Neue SerieWelche Geschichten kennt die Klimakatastrophe?
«Extrapolations», das ist starbesetzte Science-Fiction über die Erderwärmung. Hat der Klimawandel Unterhaltungswert?

Ein einziger Text über die Folgen einer Erderhitzung um, sagen wir mal, 1,5 Grad Celsius bietet Stoff für wochenlange Albträume. Und es müssen solche Albträume gewesen sein, die der Ausgangspunkt sind für die Serie «Extrapolations» bei Apple TV +. «Extrapolations» ist eine Science-Fiction-Anthologie, und die ersten Episoden sind erschütternd. Die Serie beginnt in Tel Aviv, wo ein junger amerikanischer Rabbi von seinen Eltern besucht wird, die ihn zurück nach Hause locken wollen, und wo seine Mutter an der Hitze fast stirbt – sie spielt in nur vierzehn Jahren.
Hat der Klimawandel Unterhaltungswert? Nur für Fans des Horrorfilms. Feuer, Flut, Dürre, Artensterben – und der Mensch als bedrohte Art, der seinen Lebensraum selbst zerstört hat, von all diesen Dingen handelt «Extrapolations». Es sind Geschichten aus der Zukunft, lose miteinander verwoben, mit wiederkehrenden Figuren – und einer eindrucksvollen Besetzung. Es ist ja auch ein ehrenwertes Projekt.
Ein Buckelwal mit der Stimme von Meryl Streep
Sienna Miller spielt eine Wissenschaftlerin, die mit dem letzten Wal kommunizieren kann, so wie sie auch schon die letzten Elefanten kennen gelernt hat. Sie leidet an ihrem Beruf, weil sie den Tieren und ihren Gedanken ganz nah kommt, ihr aber Vorgesetzte im Nacken sitzen, die geldwerte Erkenntnisse verlangen und Bindungen verbieten – dass sie ihre Software so programmiert, dass die Buckelwal-Dame mit der Stimme ihrer verstorbenen Mutter spricht, kostet sie fast ihren Job.
Meryl Streep spielt ihre Mutter, die vor ihrem Tod Videos aufgenommen hat, um irgendwie beim Enkel sein zu können, den sie nicht mehr erleben wird. Edward Norton ist ein Rechengenie, der eine alte Bekannte beim Geheimdienst (Diane Lane) um Hilfe bittet, weil seine Ex-Frau einen viel zu riskanten Plan, die Erderwärmung zu stoppen, zu Geld machen will – einen, der mal eben alles Leben auf der Erde ausrotten könnte. Dieser kleine Thriller ist eine Doppelfolge, geschrieben von Dave Eggers («The Circle»), und funktioniert ganz gut.
Die Serie schätzt, dass auch in zehn, zwanzig oder vierzig Jahren die USA noch der Nabel der Welt sind. Abwarten. Ausgedacht hat sich die Serie Scott Z. Burns – und der hat vor mehr als einem Jahrzehnt das Drehbuch zu Steven Soderberghs Pandemie-Thriller «Contagion» geschrieben. Da hat er, vom Quacksalber auf Facebook bis zur Masken-Knappheit, ziemlich richtig gelegen. In den Episoden, die von «Extrapolations» schon freigeschaltet sind – bislang vier, weitere vier erscheinen noch –, ist der Feind aller Hoffnung die Gier.
Werden Klimaleugner mitschauen?
Das ist alles gut gemacht, gut gedacht, gut gespielt, die Filme wecken die Emotionen, auf die sie hinauswollen: Wut über einen korrupten Bauunternehmer, der einen Rabbi austrickst, um ein Flüchtlingscamp loszuwerden. Die tiefe Traurigkeit, die die Wissenschaftlerin empfindet, als sie dem Buckelwal sagen muss, dass es da draussen keinen Gefährten mehr gibt. Dafür verwandelt man Informationen in Geschichten: um ihnen die Macht der Emotion mit auf den Weg zu geben. Am besten aufgehoben wären diese Gefühle aber bei Menschen, die den Klimawandel leugnen. Werden die eine Serie wie «Extrapolations» anschauen? Der Rest von uns hat auch so schon Angst.
«Extrapolations», acht Folgen, immer freitags bei Apple TV+.
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