Rätselraten um Qin GangWo ist Chinas Aussenminister?
Es ist ungewöhnlich, wenn der Vertreter eines Landes 25 Tage lang nicht mehr gesehen wird. Manchmal tauchen in China verschwundene Politiker allerdings auch vor Gericht wieder auf.
Wo ist Qin Gang? Das ist eine Frage, die in China immer mehr Menschen beschäftigt. Der chinesische Aussenminister ist seit 25 Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesichtet worden – äusserst ungewöhnlich für einen Mann, der China nach aussen vertreten soll.
In den letzten drei Wochen fehlte der 57-Jährige bei mehreren wichtigen aussenpolitischen Terminen, darunter eine Asean-Konferenz in Indonesien. Als Grund galten offiziell «gesundheitliche Gründe». Am Montag erklärte eine Sprecherin des Aussenministeriums auf weitere Nachfragen, keine Informationen zu haben, die sie mitteilen wolle. Eine Bemerkung, die später in der offiziellen Abschrift der Pressekonferenz fehlte.
Vertrauter von Parteichef Xi
In der «South China Morning Post», die seit einigen Jahren stärker unter dem Einfluss Pekings steht, wurde in einem Text dem Autor zufolge ohne Rücksprache ein Verweis auf Qin Gang gestrichen. Es sind Ereignisse, die in Chinas extrem verschlossenem politischem System diese Woche für neue Spekulationen sorgten.
Erst im Dezember hatte Qin Gang seinen Posten als Aussenminister angetreten, er gilt als enger Vertrauter von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Davor war Qin nicht einmal zwei Jahre als chinesischer Botschafer in Washington stationiert. Bekannt wurde er durch seine Rolle als Sprecher des Aussenministeriums. Immer wieder attackierte Qin bei Pressekonferenzen andere Staaten oder Journalisten und setzte damit den Ton für eine neue Generation von Diplomaten, die Pekings neues Selbstbewusstsein inzwischen lautstark kundtun.
Parteiinterne Untersuchung?
Es ist nicht ungewöhnlich für chinesische Parteivertreter, einige Zeit aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Anders als beispielsweise bei hochrangigen europäischen Politikern, die ihre offiziellen Termine mitteilen, ist fast nie klar, wo sich Chinas Staatsführung gerade aufhält. Auch Präsident Xi Jinping galt bereits mehrfach als «vermisst», kurz vor seinem Amtsantritt 2012 führte dies zu heftigen Gerüchten über seinen Gesundheitszustand und einen möglichen Machtkampf innerhalb der Partei. In den Anfängen der Corona-Pandemie zeigte sich der Staatschef erst wieder, als die Lage in Wuhan einigermassen unter Kontrolle war.
In manchen Fällen tauchen Verschwundene allerdings erst wieder auf, wenn sie wegen Korruptionsverdachts oder anderer Vorwürfe vor Gericht gestellt werden. Auch im Zusammenhang mit Qin Gang halten Experten eine parteiinterne Untersuchung gegen den Politiker für möglich. Belege dafür gibt es nicht. In der chinesischen Diaspora, in der parteipolitische Gerüchte häufig besonders bunt ausgeschmückt werden, weisen manche Beobachter auf eine mögliche Verbindung zu einer chinesischen TV-Moderatorin hin, die ebenfalls seit einiger Zeit nicht mehr gesichtet wurde.
Eine andere Theorie ist eine schwere Erkrankung an Covid-19. China hält Statistiken aus der Zeit nach der plötzlichen Öffnung des Landes im letzten Winter geheim, allerdings deutete ein Datenleck aus der ostchinesischen Provinz Zhejiang diese Woche darauf hin, dass die Todeszahlen deutlich höher sein könnten als offiziell angegeben. Peking hat den Sieg über das Virus verkündet, Corona-Todesfälle und Long Covid gelten deshalb als extrem sensible Themen, was einen transparenten Umgang mit der Erkrankung eines Spitzenpolitikers erschweren könnte.
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