«Und was tut er? Er greift meine Familie an»
Trumps Ex-Anwalt Cohen meldet sich erzürnt zu Wort. Der US-Präsident habe gewusst, dass es «falsch» war, Schweigegelder zu zahlen.
In der Affäre um die Schweigegeldzahlungen an zwei ehemalige Sexualpartnerinnen von US-Präsident Donald Trump hat sich sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen sichtlich erzürnt zu Wort gemeldet. Im Interview mit ABC bekräftigte Cohen zunächst seine Aussage vor dem Bundesgericht in New York, wonach Trump die Zahlungen direkt angeordnet habe, für die Cohen am Mittwoch zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Zudem fügte der Anwalt hinzu: Der damalige Präsidentschaftskandidat Trump habe gewusst, dass es «falsch» war, die Schweigegelder zu zahlen. Trump habe entsprechend gehandelt, weil er «sehr besorgt war, wie sich das auf die Wahl auswirken würde».
Das Interview mit Cohen kam relativ spontan zustande, nachdem Trump diesen am Donnerstag in mehreren Tweets angegriffen hatte. Trump bestritt, in die Gesetzesbrüche Cohens verwickelt gewesen zu sein. Cohen habe als Anwalt «das Gesetz kennen müssen». Unter anderem schrieb der US-Präsident, Cohen habe sich bloss für schuldig bekennt, um den Präsidenten zu blamieren und eine tiefere Haftstrafe zu erhalten. «Auch seine Familie wird nun temporär in Ruhe gelassen», so Trump.
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Das war für Cohen ganz offensichtlich eine Bemerkung zu viel. «Zunächst einmal: Das stimmt nicht.», so Cohen zu «ABC». Die ganze Welt wisse, dass Trump nicht die Wahrheit sage. «Ich habe die Verantwortung für meine Taten übernommen–und was tut er? Er greift meine Familie an.» Cohen ist sichtlich empört. «Der Tag vor Gericht, das Urteil von 36 Monaten...» Der Anwalt schüttelt den Kopf. «Und das einzige, was ihm einfällt, ist, über meine Familie zu twittern?»
Trump soll Deal persönlich miteingefädelt haben
Bei der Affäre geht es um die Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels und das ehemalige «Playboy»-Model Karen McDougal während des Präsidentschaftswahlkampfs. Im ersten Fall zahlte Cohen im Rahmen eines Geheimhaltungsvertrags 130'000 Dollar an Daniels – sie machte ihre Geschichte nach der Wahl jedoch trotzdem publik. Im zweiten Fall kaufte das US-Skandalblatt «National Enquirer» McDougal die Exklusivrechte an ihrer Geschichte ab – ohne dabei jemals die Absicht gehabt zu haben, die Geschichte zu veröffentlichen. Gemäss den Bundesanwälten ging es «in Absprache» mit Trumps Wahlkampfteam darum, die Geschichte unter Verschluss zu halten. Neben Cohen hat auch Pecker das so bestätigt und seine Rolle in der Affäre zugegeben.
Das ist heikel für den US-Präsidenten, weil eben diese Zahlungen im Fall Cohen nach Auffassung des Gerichts gegen die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstiessen. Der Bundesrichter in New York pflichtete den Ermittlern bei, dass es sich bei den undeklarierten Zahlungen um illegale Wahlkampfspenden an Trumps Kampagne handelte.
Am Freitag berichteten zudem mehrere US-Medien übereinstimmend, Trump habe einer wichtigen Sitzung zur Einfädelung der Abmachungen persönlich beigewohnt. Der Immobilienmogul sei bei einem Treffen im August 2015 mit im Raum gewesen, als Cohen und der Verleger des «National Enquirers», David Pecker, den Plan besprachen, wie NBC und CNN berichten und damit eine frühere Recherche des «Wall Street Journals» bestätigen.

Cohen sagte bereits vor Gericht aus, dass er diese Zahlungen «in Koordination mit und im Auftrag» Trumps arrangiert habe – und brachte den Präsidenten damit direkt mit dem Gesetzesverstoss in Verbindung. Am Mittwoch wurde zudem ein Bericht der Ermittler veröffentlicht, in dem erwähnt wird, dass neben Cohen und Pecker zusätzlich noch «ein oder mehrere Mitglieder der Trump-Kampagne» im Raum waren. Eine dieser Personen soll also der heutige US-Präsident selbst gewesen sein.
