Corona-Impfung in Afrika«Das entlarvt ein kaputtes System»
Der Westen hat fast sämtliche Covid-Impfvorräte für sich gesichert. Weltweit müssen deshalb Milliarden Menschen länger als nötig warten, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent.
Spätestens Ende Oktober begann Ägyptens Kampf gegen die zweite Welle. Tausende waren bereits an Covid-19 gestorben. Für Präsident Abdel Fattah al-Sisi nicht nur Grund genug, das Volk auf strengere Massnahmen einzuschwören, sondern auch Ärzte verhaften und wegen Terrorismus anklagen zu lassen, weil diese sich etwa über fehlende PCR-Tests beschwert hatten.
So wirkte es fast zynisch, als Sisi sagte, die Menschen sollten nicht in Panik geraten: «Der wahre Impfstoff ist das Bewusstsein im Umgang mit der Epidemie.» Zumindest einige Ägypter müssen sich damit nicht zufriedengeben: Laut der staatlichen Zeitung «al-Ahram» sollen bis Ende Dezember 100’000 Dosen des chinesischen Sinopharm-Vakzins geliefert werden.
Das ist verglichen mit anderen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent früh. Viele Menschen fürchten dort, dass sie im globalen Verteilungskampf zu kurz kommen werden. Es sei, «schrecklich zu sehen», dass reiche Länder Impfstoffe erhielten, während afrikanische Länder darauf verzichten müssten, sagte John Nkengasong, Leiter des Afrika-Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (Africa CDC), einer Organisation der Afrikanischen Union.
Die zweite Welle hat begonnen
Zwar navigierten die meisten Staaten südlich der Sahara erfolgreicher durch die Pandemie als viele europäische oder amerikanische. Doch hat offenbar auch in Afrika eine zweite Welle begonnen. Einer Reuters-Zählung vor einer Woche zufolge hatten sich bis dahin mehr als 2,5 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Binnen 30 Tagen seien 454’000 Infektionen dazugekommen.
Südafrika, wo es eine neue Mutation des Virus gibt, meldete an den Weihnachtstagen Höchstzahlen Neuinfizierter, fast 15’000 kamen zuletzt am Tag hinzu, mehr als 983’000 Fälle sind insgesamt registriert. Wie in Südafrika kursiert auch in Nigeria eine neue Variante des Virus, dort sind binnen einer Woche 20 Ärzte an Covid-19 verstorben.
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Laut einer Umfrage des Africa CDC sind zwar etwa 80 Prozent der Befragten bereit, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Laut der Hilfsorganisation Oxfam könnten aber zwei Drittel der Weltbevölkerung bis mindestens 2022 keinen Zugang zu einem Impfstoff haben. Einer Studie zufolge, die im «British Medical Journal» veröffentlicht wurde, reservierten Staaten, die nur 14 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten, bis Mitte des vergangenen Monats 51 Prozent der Impfstoffdosen.
Das Rote Kreuz warnte davor, dass rund 60 Millionen Menschen in Kriegs- und Konfliktgebieten überhaupt nicht geimpft werden könnten. Oxfam und andere Organisationen fordern daher einen Impfstoff, der kostenlos und fair verteilt wird. Dass der grösste Teil der Weltbevölkerung länger als nötig warten müsse, entlarve ein «kaputtes System».
Kein Impfstoff bis 2024
Die von der WHO geschaffene «Covid-19 Vaccine Global Access Initiative» (Covax) soll sicherstellen, dass bis Ende 2021 mindestens 20 Prozent der am stärksten gefährdeten Menschen, vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika, geimpft werden. Doch internen Dokumenten zufolge sei das «Ausfallrisiko» bei Covax hoch: Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte aus einem nicht öffentlichen Bericht an den Vorstand der Impfallianz Gavi.
Demzufolge könnten arme Staaten und somit Milliarden Menschen möglicherweise bis 2024 keinen Impfstoff erhalten. Gründe dafür seien unter anderem vertragliche Vereinbarungen und eine komplizierte Verteilungslogistik. Zudem würden zusätzlich 4,9 Milliarden Dollar benötigt.
«Freuen sie sich nicht zu sehr»
Während die guten Nachrichten vom wirksamen Impfstoff in Teilen der Welt Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität machen, haben andere Länder weiter Grund zur Sorge. Kurz nachdem das deutsche Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer im November erklärt hatten, dass ihr Impfstoff ersten Analysen zufolge wirksam sei, publizierte die Zeitschrift «The Continent» einen Text zur Frage, was das nun für Afrikaner bedeute: «Freuen Sie sich nicht zu sehr», heisst es darin. «Wir haben nicht die teure Technologie für die Lagerung und den Transport des Impfstoffs.»
Pfizer könne laut eigenen Angaben nächstes Jahr etwa 1,3 Milliarden Dosen des Impfstoffs herstellen. Und weil die USA, Grossbritannien, die EU, Kanada und Japan bereits gut 1,1 Milliarden Dosen angemeldet hätten, blieben noch etwa 200 Millionen für die Menschen im Rest der Welt. Selbst wenn es genug für alle gäbe: Kein einziger afrikanischer Staat könne einen Impfstoff bei minus 70 Grad Celsius lagern.
Der falsche Moment für Profit
Um 60 Prozent der Bevölkerung Afrikas zu impfen, was der Mindestanforderung für Herdenimmunität entspreche, würden laut dem Fachjournal «Nature» etwa 1,5 Milliarden Impfstoffdosen benötigt. Grosse Hoffnung legen Experten deshalb in den Astra-Zeneca-Impfstoff. Kenias staatlichem medizinischem Forschungszentrum (Kemri) zufolge ist er besser für die Verteilung auf dem gesamten Kontinent geeignet. Er kann bei Raumtemperatur gelagert werden. Zudem ist Astra-Zeneca vertraglich von der Universität Oxford, dem Entwickler des Impfstoffs, verpflichtet, ihn zu Selbstkosten zu verkaufen.
Südafrika und andere Länder des globalen Südens wie etwa Indien haben immer wieder für einen allgemeinen Zugang zu Impfstoffen geworben. Beide Staaten hatten von der Welthandelsorganisation (WTO) Anfang Oktober gefordert, dass für Medikamente und Impfstoffe gegen Covid-19 keine Patente erteilt werden dürften, bis die globale Herdenimmunität erreicht sei. Zuspruch bekamen sie dafür von der Organisation Ärzte ohne Grenzen: Eine Pandemie sei nicht der richtige Moment für Profit.
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