Rekord-Nationalspieler Andres AmbühlAll die bitteren Niederlagen gegen Deutschland – er war immer dabei
Der Bündner ist auch mit fast 40 noch ein Leistungsträger im Nationalteam. Welche Rolle dabei seine kindliche Seite spielt und warum er vor Revanchegelüsten im WM-Viertelfinal warnt.

Er begeistert, er fasziniert. Seine Aufopferungsbereitschaft und seine Hingabe sind beispielhaft. Teamkollegen nennen ihn einen Duracell-Hasen. In Anlehnung an das nimmermüde Maskottchen des US-Batterieherstellers, das läuft und läuft und läuft. 40 Jahre alt wird Andres Ambühl im September. Doch noch immer gehört er zu den Besten. Nicht die NHL-Profis um Nino Niederreiter und Nico Hischier werden von den Schweizer Fans mit Sprechchören gefeiert. «Büehli!», «Büehli!», hallt es von den Rängen.
2004 bestritt Ambühl in Prag seine erste WM. 20 Jahre alt war der Bergbauernsohn aus dem Sertig, einem Davoser Seitental. Der Mann, der als Kind auf dem heimischen Hof mit anpacken musste, mit seinen drei jüngeren Schwestern das Vieh hütete und Bauer von Beruf werden wollte, wurde als grosse Entdeckung gefeiert. Schnell, unerschrocken, initiativ.
Patrick Fischer, der heutige Nationaltrainer, war sein Teamkollege. Im selben Jahr feierte die Schweiz den bis heute letzten grossen Triumph gegen Deutschland. Dank eines 1:0-Erfolgs qualifizierte sich die Mannschaft von Ralph Krueger für den Viertelfinal, was damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit darstellte.
Kufe des Teamkollegen brachte ihn um WM-Silber
Seither hat Ambühl bloss eine WM verpasst. 2018, als die Schweiz in Kopenhagen zu Silber stürmte und der HCD-Captain zuvor im Playoff vom Schlittschuh seines Teamkollegen Claude-Curdin Paschoud getroffen worden war. Die Kufe bohrte sich durch Ambühls Schuhrücken, riss den Fuss auf und durchtrennte Sehnen. Der Stürmer verreiste danach in die Ferien und schaute sich nicht einmal den Final an. Zu sehr hätte es ihn geschmerzt.
Nun bestreitet Ambühl seine 18. WM. Und eilt von Bestmarke zu Bestmarke. Der Bündner ist Rekord-Nationalspieler (314 Partien), brach mit nunmehr 145 Skorerpunkten den bisherigen Bestwert von Jörg Eberle – und weist in Riga die meisten Tore (4) und die beste Plus-Minus-Bilanz (+7) seines Teams auf. «Ich weiss nicht, wie er das macht», sagt Fischer. «Mit vierzig noch so rumzukurven, ist unglaublich.» Kaum zu glauben auch, dass Ambühl nicht einmal auf seine Ernährung achtet, sogar Gummibärchen isst. Er sagt: «Es ist mir zu aufwendig, zu studieren, was ich essen soll. Ich esse, worauf ich Lust habe.»
In Riga teilt sich Ambühl das Zimmer mit HCD-Kollege Enzo Corvi. Während der 30-Jährige gegen elf Uhr abends das Licht löscht, schaut sich Ambühl bis ein Uhr früh Serien an. «Er ist wie ein Kind, versucht, jeden Tag zu geniessen», sagt Verteidiger Michael Fora und ist überzeugt: «Wenn jeder Spieler eine solche Spielfreude an den Tag legen würde, würden einige Mannschaften deutlich besser abschneiden.» Captain Niederreiter nimmt den 39-Jährigen im Vergleich zu früher lockerer wahr. «Früher war ‹Büehli› verbissener. Nun kann er den Moment mehr geniessen, spielt sein bestes Eishockey. Vielleicht ist es eine Folge des Alters: ‹Büehli› wird nicht mehr viele Weltmeisterschaften bestreiten.»
Unschöne Erinnerungen an Deutschland
An den Viertelfinalgegner Deutschland (ab 15.20 Uhr im Ticker) hat Ambühl jedoch nicht nur gute Erinnerungen. Er stand bei allen bitteren Niederlagen auf dem Eis. 2010 etwa, als man im ersten Turnier unter Sean Simpson im Viertelfinal 0:1 scheiterte, es nach Spielschluss zu einer Massenschlägerei kam und sich Timo Helbling den deutschen Assistenztrainer Ernst Höfner vorknöpfte. Oder bei Olympia 2018, als man wegen einer 1:2-Overtime-Niederlage den Viertelfinal verpasste. Oder 2021, als die Schweiz – ebenfalls in Riga – nach einer 2:0-Führung noch im Penaltyschiessen scheiterte. Auch Ambühl blieb mit seinem Versuch ohne Erfolg.
«Ich würde wieder antreten, sollte es gegen Deutschland zum Penaltyschiessen kommen», sagt er selbstbewusst. Er erwarte erneut ein hart umkämpftes Spiel. Aber mit einem besseren Ende. Über Revanchegelüste verfüge er hingegen keine. Denn: «Mit einer solchen Einstellung dürfen wir gar nicht erst in die Partie starten», warnt der sechsfache Schweizer Meister. «Wir haben gezeigt, was wir können, und dürfen nicht zu viel studieren. Einfach Gas geben.»

Dreimal in Folge ist die Schweiz zuletzt im Viertelfinal gescheitert. Im Vorjahr in Helsinki gegen die USA trotz makelloser Gruppenphase. «Eine Frage des Timings. Damals bezogen wir die Niederlage einfach im falschen Moment», sagt Fischer nach dem verlorenen Duell gegen Lettland im letzten Gruppenspiel (3:4 n. V.) cool. Der 47-Jährige ist überzeugt: «Wir haben viel mehr Energie als vor einem Jahr. Damals waren einige Spieler krank.»
Ob er auf Torhüter Leonardo Genoni oder Robert Mayer setzen wird, wollte Fischer am Mittwoch nicht verraten.
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