AboInterview mit Chef von Ärzte ohne Grenzen«Unter den aktuellen Gesundheitsproblemen bereiten mir zwei besondere Sorgen»
Wie reagieren Hilfsorganisationen auf Krisen in ihrem Einsatzgebiet? Christos Christou, über schwierige Entscheidungen und zunehmende Gefahren.
Covid-19, Grippe, Masern, Ebola, Affenpocken, dazu Krieg und Hunger: Wir erleben derzeit viele Gesundheitskrisen gleichzeitig. Welche beunruhigt Sie am stärksten, Herr Christou?
Es stimmt. Wir haben quasi überall Krisen und Entwicklungen, die wir uns noch vor kurzem nicht hätten vorstellen können. Unter den aktuellen Gesundheitsproblemen bereiten mir zwei besondere Sorgen. Zum einen die Cholera. Wir sehen zwar jedes Jahr Cholera-Ausbrüche. Aber in diesem Jahr erleben wir Epidemien in Regionen, die die Krankheit eigentlich schon eliminiert haben sollten oder sie zumindest länger nicht mehr gesehen haben, wie im Libanon und in Haiti. Und jetzt fehlen uns die Impfstoffe. Wir bräuchten zurzeit etwa 250 Millionen Dosen Cholera-Impfstoff, haben aber grosse Mühe, auch nur 50 Millionen Dosen zu bekommen. Wir verlassen uns immer wieder auf nur ein bis zwei Hersteller, die dann nicht schnell genug reagieren können. Wir brauchen dringend mehr Produktionskapazitäten auf allen Erdteilen. Es ist, als hätten wir überhaupt nichts aus der Pandemie gelernt.