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Debatte um Auslandsadoptionen
Selbst aus Indien adoptiert: Nationalrat Nik Gugger lanciert Petition gegen Verbot

EVP-Nationalrat Nik Gugger in Bern mit dem Bundeshaus im Hintergrund. Er kam 1970 in Indien zur Welt und lebt heute mit seiner Familie in Winterthur. Er trägt einen dunkeln Anzug und ein lila Hemd.
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In Kürze:
  • Im Januar kündigte der Bundesrat ein Verbot von Adoptionen aus dem Ausland an.
  • Nun regt sich Widerstand. EVP-Nationalrat Nik Gugger, selbst aus Indien adoptiert, hat eine Petition gegen das Verbot lanciert. Die FDP will am 11. April eine Motion einreichen.
  • Befürworterinnen des Verbots stellen sich auf den Standpunkt, dass auch strengere Kontrollen illegale Adoptionen nicht verhindern könnten.

Nik Gugger erinnert sich noch genau daran: Als Sechsjähriger spaziert er mit seinen Eltern durch das Dorf, als plötzlich jemand ruft: «Ah schaut, da ist Guggers Souvenir.»

Es bleibt nicht bei diesem Erlebnis. «Es gab ab und zu rassistische Bemerkungen, das löste ein Ohnmachtsgefühl bei mir aus», sagt der EVP-Nationalrat, der 1970 in Indien zur Welt kam, von einem Schweizer Paar adoptiert wurde und in der Nähe von Thun aufwuchs.

Trotz der schwierigen Erlebnisse sieht Gugger seine Adoption als gelungen, sein Leben als Glücksfall. «Ich hatte ein liebevolles Umfeld und habe Karriere gemacht», sagt er. Für ihn ist klar, dass er in Indien, als Sohn einer verwitweten Frau, keine Zukunft gehabt hätte. «Wäre ich lieber in Indien auf der Strasse gelandet, statt diesen Herausforderungen in der Schweiz zu begegnen?», fragt er – um gleich darauf mit einem entschlossenen «Nein» zu antworten.

Der einzige aus dem Ausland adoptierte Nationalrat positioniert sich deshalb klar gegen das Verbot von Auslandsadoptionen, das der Bundesrat im Januar angekündigt hat.

Bereits über 5000 Unterschriften

Dem Entscheid des Bundesrates liegen mehrere Forschungsberichte zugrunde, die aufgedeckt hatten, dass zwischen 1970 und 1999 mehrere Tausend Kinder durch illegale Praktiken in die Schweiz adoptiert wurden. Eine vom Bund beauftragte Expertenkommission kam daraufhin zum Schluss, dass der «vollständige Ausstieg aus der Praxis internationaler Adoptionen» eine «ernst zu nehmende Option» darstelle.

Aus Nik Guggers Sicht wäre ein solcher Ausstieg jedoch eine Überreaktion. Er findet, man kann darüber diskutieren, ob internationale Adoptionen noch strenger reguliert werden müssen, «aber wieso soll man sie gleich verbieten?» Gugger hat deshalb eine Petition lanciert, mit der er den Bundesrat auffordern will, das Vorhaben zu stoppen. Innerhalb einer Woche kamen schon über 5000 Unterschriften zusammen. Sein Ziel: 10’000 Unterschriften bis Ende März.

FDP-Motion gegen Verbot

Auch anderswo formiert sich Widerstand. Ein Zusammenschluss aus Adoptivfamilien gründete Anfang Februar den Verein Adoptions- und Familiengruppe Schweiz (Gafs), der es sich zum Ziel gemacht hat, das Verbot durch Öffentlichkeitsarbeit zu verhindern.

Zudem plant die FDP eine Motion, die den Bundesrat auffordert, die Ausarbeitung eines Verbots zu stoppen und sich stattdessen mit einer allfälligen Verbesserung der Regulierungen zu befassen. Es gebe viele gelungene und rechtlich einwandfreie Auslandsadoptionen, sagt Initiant und FDP-Nationalrat Simone Gianini. «Ein Verbot ist unverhältnismässig.»

