. Stattdessen blieb Dortmund selbst bei sieben oder gar neun Punkten Vorsprung bei der modernen Fussballer-Phrase, dass man nur «von Spiel zu Spiel» denken wolle. Während in München Niko Kovac, Favres Pendant, selbst beim grössten Punkterückstand weiterhin den Titel versprach.
Fest steht, dass der BVB in Christian Pulisic, der für rund 64 Millionen Euro Ablöse zum FC Chelsea wechselt, zwar einen Edeljoker verliert, ansonsten aber keine personellen Verluste erwarten muss, die wehtun würden. Auch der begehrte junge Engländer Jadon Sancho, dem gegen Gladbach sein zwölftes Saisontor und damit der 29. Skorerpunkt gelang, wird definitiv weiter für die Borussia spielen. Der 19-Jährige belegte in der aussagekräftigen Skorer-Wertung der Bundesliga hinter Münchens Robert Lewandowski (35 Punkte) Platz zwei, knapp vor seinem Teamkollegen Marco Reus (28 Punkte). Auch der von Real Madrid ausgeliehene Achraf Hakimi, der in der Rückrunde lange ausfiel und schmerzhaft fehlte, wird in Dortmund bleiben.
Der Faktor Schnelligkeit, auf den Sancho, Reus und Hakimi vertrauen, wird bei Dortmund noch bedeutender werden. Nationalspieler Nico Schulz kommt aus Hoffenheim, Thorgan Hazard aus Gladbach, ausserdem rechnet der BVB sich beste Chancen aus, Nationalspieler Julian Brandt aus Leverkusen präsentieren zu können. Auch er ist ein besonders flinker Spieler.
Sollte all das gelingen, verbessert sich die Offensive erneut. Schulz und Hakimi versprechen das schnellste Verteidiger-Paar der Bundesliga zu bilden, Brandt könnte mit Vielseitigkeit und Spielintelligenz sowohl auf dem Flügel Pulisic ersetzen, aber auch im zentralen Mittelfeld noch mehr spielerische Klasse bringen. Mario Götze soll offenbar weiter einen verkappten Mittelstürmer nach Favres Spielart geben. Sein Vertrag läuft zwar 2020 aus, aber alle Parteien scheinen verlängern zu wollen.
Favre vor neuer Erfahrung
Verloren aber hatte Dortmund die Meisterschaft eher mit den in der Rückrunde allenfalls durchwachsenen Defensivleistungen. Trainer Favre beharrte auf einer stetigen Raumdeckung. Aufgegangen ist diese Strategie nicht immer. Der professoral wirkende Favre, der unter den Spielern offenbar trotz mancher Rückschläge beliebt ist, wird sich möglicherweise hier und da auch selbst weiterentwickeln müssen. Vor der Saison hatte Favre die Aufgabe, eine trudelnde, verunsicherte Elf zu stabilisieren. Das ist mit Bravour gelungen. «Wir hatten in der Vorrunde das maximale Mass an Glück», sagte der 61-Jährige fast entschuldigend am Samstag.
Für Favre, der vorher in seiner langen Trainer-Laufbahn noch nie einen Spitzenclub in einer der grossen Ligen betreut hatte, wird es darauf ankommen, ob er den Willen seiner jungen Spieler mittragen kann. Meisteransprüche zu formulieren, vor allem der eigenen Mannschaft gegenüber, wird für Lucien Favre eine interessante neue Erfahrung sein.
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