Verstappen ausser Rand und Band«Behinderter Idiot!»
Der Niederländer gerät im Training mit Lance Stroll aneinander und rastet aus. Ein solches Verhalten gehört sanktioniert, doch die Kommissare reagierten nicht.
Es gab Anzeichen, dass er geläutert ist. Dass er aus seinen Fehlern gelernt hat, gewachsen ist, gereift auch. Vielleicht sogar reif für den ganz grossen Coup: den WM-Titel. Es wäre in diesem Jahr die letzte Chance für Max Verstappen gewesen, jüngster Weltmeister der Geschichte zu werden. Doch die Mercedes sind auch in dieser speziellen Saison 2020 zu stark, ist der 23-jährige Niederländer in seinem Red Bull chancenlos.
Vielleicht ist es der Frust darüber, der aus ihm herausbricht im zweiten Training zum Grand Prix von Portugal in Portimão, wo am Sonntag Rennen 12 von geplant 17 stattfindet. Bei der Rückkehr der Formel 1 nach 24 Jahren an den Atlantischen Ozean jedenfalls geschieht das: Lance Stroll, soeben genesen von seiner Erkrankung an Covid-19, überholt im Racing Point den schleichenden Red Bull von Verstappen, der seine schnelle Runde abgebrochen hat. Doch auf der folgenden Start/Ziel-Geraden ist Verstappen plötzlich wieder im Rennmodus, jagt er den rosaroten Racing Point vor ihm, rast leicht nach hinten versetzt rechts neben ihm – Stroll rechnet nicht damit. Der junge Kanadier lenkt in die erste Kurve ein, es knallt, Stroll landet im Kiesbett, Verstappen kann mit beschädigter Frontpartie weiterfahren Richtung Box.
Das ist nur eines: Dummdreist
Es ist eine Szene, wie sie in einem Rennen vorkommen kann. Doch in einem Training ist das nur dummdreist. Gerade von Verstappen, der sich aufführt, als ginge es um den Grand-Prix-Sieg.
Der einstige Sauber-Pilot und heutige Experte beim TV-Sender Sky, Johnny Herbert, sagt: «Lance war auf einer schnellen Runde. Es ist sein Recht, auf seiner Linie zu beharren. Für meine Begriffe hätte Max nicht durchziehen dürfen. Es heisst: Frontflügel gegen Heckflügel.»
Nur kommt es in Verstappens Welt ziemlich selten vor, dass er der Schuldige ist, wenn es zur Eskalation auf der Strecke kommt. So ist es auch an diesem sonnigen Freitag in Portugal. Via Boxenfunk greift Verstappen zur verbalen Keule – und vergreift sich mächtig im Ton. «Ist dieser verdammte Kerl blind? Was zur Hölle stimmt nicht mit dem? Jesus!» Das ist, was dem Heisssporn im ersten Moment einfällt.
Und im zweiten: «Was für ein behinderter Idiot («retard»). Mein Auto ist beschädigt. Was für ein Mongoloid (mongol), ich schwöre es euch.» Und dahin war es mit dem Eindruck, den der Sohn des einstigen Formel-1-Piloten und ebenso zu übertriebenen Reaktionen neigenden Jos Verstappen in der vergangenen Saison vermittelt hatte: dass er vernünftig geworden ist und sich die mahnenden Voten zu Herzen genommen hat, die auch aus dem Team heraus kamen. Wie etwa dasjenige von Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko, der gegenüber den Tamedia-Zeitungen nach einem teaminternen Unfall zwischen Verstappen und Daniel Ricciardo in Baku 2018 gesagt hatte: «Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem er auch einmal die Vernunft vor die Aggressivität stellen müsste. Er muss auch einmal zurückstecken, nicht immer auf das absolut Ganze gehen und jeden Zweikampf gewinnen wollen. Nun lernt er das halt auf die harte Tour.»
Nach dem Training in Portugal darauf angesprochen, dass sich Leute an seiner Ausdrucksweise stören würden, sagte Verstappen: «Das ist nicht mein Problem.»
Im Fussball gäbe es die Rote Karte – zu Recht
Gelernt hat Verstappen offensichtlich nicht allzu viel, ist er selbst in einem Training bereit, ein solches Risiko einzugehen. Die Rennkommissare des Weltverbands FIA verzichteten darauf, eine Strafe auszusprechen. Beide Fahrer hätten gesagt, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Damit ist die Sache für die FIA erledigt. Es wurde allerdings auch nur die Situation auf der Strecke beurteilt. Wie so oft waren die verbalen Querschläger, die sich in der Formel 1 via Funk häufen, auf einem solch niedrigen und primitiven Niveau aber selten vorkommen, kein Thema.
Verstappens unerhörte Entgleisung aber gehörte sanktioniert. Kein Fussball-, Eishockey- oder Handballspieler könnte sich so etwas auf einem Spielfeld erlauben. Und das zu Recht. Die Rote Karte, der Ausschluss, wäre die richtige Antwort. Es wäre an diesem Freitag Zeit gewesen, auch gegenüber dem jungen Haudrauf ein deutliches Zeichen zu setzen. In der Hoffnung, dass er auch irgendwann wächst. Und es nicht so ist, wie der verstorbene Dreifachweltmeister Niki Lauda einst sagte: «Normalerweise wächst man an seinen Fehlern. Max aber wird immer kleiner.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.