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Meinung

Analyse zur Wahl in Nicaragua
Vom Freiheitshelden zum Diktator

Daniel Ortega und seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo bei der Stimmabgabe.
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Am Sonntag fanden Wahlen statt in Nicaragua, so die Theorie. Denn von einer demokratischen Abstimmung mag kaum ein Beobachter reden. Keine Freiheit, keine Fairness, stattdessen – «Fake». So zumindest nannte der EU-Aussenbeauftragte, Josep Borrell, die Wahlen: «Wir können nicht davon ausgehen, dass sie ein Ergebnis hervorbringen werden, das wir als rechtmässig erachten können.» Ausländische Journalisten werden an der Einreise gehindert und Oppositionelle seit Monaten verhaftet, darunter selbst ehemalige Kampfgefährten Ortegas.

«Comandante Daniel» wird José Daniel Ortega Saavedra gern von seinen Anhängern genannt. Noch als Student hatte sich der Spross einer Mittelschichtsfamilie den Sandinisten angeschlossen. Sie kämpften gegen die Somoza-Diktatur, die damals schon seit Jahrzehnten das mittelamerikanische Land in eisernem Griff hielt – massgeblich auch dank amerikanischer Unterstützung. Während die Somozas immer reicher wurden, blutete Nicaragua aus.

Motiviert durch die Erfolge Fidel Castros in Kuba bildete sich Anfang der Sechzigerjahre eine Widerstandsbewegung, die sich auf den nicaraguanischen Widerstandkämpfer Augusto César Sandino berief. Es folgte ein jahrelanger Guerillakrieg, bei dem Ortega an der Front kämpfte. Er wurde verhaftet, schwer gefoltert und ins Exil nach Kuba gebracht. Doch Ortega kehrte zurück, kämpfte weiter und wurde schliesslich, nach dem Sturz der Somozas 1979, Mitglied einer Regierungsjunta.

Einmal an der Macht, wollte Ortega nicht mehr von ihr lassen.

In den folgenden Jahren gab es Landreformen, Bildungsprogramme, und das Gesundheitssystem wurde ausgebaut. 1984 trat Ortega bei den Präsidentenwahlen an und gewann mit mehr als 60 Prozent der Stimmen. Internationale Beobachter bezeichneten die Abstimmung weitgehend als frei und fair, die USA sahen in den Sandinisten aber eine kommunistische Bedrohung. Sie erkannten Ortegas Präsidentschaft nicht an; stattdessen unterstützte Washington bewaffnete Oppositionsgruppen, die sogenannten Contras.

Es kam abermals zu einem Guerillakrieg, Tausende starben, darunter viele Zivilisten. Wegen der US-Sanktionen brach zudem auch noch die Wirtschaft zusammen. Bei den Wahlen 1990 verloren die Sandinisten, und Ortega ging verbittert in die Opposition. In den folgenden Jahren gab es Korruptionsgerüchte, dazu warf Ortegas Stieftochter ihm auch noch vor, sie als Kind wiederholt vergewaltigt zu haben. Zweimal kandidierte Ortega erneut, zweimal verlor er. Erst 2006 gelang ihm die Rückkehr an die Macht, mit einem mehr katholisch-konservativen denn einem kommunistisch-sozialistischen Programm. Und auch damals schon gab es Klagen und Proteste wegen Wahlbetrugs.

Doch einmal an der Macht, wollte Ortega nicht mehr von ihr lassen. Er ging er gegen die Opposition vor und besetzte den nationalen Wahlrat mit Vertrauten. Seine Frau, Rosario Murillo, wurde Vizepräsidentin, Familienmitglieder bekamen Posten zugeschanzt. 2018 gab es blutige Proteste. Hunderte starben oder wurden verhaftet. Und während der Pandemie rief Ortega zu Massenveranstaltungen auf statt zum Abstandhalten.

Nun also die Wahl, die niemand so nennen mag, weil alle aussichtsreichen Kandidaten der Opposition in Haft sitzen. Tausende haben ihre Heimat Nicaragua schon verlassen auf der Flucht vor Wirtschaftschaos und Verfolgung durch die Regierung.

Nächste Woche wird Daniel Ortega 76 Jahre alt; er mag einst angetreten sein, um sein Land in eine bessere Zukunft zu führen. Die Wahlen vom Sonntag aber sind mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein weiterer Schritt auf dem Weg in Richtung Abgrund.