Schneeschuh-TrendWildtiere sind im Stress
Der aktuelle Boom gefährdet die Tierwelt. Wildhüter Bruno Dauwalder mahnt zu Rücksicht.
Wie ein aufgescheuchtes Huhn – was in der Umgangssprache einer witzigen Konnotation gleichkommt, kann in der Natur bitteren Ernst bedeuten. «Die Raufusshühner, dazu gehören etwa Birk- und Auerhühner, schlafen in selbst gebauten Schneehöhlen», erklärt Bruno Dauwalder, Wildhüter im Berner Oberland. «Werden sie durch Schneesportler aufgescheucht, verlassen sie ihren Schlafplatz.»
Das bedeute für die teilweise gefährdeten Tiere in den Alpen nicht nur grossen Stress, sondern auch die Suche nach einem neuen Unterschlupf. Ein Stress mit Folgen. Forschungen zeigen, dass eine erhöhte Sterblichkeit im Winter und negative Auswirkungen auf die Fortpflanzung im Frühling dazugehören können.
«Rechtliche Mittel haben wir ausserhalb von Wildschutz- und Naturschutzgebieten leider keine.»
Seit 34 Jahren überwacht, reguliert und pflegt Dauwalder als Wildhüter die Bestände wild lebender Tiere und deren Reviere im Gebiet Thuner- und Brienzersee. Auch in seinem Aufsichtskreis rund um das für eine Steinbockkolonie bekannte Niederhorn weilen in diesem Winter Wildtiere und Schneeschuhläufer. Erstere vertragen die Präsenz der Menschen nur, wenn sich diese an die Regeln halten.
«90 Prozent der Schneeschuhwanderer in meinem Gebiet bewegen sich auf den offiziellen und signalisierten Schneeschuhrouten», fasst der Wildhüter seinen Erfahrungswert zusammen.
So weit, so gut. Für die übrigen 10 Prozent aber – gut möglich, dass es im Corona-Winter mehr werden – hat Dauwalder kein Verständnis. «Rechtliche Mittel haben wir ausserhalb von Wildschutz- und Naturschutzgebieten leider keine», sagt er zu Schneeschuhwanderern, die sich einen eigenen Weg durch das Gelände und somit auch durch Natur- und Wildschutzzonen bahnen. «Wir können nur an den Verstand der Besucher appellieren.»
Flucht als Kraftakt
Wer sich konsequent auf den offiziellen und markierten Routen bewegt, macht schon fast alles richtig. Trotzdem kommt es gemäss Dauwalder immer wieder vor, dass er Besucher, auch jene auf den Pfaden, auf die Regeln aufmerksam machen muss. «Wo Tiere leben, müssen Hunde an die Leine», erklärt er. Und auf nächtliche Ausflüge soll man bitte gänzlich verzichten.
«Wenn Tiere flüchten, braucht das sehr viel Energie.»
Denn nicht nur die Raufusshühner, auch andere Bewohner der Schweizer Bergwelt fahren im Winter ihren Energiehaushalt aufgrund tiefer Temperaturen und des knappen Nahrungsangebots herunter und reagieren entsprechend empfindlich auf Störungen.
Das gilt etwa auch für Rehe, Hirsche und Gämsen. «Wenn diese flüchten, braucht das sehr viel Energie», so Bruno Dauwalder. Durch hohen Schnee zu rennen, mit einem potenziellen Feind im Rücken, ist ein grosser Kraftakt. Trauen sich die Tiere aufgrund von wiederholten Störungen nicht zurück an ihren Stammplatz, müssen sie die verbrauchten Reserven anderswo kompensieren. «Dann verursachen sie Schäden an Schutzwald und Jungbäumen», illustriert der Wildhüter die Wirkungskette.
Ruhig und gemütlich weitergehen
Auf den signalisierten Schneeschuhwanderwegen zu bleiben, bedeutet nicht automatisch, auf jegliche Tiersichtungen zu verzichten. Nicht selten halten sich Auerhuhn, Reh und Co. in der Nähe der Trails auf – und können die menschlichen Besucher antizipieren.
Tiere, denen man auf der Route begegnet, haben sich in der Regel an Schneeschuhläufer gewöhnt und reagieren weniger sensibel. In diesem Fall empfiehlt Wildhüter Dauwalder, gemütlich weiterzugehen und keine lauten Geräusche zu machen. In der Ruhe ist es im Winterwunderland ja sowieso am idyllischsten.
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