Hohe Hürden für Anklage eines Amtsinhabers
Solange Trump Präsident ist, muss er sich hauptsächlich um die politische Folgen dieser Affäre Sorgen machen. Obwohl es die amerikanische Verfassung es nicht ausdrücklich untersagt, gilt im Justizdepartement (DOJ) nämlich die gängige Praxis, dass ein Amtsinhaber nicht strafrechtlich verfolgt werden kann. «Nach dieser Lesart könnte Trump erst dann angeklagt werden, wenn er aus dem Amt scheidet, entweder weil seine Amtszeit endet oder weil es zum Amtsenthebungsverfahren kommt», erklärte etwa Joshua Dressler, Rechtsprofessor an der Ohio State University, der «Zeit». Die Mehrheit der Rechtsexperten im Land halten es denn auch für unwahrscheinlich, dass Trump noch während seiner Amtszeit von der Justiz angeklagt und damit ein neuer Präzedenzfall geschaffen würde.
Garrett Epps, ein Professor für Verfassungsrecht an der University of Baltimore, hat für die Zeitschrift «The Atlantic» die vier internen DOJ-Rechtsgutachten der letzten 50 Jahre aufgearbeitet. Das Ergebnis: Bislang wurde nur einmal vorgeschlagen, Anklage gegen einen amtierenden US-Präsident zu erheben. Die drei anderen Gutachten–zu den Fällen Richard Nixon und Bill Clinton–rieten von einer Anklage ab. Eines der Memos erklärte das so:
«Die Gründer bedachten, wer die ausserordentliche Macht besitzen soll, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzugeleiten. Sie gaben diese Verantwortung den gewählten Abgeordneten des Kongresses. Es wäre unvereinbar mit diesem sorgfältig überlegten Urteil, einer nicht gewählten Grand Jury und einem Staatsanwalt zu erlauben, einen Präsidenten de facto zu ‹entfernen›, indem sie Strafanzeige gegen ihn erstatten.»
Die einzige Meinung für eine Anklage war ein Gutachten aus dem Jahr 1998 im Rahmen der Affäre um die Meineide Clintons. Der Verfassungsrechtler Ronald W. Rotunda beriet damals den unabhängigen Ermittler Kenneth Starr–der Robert Mueller seiner Zeit–und schrieb ihm im Vertrauten, im spezifischen Fall Clinton könnte der Präsident durchaus angeklagt werden. Rotunda führte drei Argumente ins Feld:
Das Oberste Gericht hielt wiederholt fest, dass niemand über dem Gesetz steht–auch nicht der Präsident.
Die unabhängige Untersuchung wurde mit dem Einverständnis Clintons geschaffen; er hatte also implizit zugestimmt, womöglich angeklagt zu werden.
Die Vergehen Clintons betrafen nicht sein Verhalten als Präsident.
Nachdem er mit einem halben Dutzend Rechtsexperten gesprochen hatte, kam Epps zum Schluss, obwohl die Hürden hoch seien, sei es letztlich eine Frage des Vergehens und der Beweislage. «Wir wissen einfach nicht, ob es erlaubt ist–bis die Beweislage einen Ermittler dazu bringt, im Interesse der Gerechtigkeit oder dem Überleben der Nation einen amtierenden Präsidenten anzuklagen. ... Dann wär erst einmal die Hölle los. Und dann, wenn sich alles gelegt hat, hätten wir unsere Antwort.»
In Clintons Fall wurde dieses Problem letztlich umgangen. Die geschaffene Stelle des unabhängigen Ermittlers hatte in ihren Statuten die gesetzliche Pflicht eingebaut, dem Kongress Informationen zugänglich zu machen, «die möglicherweise zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnten». Und so schrieb der Sonderermittler seinen mittlerweile berühmten «Starr Report» zuhanden des Kongresses und listete darin mögliche Gründe für eine Amtsenthebung auf. Letztlich leitete das Repräsentantenhaus das Verfahren ein. Der Senat enthob Clinton dann aber nicht des Amtes: Trotz der klaren Beweislage hielten die Demokraten zu ihrem Präsidenten und die nötige Zweidrittelmehrheit kam nicht zusammen. Wie Hannah Arendt einst schrieb: «Niemand hat jemals daran gezweifelt, dass sich die Wahrheit und die Politik eher schlecht miteinander vertragen.»
(Mit einzelnen Textauszügen der Nachrichtenagentur SDA.)
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