Damit die Motion im Rat priorisiert wird, soll sie am 11. April als Kommissionsmotion in der Rechtskommission des Nationalrats lanciert werden. Das angekündigte Verbot verunsichere Paare, die sich in einem laufenden Adoptionsverfahren befinden, sagt Gianini. Zudem stigmatisiere es Adoptivfamilien. Deshalb sei das Anliegen dringlich.

Rund 37 Auslandsadoptionen jährlich

In der Schweiz werden jährlich etwa 37 Kinder aus dem Ausland adoptiert. Das sagte Bundesrat Beat Jans, als er sich vergangene Woche im Parlament kritischen Fragen rund um die Debatte stellen musste. Das geplante Verbot würde frühestens 2030 in Kraft treten, so Jans – also in rund fünf Jahren.

Wenn ein Paar ein Kind aus dem Ausland adoptieren möchte, muss es ein langjähriges Verfahren durchlaufen. Tangiert das angekündigte Verbot also schon heute potenzielle Adoptiveltern im Adoptionsprozess?

Für potenzielle Adoptiveltern, die am Anfang des Verfahrens stünden, sei die Zeit bis zu einem möglichen Verbot «sicherlich knapp», sagt Cora Bachmann, die Geschäftsführerin der Organisation «Pflege- und Adoptivkinder Schweiz» (Pach). Bisher hätten sich aber noch nicht viele verunsicherte Paare bei der Organisation gemeldet. Bachmann betont, dass es nach wie vor möglich ist, Adoptionsanträge zu stellen. Die Infoveranstaltungen für Interessierte seien aktuell gut besucht.

Massnahmen statt Verbot?

Barbara Gysi, die Präsidentin von Pach und SP-Nationalrätin, positioniert sich klar für einen Ausstieg: «Ich persönlich unterstütze das Verbot, weil man Unrechtmässigkeiten auch mit strengen Regulierungen nie ganz ausschliessen kann», sagt sie. Die Organisation selbst spricht sich nicht per se für einen Ausstieg aus. Wenn ein Verbot aber die einzige Möglichkeit sei, Missbräuche zu verhindern, dann begrüsse man das, sagt Cora Bachmann.

Ähnlich sieht es auch der Verein Back to the Roots, der sich für die Anliegen von Betroffenen von irregulären Adoptionen einsetzt: «Wir fordern, dass illegale Adoptionen in die Schweiz konsequent unterbunden werden. Ob das durch einen Ausstieg oder verschärfte Massnahmen erreicht wird, ist für uns zweitrangig», sagt Sarah Ineichen, Präsidentin des Vereins und selbst aus Sri Lanka adoptiert. Sie bezweifelt jedoch, dass Massnahmen allein dieses Ziel gewährleisten können. «Unsere Kontrollen reichen nur bis an die Schweizer Grenze.»

Adoptionen ab 2000 sind «blinder Fleck»

Ineichen kritisiert zudem, wie emotional die Debatte um einen möglichen Ausstieg aus internationalen Adoptionen geführt werde. Es gehe nicht darum, Positivbeispiele gegen Negativbeispiele auszuspielen. «Wenn wir eine fundierte Diskussion über Auslandsadoptionen führen wollen, muss es eine unabhängige Untersuchung der Auslandsadoptionen von 2000 bis heute geben», sagt Ineichen. Denn das sei bis heute ein «blinder Fleck».

Auch der Verein Gafs, der sich gegen das Verbot positioniert, sieht das so. Die Situation habe sich gegenüber den 70er- und 80er-Jahren verändert, insbesondere seit die Schweiz 1993 der Haager Konvention beigetreten sei und bei internationalen Adoptionen strengere Regeln gelten würden. «Das vorgeschlagene Verbot basiert auf mittlerweile überholten Daten», sagt Laura Ott, Sprecherin des Vereins.

Zumindest in diesem Punkt sind sich die Befürworter und Gegnerinnen des Verbots also einig.