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Ihre Fragen zum Ukraine-Krieg
«Würde der Krieg ohne Putin aufhören?»

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Was sind Putins Absichten?

Putin hat gesagt, er wolle die Ukraine «entnazifizieren» und «entmilitarisieren». Das heisst wohl im Klartext, die frei gewählte ukrainische Führung stürzen und das ukrainische Militär zerschlagen. Inzwischen hat sein Sprecher drei klare Forderungen nachgeschoben: Kiew soll das Ziel der Nato-Mitgliedschaft aus der Verfassung streichen, die 2014 annektierte Krim als russisches Territorium akzeptieren und die abtrünnigen Gebiete im Osten des Landes als unabhängig anerkennen.

Wieso hat bei der Annexion der Krim die internationale Gemeinschaft so gut wie nichts unternommen?

Amerikaner und Europäer haben 2014 gezielte Sanktionen verhängt gegen Personen oder Organisationen, die Verantwortung trugen für die Annexion. Das russische Volk wollte man nicht pauschal treffen. Russland wurde zudem aus Foren wie der G-8 ausgeschlossen, die Zusammenarbeit wurde stark reduziert, Russland faktisch geächtet. Viele glaubten damals, diese Sanktionen seien ausserordentlich scharf und würden Moskau zum Einlenken bringen. Das war nicht der Fall, Russland hat sich damit arrangiert. Und ja, auf dem Hintergrund der Massnahmen, die jetzt ergriffen wurden, waren die Sanktionen damals sehr bescheiden.

Würde der Krieg ohne Putin aufhören?

Vielleicht nicht sofort, aber wohl recht schnell. Er hat den Entscheid zwar nicht allein getroffen, vier Männer aus den Bereichen Geheimdienst und Militär haben mitentschieden und würden den Krieg wohl vorerst weiterführen. Aber sie haben keine Legitimität im Volk, das den Krieg zu einem grossen Teil ablehnt. Und auch in Regierung und im Business knistert es, weil die Sanktionen Russland so massiv treffen und der russischen Elite auch persönlich schaden. Ohne Putin würden sie dem innersten Machtzirkel wohl nicht lange folgen.

Können Sanktionen gegen Russland das Feindbild des Westens verstärken? Und wen treffen sie mehr: Oligarchen oder die einfache Bevölkerung?

Die Krim-Sanktionen sollten die Bevölkerung eigentlich nicht treffen, haben aber zu einem starken Schulterschluss zwischen Regime und Bevölkerung geführt. Dies vor allem deshalb, weil die Annexion der Krim, die viele in Russland als ihre Stammlande betrachten, bis weit ins Oppositionslager höchst populär war und ist. Beim Krieg in der Ukraine ist das anders, der ist nicht populär. Und die Sanktionen treffen diesmal die Bevölkerung sehr direkt: keine Flüge mehr in die Ferien, in manchen Einkaufsmeilen sind die Hälfte der Läden geschlossen etc. Wie sich das auf das Verhältnis zum Kreml auswirkt, wird man sehen. Die Oligarchen werden sehr hart getroffen, wenn alles umgesetzt wird, was angekündigt ist. Ein paar von ihnen haben sich bereits von der Führung distanziert. Ein Novum.

Wie hoch ist die Chance, dass sich der innere Zirkel Putins gegen ihn auflehnt?

Praktisch null, wenn man vom innersten Zirkel spricht. Die fünf Männer sind alte Freunde, haben diesen Entscheid gemeinsam getroffen. Sie alle kommen entweder aus Geheimdienst oder Militär. Die meisten von ihnen sind noch radikaler in ihrer Ablehnung des Westens und ihrer Kritik an der Ukraine als der Präsident selber. Auch im weiteren Umfeld der Elite ist es schwierig, Putin hat immer darauf geachtet, dass neben ihm keine Führungsperson heranwachsen kann. Deshalb hat er auch keinen Nachfolger nach seinem Geschmack gefunden und sich per Referendum selber erlaubt, die geltende Amtszeitbeschränkung aufzuheben.

Was glauben Sie, sind die Folgen dieses Krieges auf die Friedenssicherung im Westen und der Welt?

Die Folgen sind massiv. Bis vor kurzem waren wir noch überzeugt davon, dass Konflikte in Europa nur mit friedlichen Mitteln beigelegt werden können und es keinen Krieg mehr geben wird. Das alles gehört der Vergangenheit an, das alte machtpolitische und militärische Denken kehrt zurück. Friedensaktivisten werden als gefährliche Naivlinge dargestellt. Viele Staaten haben bereits beschlossen, ihr Verteidigungsbudgets massiv zu erhöhen. Und die Logik, dass mehr Waffen zu mehr Frieden führen, findet sicher auch ausserhalb Europas Anhänger, wo die Militärausgaben bereits seit langem jedes Jahr weiter wachsen.

