Polizisten in Deutschland erschossenVerdächtiger hortete Waffen, das Mordmotiv ist wohl Wilderei
Die Ermittler haben beim 38-jährigen Verdächtigen mehr als ein Dutzend Schusswaffen gefunden. Auch sein mutmasslicher Kompagnon kommt in U-Haft.
Nach den tödlichen Schüssen auf zwei junge Polizisten in Deutschland haben die Ermittler bei den Tatverdächtigen ein grosses Waffenarsenal sichergestellt und gegen beide Haftbefehl erlassen. Wie am Dienstag aus Sicherheitskreisen verlautete, fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung in Spiesen-Elversberg im Bundesland Saarland fünf Kurzwaffen, ein Repetiergewehr, zehn weitere Langwaffen, eine Armbrust sowie einen Schalldämpfer und Munition.
Die Ermittler gehen den Angaben zufolge davon aus, dass der festgenommene 38-jährige Tatverdächtige Zugang zu den Waffen hatte. Im Haus des zweiten Tatverdächtigen seien zwei Langwaffen entdeckt worden, hiess es.
Am frühen Montagmorgen waren eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ein 29 Jahre alter Oberkommissar bei einer Verkehrskontrolle an einer Kreisstrasse in Rheinland-Pfalz in der Nähe der Kreisstadt Kusel erschossen worden. Das Motiv für den Mord ist offenbar Wilderei.
32-Jähriger legt Teilgeständnis ab
Der Ermittlungsrichter gehe davon aus, dass die beiden Beschuldigten die Tat gemeinschaftlich begangen haben, um die vorangegangene Wilderei zu verdecken, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kaiserslautern. Der 32 Jahre alte Tatverdächtige hat nach Darstellung der Staatsanwaltschaft die Wilderei eingeräumt und die Polizeikontrolle sowie die Schüsse geschildert. Er habe aber bestritten, selbst geschossen zu haben, sagte Orthen.
Die Ermittler gehen nach jetzigem Stand allerdings davon aus, dass beide Verdächtige geschossen haben. Der 38-Jährige habe von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Bislang lägen keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat oder Verbindungen der Verdächtigen in die sogenannte Reichsbürgerszene vor.
Der Deutsche Jagdverband erklärte, der 38-Jährige sei nicht im Besitz eines gültigen Jagdscheins gewesen. Nach derzeitigem Kenntnisstand habe die zuständige Behörde im Saarland seinen Antrag, erneut einen Jagdschein zu lösen, wegen fehlender Zuverlässigkeit abgelehnt. Der Verband zeigte sich entsetzt über den «kaltblütigen Polizistenmord».
Die Polizei geht davon aus, dass die Frau mit einem Schuss aus einer Schrotflinte getötet wurde und der Mann mit vier Schüssen aus einem Jagdgewehr.
Nach Angaben der Ermittler hatten die Polizisten einen Kastenwagen kontrolliert und darin viele Wildtiere entdeckt. Sie setzten noch einen Funkruf ab, dass geschossen werde. Der Polizist zog seine Waffe und schoss 14 Mal zurück – bis auch er getroffen wurde. Etwa zehn Minuten später kam Verstärkung an. Die Beamten fanden ihre 24-jährige Kollegin tot vor dem Polizei-Zivilfahrzeug, den Kollegen schwer verletzt und nicht mehr ansprechbar dahinter in einer Böschung. Zudem fanden sie den Führerschein und den Personalausweis des 38-jährigen Saarländers.
Verdächtiger meldet sich über Anwältin
Am Montagnachmittag hatte die Polizei diesen namentlich zur Fahndung ausgeschrieben. Der Flüchtige wurde am Abend in Sulzbach in der Nähe seines Wohnorts festgenommen, teilte das saarländische Polizeipräsidium mit. Zuvor habe sich der Mann über eine Anwältin der Polizei gemeldet. Im Zuge der Durchsuchung mehrerer «Objekte» habe dann ein weiterer 32-jähriger Tatverdächtiger widerstandslos festgenommen werden können. Beide Männer seien Deutsche.
«Die schiessen»
Bei der getöteten 24-Jährigen handelte es sich nach Angaben der Behörden um eine angehende Polizistin, die als Teil ihrer Ausbildung zur Kommissarin im praktischen Einsatz war.
«Diese Tat erinnert an eine Hinrichtung»
Deutsche Politikerinnen und Politiker reagierten mit Entsetzen. Innenministerin Nancy Faeser sagte: «Unabhängig davon, welches Motiv der Tat zugrunde liegt: Diese Tat erinnert an eine Hinrichtung, und sie zeigt, dass Polizistinnen und Polizisten jeden Tag ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren.»
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Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr Innenminister Roger Lewentz zeigten sich «zutiefst schockiert» über die tödlichen Schüsse. «Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen», hiess es in einer Mitteilung der beiden in Mainz.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz äusserte sich auf Twitter: «Was in Kusel passiert ist, bedrückt mich sehr.» Er denke an die «vielen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um uns Bürgerinnen und Bürger zu schützen.»
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Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich «tief erschüttert und voller Trauer». «Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen und Liebsten der durch eine Gewalttat im Dienst verstorbenen Kollegen», erklärte der stellvertretende GdP-Vizepräsident Jörg Radek.
In Rheinland-Pfalz gab es nach Angaben von Lewentz zuletzt am 17. März 2010 einen Mord an einem Polizisten. Damals wurde ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos bei einer Hausdurchsuchung von einem Mitglied der Rockerbande «Hells Angels» erschossen. Der Rocker wurde wegen «irrtümlich angenommener Notwehr» später freigesprochen.
AFP/SDA/aru/fal
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