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Ausflug nach Büsingen
Zu Besuch im kuriosesten Dorf

Ein Dorf, zwei Landesflaggen: Büsingen.
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Bald ist sie erntereif – die deutsche Traube des Schweizer Weins Curiosum: Noch selten hat ein Etikett den Inhalt besser charakterisiert. Das liegt weniger am Hauch von Vanille und Zedernholz, mit dem der Tropfen den Gaumen erfreut, als am Boden, auf dem er gewachsen ist.

Die Pinot-noir-Rebe wächst zwischen der Landesgrenze, die identisch ist mit den Grenzen der Gemeinde Büsingen, und dem Fussballplatz des lokalen FC, der flächenmässig dem Weinberg nahezu ebenbürtig, aber sehr viel weniger fruchtbar ist: Der Verein ist mächtig stolz auf seinen modernen Kunstrasen.

So wie diese kuriose Weintraube zwar auf bundesrepublikanischem Boden reift, offiziell jedoch als «ursprünglich helvetisch» deklariert wird, tschutten die Büsinger Kicker zwar auf deutschem Territorium, die Tore werden jedoch in den Ligen des Schweizer Fussballverbands verbucht.

Blick auf die Bergkirche St. Michael.

Willkommen in der Enklave am Hochrhein, die sich mit zwei Postleitzahlen schmückt und deren Bewohner über zwei Telefon-Vorwahlnummern erreichbar sind. Knapp 1500 Menschen bevölkern etwas mehr als sieben Quadratkilometer.

Aus den Hähnen fliesst Schweizer Wasser, aus den Steckdosen Schweizer Strom und aus den Eutern Schweizer Milch. Die Kühe selbst jedoch sind im bundesdeutschen Viehverzeichnis aufgeführt.

Die Menschen besitzen deutsche, Schweizer nicht selten auch beide Pässe. Zum Einkaufen fahren sie mit dem Schweizer ÖV-Bus, der deutsch beschriftete Haltestellen bedient, nach Schaffhausen. Ihre täglichen Auslagen berappen sie in Schweizer Franken und die jährlichen Steuern überweisen sie ans Landratsamt im fernen Konstanz – in Euro. Im Gegenzug wird ihnen die Mehrwertsteuer zurückerstattet.

Der Senioren-Goalie ist 69

Manch ein Schweizer Rentenbezüger wandert hier ein, weil er die wohldotierte Pension in der vergleichsweise günstigen EU ausgeben kann. Die Folge sei eine markante Überalterung der Bevölkerung, konstatiert Bürgermeisterin Vera Schraner: «Mit einem Durchschnittsalter von über 50 Jahren sind wir die älteste Gemeinde in Baden-Württemberg.»

Durchaus positiv wirkt sich diese Überalterung auf den FC aus: Mit 69 Jahren ist Goalie Rolf Brütsch noch immer «voll im Saft», lobt Präsident Heinz Wipf, dessen Senioren-Mannschaft durchaus prominent besetzt ist. Es heisst, Hannes Germann, 65-jähriger Schaffhauser SVP-Ständerat, reise von Bern nach Büsingen, wenn die Fussball-Agenda es erfordere.

Gerücht oder Fakt? Der diskrete Fussball-Präsident verdreht die Augen. Und sagt – nichts.

Blick auf Büsingen mit der Alten Rheinmühle.

In Büsingen wähnt sich der Besucher nicht nur in einer deutsch-schweizerischen Mischzone. Wer die Enklave mit offenen Augen und wachem Geist erwandert, schafft es von Schottland bis nach Vietnam.

Die Reise beginnt gleich hinter dem Fussballgelände, wo eine zottelige Herde schottischer Hochlandrinder grast. Wie dichte Gardinen hängen die Dreadlock-Mähnen ins Gesicht der Riesen, was ihnen zwar die Aussicht raubt, aber ein knuddeliges Aussehen verleiht. «Dafür bleiben sie vor den Fliegen verschont», erklärt Bäuerin Heidi Vestner, die das erste Kalb, die Tochter der Kuh Europa, auf den Namen Helvetia getauft hat.

Schottische Hochlandrinder am Hochrhein.

Asyl für Hängebauchschweine

Beim Siedlerweg biegt der Besucher rechts ab und erreicht schliesslich den Hof der Günterts, wo Berta und Willi im Schlamm suhlen. Die vietnamesischen Hängebauchschweine haben hier Asyl erhalten, weil das Restaurant Waldheim, ihre ursprüngliche Heimat, derzeit renoviert wird. «Damit», bedauert Rita, die Mutter des Bauern Ludwig Güntert, «ist ein weiteres Büsinger Kuriosum ausser Betrieb: Auf der Terrasse könnte man nämlich eine rote Linie bestaunen – die offizielle Landesgrenze!»

Wandbild bei der Gemeindeverwaltung.

Bis an die agronomische Landesgrenze bestellt ihr Sohn Ludwig den Acker auf 52 Hektaren: Gerste, Mais, Sojabohnen. Und vor allem Weizen. Den liefert er zum Mahlen über die Grenze nach Schaffhausen, das Mehl holt er zurück zum Hof, wo Gattin Martina daraus köstliche Brötchen backt, die sie wiederum an die Mühle verkauft – genauer: an Markus Hempel, den Pächter des Gastrotempels Alte Rheinmühle. Morgens serviert er den Gästen Martinas Brötchen. Und am Abend kredenzt er eine Flasche Curiosum.

Der Büsinger Tropfen lagert auch in Ludwig Günterts Keller. Der Bauer entkorkt eine Flasche, schenkt ein. «Uf d Schwiiz», sagt er im breitesten Schaffhauser Dialekt. Und fährt hochdeutsch fort: «Und auf den Tag, an dem die Schweizer uns endlich zurückerobern.»

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