Inwieweit ist die russische Bevölkerung informiert über die aktuelle Lage in der Ukraine?

Momentan ist es sehr schwierig, sich in Russland unabhängig zu informieren. Laut Staatsfernsehen gibt es gar keinen Krieg in der Ukraine, sondern nur eine «Militäraktion», um einen Krieg zu verhindern. Die letzten halbwegs freien russischen Medien sind die letzten Tage verschwunden, viele westliche Korrespondenten ausgereist, weil für das Benutzen von Begriffen wie Krieg, Invasion, Überfall 15 Jahre Haft drohen. Viele Russinnen und Russen wissen natürlich trotzdem Bescheid, vor allem aus den sozialen Medien, denen der Kreml aber auch zu Leibe rückt. Immer wieder gehen Tausende mutige Menschen in Russland gegen den Krieg auf die Strasse, ebenfalls Tausende werden dabei verhaftet.

Wie gehe ich mit einer russischen Kollegin in der Schweiz um, die keine westlichen Medien zu konsumieren scheint, sondern sich wie viele andere junge Leute nur auf Telegram etc. informiert? Sie argumentiert bloss auf Basis von Fake News.

Dann schaut sie die falschen Telegram-Kanäle an. Die russischen Staatsmedien zelebrieren ihre alternative Realität natürlich auch in den sozialen Medien. Mit Leuten zu sprechen, die das wirklich glauben, ist sehr schwierig bis unmöglich. Auf Telegram, die wichtigste und populärste Plattform für Russen und Ukrainer, hat es aber auch andere Informationen: Unabhängige russische Medien sind darauf ausgewichen, die russische Opposition kommuniziert schon lange auf Telegram. Ebenso Aktivisten und Regierungsstellen in der Ukraine, die so wertvolle Informationen über das Kriegsgeschehen liefern. Aber eben, auf den Kanal kommt es an. Vielleicht lassen Sie Ihren Bekannten noch etwas Zeit. Die Putin-Fans in der Schweiz sind inzwischen schon deutlich ruhiger und nachdenklicher geworden.

Wie weit kann und wird Europa gehen mit seiner militärischen und politischen Unterstützung, bevor wir in einen dritten Weltkrieg mit atomaren Risiken schlittern?

Die Nato hat von Anfang an klargemacht, dass sie keine Truppen in die Ukraine schicken wird, um das Land gegen Russland zu verteidigen. Auch die von der Ukraine geforderte Schliessung des Luftraums, um Ukrainerinnen und Ukrainer vor Raketen und Bomben zu schützen, dürfte nicht zustande kommen: Denn dies würde bedeuten, dass Nato-Flugzeuge über der Ukraine patrouillieren und russische Flugzeuge abschiessen müssen, wenn sie in den ukrainischen Luftraum eindringen. Das wäre faktisch ein Kriegseintritt der Nato. US-Präsident Biden hat selber gesagt, das dürfe nicht passieren, denn das würde den dritten Weltkrieg bedeuten.

Welcher europäische Staatschef hat den grössten Einfluss, den besten Draht zu Putin?

Früher war das ganz klar die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat es immer wieder geschafft, Wogen zu glätten, sich Einfluss zu verschaffen und hat ein gewisses Vertrauen genossen bei Putin. In den letzten Wochen hat der französische Staatschef Emmanuel Macron versucht, in diese Rolle zu schlüpfen. Er war zu Gesprächen in Moskau und hat lange mit Putin gesprochen. Nach der Invasion hat er mehrmals mit dem russischen Präsidenten telefoniert und versucht, ihn umzustimmen und Einfluss geltend zu machen. Bisher vergebens.

Arbeitet der Westen an einem Angebot, das es Putin erlaubt, ohne massiven Gesichtsverlust aus der Katastrophe raus zu kommen?

Vielleicht. Aber der Kreml ist derzeit an so einem Angebot wohl nicht interessiert und macht klar, dass die Zeit der Gespräche vorbei sei. Zudem kann der Westen nicht über die Ukraine entscheiden: Russland verlangt unter anderem eine faktische militärische Neutralität von der Ukraine, die Anerkennung der Krim etc. Dies alles sind Fragen, die allein in Kiew entschieden werden können. Und was den Gesichtsverlust angeht: Der ist Putin mittlerweile offenbar egal, sonst hätte er diesen katastrophalen Krieg wohl gar nie begonnen.