Interview zu Zürcher Kino-Fusion«Wir haben uns gegenseitig die Zuschauer weggenommen»
Frank Braun bestimmt das Kinoprogramm im Riffraff und Houdini und neu auch im Kosmos. Auf welche Änderungen muss sich das Publikum einstellen?
Im Kreis 5 steht das Riffraff, im Kreis 4 das Houdini, zusammengeschlossen sind sie in der Neugass Kino AG. Auf halbem Weg zwischen den beiden wurde vor ein paar Jahren das Kosmos eröffnet – mit seinen Kinosälen eine direkte Konkurrenz in der Nachbarschaft. Jetzt ist daraus eine Partnerschaft geworden, das Kosmos hat sich für die Filmprogrammation mit den Neugass-Kinos zusammengeschlossen. Diese sogenannte strategische Zusammenarbeit sei eine Reaktion auf den Strukturwandel im Zürcher Kinomarkt, verkünden die beiden Kinobetreiber. Damit bestimmt Frank Braun, der Programmleiter der Neugass-Kinos, seit Ende Juli zusätzlich darüber, was auf den sechs Leinwänden des Kosmos läuft.
Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Gespräche haben wir schon vor der Kosmos-Eröffnung 2017 geführt und seither immer wieder. Das Kosmos ist ein Mehrspartenhaus mit Gastronomie und einem Arthouse- und Independent-Programm, es gibt also eine Wesensverwandtschaft zum Riffraff und Houdini. Allein schon durch die örtliche Nähe war eine Konkurrenzsituation absehbar. Gleiche Interessen haben zu Verdoppelungen im Filmangebot geführt, die mehrheitlich keinem was gebracht haben, weil wir uns gegenseitig die Zuschauer weggenommen haben.
Weshalb wurde der Zusammenschluss jetzt konkret?
Es gab eine Vakanz, weil Marisa Suppiger, die Programmleiterin des Kosmos-Kinos, auf Ende letzten Jahres kündigte. Letzten Herbst übernahm zudem Dominique Münch die Geschäftsführung des Kosmos. Wir hatten damit ein neues Gegenüber, die Gespräche wurden intensiviert.
Sie bestimmen nun das Programm für drei Kinohäuser in Zürich. Geht das nicht auf Kosten der Programmvielfalt?
Im Gegenteil, wir können mehr Filme ins Programm nehmen, weil wir unsinnige Doppelungen vermeiden. Mehrkopienstarts sind in Zukunft nicht ausgeschlossen, aber es werden innerhalb der Gruppe deutlich weniger sein. Bei jedem Film überlegen wir uns genau, in welchem Center er am besten aufgehoben ist. Das wird längerfristig die Programmprofile der einzelnen Häuser stärken.
«Ein beherztes Verhältnis zum Mainstream verträgt sich mit dem Begriff vom Greater Arthouse.»
Wie sieht es mit dem neuen James-Bond-Film aus? Der soll ja Ende September kommen.
Bei «No Time to Die» ist vorgesehen, dass er neben dem Kosmos auch im Houdini läuft, wo wir neben kleinen Nischenfilmen auch qualitativen Mainstream haben. Im Lauf der Spielzeit wird eines der beiden Häuser früher aussteigen. Überhaupt sollte sich ein beherztes Verhältnis zum Mainstream mit dem Begriff vom «Greater Arthouse», den das Kosmos bisher propagierte, bestens vertragen, ohne dass dabei Anspruch und Diversität verloren gehen. Abgesehen davon, dass sie gut unterhalten wollen, können Mainstreamprodukte auch gesellschaftliche Themen intelligent verhandeln.
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Ist das für die Verleiher interessant, wenn ihre Filme an weniger Orten gezeigt werden?
Es wäre doch ein Jammer, wenn die hiesige Kinolandschaft wie ein Grossverteiler funktioniert und in jedem Kino dasselbe läuft. Es ist im ureigensten Interesse der Verleiher, dass es profilierte Kinos gibt. Auch das Publikum wünscht sich das. Es will nicht nur zwischen Filmen, sondern auch zwischen Kinos mit eigener Ausstrahlung wählen können.
Der Zusammenschluss stärkt sicher auch die Position der Kinos bei den Verleihern.
Klar, wir bekommen mehr Gewicht, wenn es um die Akquise von Filmen geht, und haben mehr Gestaltungsspielraum.
Was ändert sich sonst in den Programmen der drei Kinos?
Es wird häufiger so sein, dass Vorpremieren und Spezialvorführungen mit anschliessender Diskussion im Kosmos stattfinden, auch wenn ein Film ansonsten im Riffraff oder Houdini läuft.
Nach welchem Modell wird der Gewinn am Ende aufgeteilt?
Alle Einnahmen aus dem Ticketverkauf der drei Kinocenter fliessen zusammen und werden dann zu einem fixen Schlüssel an die beteiligten Gesellschaften ausgeschüttet. Ein Gewinn resultiert daraus noch nicht. Aber das Modell beteiligt alle an Erfolgen und kann Misserfolge besser abfedern. Zudem verkleinern sich bei einer zusammengelegten Programmation die damit verbundenen Kosten.
«Es gibt ganz konkrete Barrieren zu überwinden.»
Gibt es Pläne für eine weitere Zusammenarbeit?
Wir konzentrieren uns jetzt aufs Programm. Selbstverständlich liesse sich die Zusammenarbeit weiter ausdehnen. Doch gibt es ganz konkrete Barrieren zu überwinden, wie zum Beispiel die unterschiedlichen Betriebssysteme fürs Ticketing.
Wird das Publikum überhaupt kommen? Wie steht es aktuell mit den Zuschauerzahlen?
Es ist schon da! Im Anschluss an den ersten Lockdown letztes Jahr waren die Zahlen dürftig, aber jetzt nach dem zweiten Lockdown sind sie phasenweise gar dreimal so hoch wie zur selben Zeit im Vorjahr. Und das trotz Corona-bedingten Einschränkungen, EM und Olympia. Klar hat auch der Regen in den letzten Wochen dazu beigetragen. Dazu halten sich Filme wie «Nomadland» und «Drunk» lange und gut. Unter dem Strich geht es in die gute Richtung. Darum bin ich optimistischer als auch schon.
Der Kinoverband Procinema spricht allerdings von einem starken Schwund. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 zu den ersten sechs Monaten dieses Jahres verzeichnet der Verband um 75 Prozent weniger Gäste.
Das stimmt auch. Nur werden da Äpfel mit Birnen verglichen. Letztes Jahr kam der Lockdown erst im März, wir konnten das erste Jahresquartal noch voll in der Wintersaison fahren, wo die Umsätze mehrfach höher sind als im Sommer. Im Gegensatz dazu fiel dieses Jahr das Winterquartal vollständig weg. Die Kinos öffneten erst im Mai. Wenn man dagegen nur die Perioden nach den Lockdowns vergleicht, fällt die Bilanz ganz anders aus. Vom Vor-Corona-Niveau sind wir aber noch weit entfernt. Entscheidend wird sein, wie die kommende Wintersaison läuft und wie sich eine Zertifikatspflicht auswirkt, die der Bundesrat jetzt prüft.
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