Neue Parkierungsregeln in Zürich«Irrsinnig», «faire Erhöhung» – Showdown um neues Blaue-Zone-Regime
Mehrere Stunden stritt der Zürcher Gemeinderat über höhere Gebühren für die Blaue-Zone-Karten. Die SVP prüft das Referendum.
- Die Stadt Zürich führt neue Regeln und Preise für Blaue-Zone-Parkkarten ein.
- Die Gebühren orientieren sich nach dem Fahrzeuggewicht.
- Gewerbliche Parkgenehmigungen in Zürich werden attraktiver gestaltet.
- Gewerbeverband steht hinter Verordnung, SVP prüft Referendum.
Kaum etwas bringt die Zürcher Lokalpolitik so in Fahrt wie stehende Autos.
Stundenlang stritten sich die Gemeinderatsmitglieder am Mittwochabend über die neue Parkkartenverordnung, darüber, wer wie viel, zu welchem Preis im öffentlichen Raum parkieren kann.
Von rechts tönte es so: «irrsinnig», «Bereicherung», «Hohn». Von links und den Grünliberalen hiess es: «faire Erhöhung», «keine 08/15-Lösung», «wichtige Verbesserung».
Am Ende hat sich eine Mehrheit aus SP, Grünen, GLP, AL und Mitte/EVP (mehr oder weniger überzeugt) für die neue Verordnung ausgesprochen, die drei zentrale Punkte enthält:
Die Stadt Zürich führt das sogenannte Bieler Modell ein und verändert damit das Blaue-Zone-Reglement radikal. Während heute jede und jeder eine Anwohnerkarte für seine Postleitzahl erwerben kann, wird der Zugang in Zukunft beschränkt. Anrecht auf eine Anwohnerkarte hat nur noch, wer an seiner Wohnadresse keinen privaten Parkplatz zur Verfügung hat. Ob ein Parkplatz zur Verfügung steht, müssen die Autofahrenden selber deklarieren. Die Stadt prüft stichprobenartig.
Die Preise für die Blaue-Zone-Karten werden neu nach Gewicht berechnet. Aktuell kostet eine Anwohnerkarte 300 Franken. Neu werden Autofahrende 35 Rappen pro Kilo für E-Autos, 40 Rappen für Verbrenner (inklusive Hybrid-Fahrzeuge) bezahlen. Für ein durchschnittliches Auto in der Stadt Zürich (rund 1560 Kilogramm schwer) macht das mit E-Antrieb 546 Franken, für einen Benziner 624 Franken.
Die Parkregeln fürs Gewerbe werden attraktiver. Eine Blaue-Zone-Bewilligung kostet 360 statt 480 Franken. Zentral in der neuen Verordnung ist aber die sogenannte erweiterte Gewerbebewilligung für Handwerkerinnen und Servicemonteure. Diese erlaubt im Prinzip unbeschränktes stadtweites Parkieren ihrer Arbeitsfahrzeuge – selbst in Ausnahmefällen auf Trottoirs, wenn 1,50 Meter Platz bleibt – und die Zufahrt zu Fahrverbotszonen. Kostenpunkt: 1200 Franken für ansässiges Betriebe, 1800 Franken für auswärtige.
FDP wollte «Wucherschutz»
Bis man sich aber auf diese Punkte geeinigt hat, war es ein langer Weg: Die Parteien debattierten über 29 Änderungsanträge.
Zum Beispiel forderte die FDP erfolglos einen «Wucherschutz» fürs Bieler Modell. FDP-Gemeinderätin Martina Zürcher fürchtet sich davor, dass Vermieter horrende Mieten für private Parkplätze verlangen könnten. Mieterinnen und Mieter wären gezwungen, jedes Angebot anzunehmen, da sie aufgrund des Bieler Modells nicht mehr auf die blaue Zone ausweichen könnten.
Rykart gegen SUV-Preismodell
Umstritten waren vor allem der Preis und die neue Berechnungsmethode der Anwohnerkarte. Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) wollte, dass die Ratsmehrheit auf die Berechnung der Gebühren nach Leergewicht verzichtet. Zu aufwendig, zu wenig Wirkung, befürchtet sie. Sie wollte eine Anwohnerkarte für 540 Franken für alle.
FDP, SVP und die Mitte/EVP-Fraktion sahen das ähnlich. Sie forderten vergeblich tiefere Gebühren, den Verzicht auf das SUV-Modell. Das Gewicht habe wenig zu tun mit dem Flächenverbrauch, die Lösung sei wenig durchdacht. Es komme zu «absurden» Beispielen.
So würde eine Anwohnerkarte für einen VW-Golf mit Verbrenner weniger kosten als ein VW-Golf mit E-Antrieb, weil die Batteriefahrzeuge schwerer sind. «Da muss ich mir schon überlegen, ob ich noch ein E-Auto kaufe», sagte Stephan Iten von der SVP. Sandra Gallizzi von der EVP fügte an: «Familienautos sind oftmals grösser und schwerer.»
AL wollte noch teurere Parkkarten
Der AL gingen die Gebühren hingegen viel zu wenig weit. Redner Michael Schmid warf SP und den Grünen vor, sich an einem «übergewichtigen» Stadtzürcher Fahrzeugpark zu orientieren. Die AL blieb mit ihrer Forderung allein.
Die Mehrheit aus SP, Grünen und GLP hielt am tieferen SUV-Preismodell (35 Rappen für E-Antrieb und 40 Rappen für Verbrenner) fest.
Carla Reinhard von der GLP betonte, dass das Gewicht eine gute Annäherung an den Platzverbrauch sei. Die neuen Gebühren setzten die richtigen Anreize. Und Severin Meier von der SP ergänzte, das SUV-Modell sei auch sozialverträglich. «Menschen mit mehr Geld fahren eher einen SUV als jene, die weniger verdienen.»
Entscheidendes Ja vom Gewerbeverband
Beim Gewerbe waren sich die Parteien im Grundsatz einiger. Die neue erweiterte Gewerbebewilligung kam gut an, auch wenn sie den Bürgerlichen noch etwas zu teuer waren. Der Zürcher Gewerbeverband frohlockte in einer Medienmitteilung von einer «grossen Erleichterung» für ihre Arbeit.
Die Zustimmung des Gewerbeverbandes zur Parkkartenverordnung hat politisches Gewicht. Ein Referendum wird dadurch unwahrscheinlicher. Gegen den Gewerbeverband dürfte der Freisinn kaum in einen Abstimmungskampf ziehen. Einzig die SVP prüft ein Referendum. Der Grüne Markus Knauss mahnte: «Sollte diese Revision scheitern, kann es sehr lange gehen, bis eine neue Verordnung vorliegt.»
Die Volkspartei hat noch etwas Zeit, um sich zu entscheiden. Die Referendumsfrist beginnt erst nach der formellen Schlussabstimmung über die Verordnung. Diese findet in einigen Wochen, nach letzten redaktionellen Anpassungen statt.
Für die Bevölkerung ändert sich noch nichts. Die neuen Regeln treten frühestens in einem halben Jahr in Kraft, wenn kein Referendum ergriffen wird. Die Einführung könnte auch durch Rechtsmittel verzögert werden. Teile der Verordnung seien juristisch heikel, argumentierte zum Beispiel die SVP, aber auch Stadträtin Karin Rykart. Sie zweifeln, dass die Preisbevorzugung des städtischen Gewerbes rechtens sei. Der Fussgängerverein Zürich und auch die Grünen kritisierten, dass das Gewerbe auf dem Trottoir parkieren dürfe, obwohl dies die Verkehrsregelnverordnung des Bundes klar untersage.
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