Tötungsdelikt am BruggerbergAargauer Obergericht muss nun über den Höhlenmörder richten
Der junge Mann, der seinen Freund bei lebendigem Leib begraben hatte, hat die Strafe des Bezirksgerichts Brugg angefochten. Am Montag entscheidet das Obergericht.

Zum Start der Verhandlung im so genannten «Höhlenmord» vom Bruggerberg vor dem Aargauer Obergericht hat der psychiatrische Sachverständige am Montagmorgen erklärt, der Beschuldigte benötige längerfristig therapeutische Behandlung.
Der Fall trug sich im April 2019 zu. Der damals 22-jährige beschuldigte Aargauer lockte seinen Freund, einen 24-Jährigen aus dem Zürcher Unterland, unter dem Vorwand einer Mutprobe in eine Höhle. Oder besser gesagt ein Loch, es misst gerade mal 30 auf 50 Zentimeter.
Zehn Minuten soll das Opfer dort verharren, doch es werden qualvolle Stunden daraus. Denn der 22-Jährige löst einen schweren Stein aus der Wand oberhalb der Höhle, rollt ihn vor den Eingang, schüttet weitere Steine, Erde, Äste und Laub darüber. Der eingeschlossene junge Mann erfriert nach Stunden qualvoll. Erst ein Jahr später finden Wanderer die Leiche.
Besonders verstörend: Nur eine Woche vor dem Mord hat der Jüngere schon einmal versucht, den Älteren zu töten. Die beiden Freunde, die regelmässig zusammen wandern gehen, sind gerade an der Cimetta oberhalb von Locarno unterwegs, als der 24-Jährige sagt, er wolle künftig mehr mit anderen Freunden unternehmen. Das akzeptiert der 22-Jährige nicht. Er schubst den anderen einen steilen Abhang hinunter, die Rega muss ihn bergen.
Verteidiger wollte mildere Massnahme
Das Bezirksgericht Brugg verurteilte den geständigen Täter im Oktober 2022 wegen Mordes und Mordversuchs zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren und 2 Monaten und ging damit über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte 16 Jahre und 4 Monate verlangt.
Der Täter zeige «nicht mal eine Spur Reue», sagte der Gerichtspräsident damals. Er zeige nicht die geringste Empathie. Weil der junge Mann laut mehreren Gutachten psychisch schwer gestört ist, einen IQ von nur 71 hat und an ADHS leidet, entschied das Gericht, die Strafe zugunsten einer stationären Therapie aufzuschieben.
Der Verteidiger hatte eine Gefängnisstrafe von 12 Jahren gefordert. Das Begraben sei zweifellos als Mord zu qualifizieren; der Sturz an der Cimetta aber müsse ein Unfall gewesen sein, es gebe weder ein Geständnis noch einen Beweis dafür, dass das Opfer gestossen worden sei.
Unbestritten war für den Verteidiger auch, dass sein Mandant eine Behandlung braucht. Eine Massnahme für junge Erwachsene sei aber ausreichend. Diese ist deutlich milder, legt mehr Wert auf Erziehung und Ausbildung. Und vor allem endet sie mit dem 25. Geburtstag. Für das Bezirksgericht Brugg war dies freilich keine Option. Der Beschuldigte sei manipulativ und gefährlich, er gehöre nicht in eine Massnahme für junge Erwachsene.
«Ruck, zuck – und das Loch war zu»
Im Prozess war der Beschuldigte mit seltsamen Aussagen aufgefallen. So antwortete er auf die Frage des Gerichtspräsidenten, warum er seinem Freund nicht geholfen habe, als dieser schon halb eingegraben um Hilfe gerufen und gebettelt habe, der andere möge ihn freilassen: «Keine Ahnung. Ich war einfach am Zugraben. Es ging ruck, zuck – und das Loch war zu.» Danach habe er ein Feuer gemacht und eine Wurst gebraten. Warum, wollte der Gerichtspräsident wissen. Die Antwort: «Wahrscheinlich hatte ich einfach Hunger. Keine Ahnung.»
Offenbar war nicht nur der Täter ein Einzelgänger, der nirgends Anschluss fand, sondern auch sein Opfer. Der 24-Jährige litt an einer Entwicklungsverzögerung. Seine Eltern sagten später im Strafverfahren, sie seien damals froh gewesen, dass ihr Sohn endlich einen Freund gefunden habe.
Die beiden kannten sich erst ein paar Monate, gingen oft wandern. Dabei dachte sich der spätere Täter immer wieder Mutproben aus, die der 24-Jährige bestehen sollte. Ansonsten sei die Freundschaft beendet. Die Höhle am Bruggerberg war nicht zum ersten Mal Schauplatz einer Mutprobe, das Opfer war schon früher hineingekrochen.
Dass die Mutprobe im April seine letzte sein würde, ahnte er nicht.
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