Tiktok-Video geht viralTrans Frau Philippa Jarke macht die Ansagen im Berliner ÖV
«Möglichst genderneutral» sollte die U-Bahn-Stimme klingen. Die Synchronsprecherin setzte sich gegen über 1000 andere durch – und leiht auch Weltstars wie Ashton Kutcher ihr Stimmorgan. Und wer hat in Schweizer Trams und Bussen das Sagen?
Es gibt zwei Arten von Touristinnen und Touristen in Berlin – auseinanderzuhalten sind sie auf Social Media. Die einen posieren mit Currywurst vor dem Brandenburger Tor. Die anderen inszenieren sich lässig auf den wild gemusterten Sitzen der Berliner U-Bahn.
Denn der Berliner ÖV hat geschafft, was in der Schweiz bisher kein Verkehrsbetrieb erreicht hat – nicht einmal die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) mit ihrer Lifestyle-Linie: Der Berliner-ÖV ist Kult. Und das nicht erst seit 2018, als sich die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Adidas zusammentaten und dem Sitzpolster der U-Bahn einen Sneaker mit integriertem Fahrticket widmeten – für die Limited Edition standen Hunderte Leute tagelang Schlange.
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Einige Schlagzeilen später geht der Berliner ÖV nun im Internet viral – und diesmal hat das Sitzpolster nichts damit zu tun.
Video geht auf Tiktok viral
Diesmal steht die wohl bekannteste Stimme Berlins im Fokus. Die Stimme, die in Bus und U-Bahn die Haltestellen ansagt: «Nächster Halt Brandenburger Tor» (Touri-Typ eins jetzt bitte aussteigen).
Vor gut zwei Wochen hat das Newsportal Openly auf Tiktok ein Video veröffentlicht, das die Frau hinter der Stimme der BVG vorstellt: Philippa Jarke ist Synchronsprecherin, 48 Jahre alt und trans. Inzwischen wurde der Clip fast eine Million Mal angeschaut.
«Ich repräsentiere meine Stadt, sagt Jarke im Video, das mittlerweile fast eine Million Mal angeklickt wurde. Als Berlinerin sei es eine Ehre für sie, dem ÖV ihre Stimme zu leihen.
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Der Berliner ÖV wirbt oft mit Diversität und Offenheit. Das neue Sitzpolstermuster, das letzten Sommer lanciert wurde, heisst beispielsweise «Vielfalt». In knallig bunten Farben bildet es ein Gewimmel von Menschen ab – manche von ihnen sind zu Fuss unterwegs, andere sitzen im Rollstuhl.
Die Synchronsprecherin Philippa Jarke ist aber nicht etwa der neuste Clou in einer Marketingkampagne der BVG, sondern gehört schon seit fast drei Jahren fest zum Berliner ÖV.
Jarke sagt im Tiktok-Video, die BVG hätten zwar bewusst eine möglichst genderneutrale Stimme gesucht, die nicht beim ersten Hören als weiblich oder männlich identifizierbar sei, sie hätten beim Casting aber nicht gewusst, dass sie eine trans Frau sei, sondern nur ihre Stimme gehört. Die Berlinerin setzte sich gegen mehr als 1000 Bewerberinnen und Bewerber durch.
Auch Ashton Kutcher lieh sie ihre Stimme
Für die Ansagen in Berliner Bahnen, Bussen und U-Bahnen sass Jarke über 100 Stunden im Tonstudio, wie es in einem Beitrag von rbb24 heisst. Insgesamt vertonte sie über 4500 Stationen. Ihre Lieblingsstation: U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz.
Doch die Berlinerin spricht längst nicht nur ÖV-Stationen ein. Jarke hat schon Weltstars wie Ashton Kutcher, Ben Stiller und Channing Tatum ihre Stimme geliehen. Auch der Schauspielerin Rebecca Root gab sie in der US-Serie «Das Damengambit» («The Queen’s Gambit») als Miss Lonsdale ihre Stimme. In der Serie «Inventing Anna» auf Netflix ist sie die deutsche Stimme von Laverne Cox. Sie hat zudem in vielen weiteren Produktionen, in diversen Werbungen und in Dokus für N24 gesprochen.
Die Audiomappe von Philippa Jarke zeigt: Genderneutrale Stimmen für den ÖV oder Stimmen von trans Charakteren einzusprechen, ist längst nicht alles, was trans Synchronsprecherinnen können. In einem weiteren Video von Openly erzählt Jarke, wie es als trans Person in der Branche ist. Weil heute vieles authentisch sein solle, werde sie oft für trans Sprechrollen gebucht. Dabei habe sich ihre Stimme mit den Hormonen eigentlich nicht verändert. Und sie sagt: «Ich bin Schauspielerin, ich kann tausend verschiedene Rollen spielen.»
Wer spricht eigentlich im Schweizer ÖV?
Auch in den drei grössten deutschsprachigen Städten sagen in Bussen und Trams nicht etwa computergenerierte Stimmen, wo es langgeht, sondern ebenfalls echte Personen. Wie in Berlin gehören die ÖV-Stimmen in Zürich, Basel und Bern einer Frau.
Wie es auf Anfrage bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) heisst, macht im Basler ÖV die professionelle Sprecherin Prisca Hänggi die Ansagen. Etwa 250 Haltestellendurchsagen habe sie dafür aufgenommen – also nur ein Viertel der Haltestellenanzahl in Berlin. Mit dabei im Tonstudio seien Vertreter der BVB gewesen, um die Aufnahmen zu überprüfen.
Bei der Auswahl habe man auf «eine angenehme Stimmfarbe, einen homogenen Klang, eine natürliche Authentizität und eine freundliche Gesamterscheinung» geachtet, schreiben die BVB. Ausserdem habe die Stimme «höflich, korrekt und kompetent» klingen sollen. Und so sei die Wahl schliesslich auf eine Frau gefallen.
Man muss aber nicht im Basler ÖV fahren, um mit der Stimme von Hänggi vertraut zu sein. Denn Hänggi war schon in unzähligen Werbungen zu hören, unter anderem für Burger King, Malbuner, Media-Markt und Harley Davidson.
Moderatorin in Berner Trams zu hören
Die Stimme hinter den Ansagen im Berner ÖV gehöre einer Journalistin, Moderatorin und Autorin, schreibt Bernmobil auf Anfrage. Ihren Namen wolle man allerdings nicht verraten. Nur so viel: Schon seit rund 20 Jahren sei die Stimme in den Berner Bussen und Trams zu hören.
Über 900 unterschiedliche Ansagen würden in der Berner Datenbank lagern. Darunter seien allerdings auch Telefonbeantworteraufnahmen und allgemeine Informationen – auch Bern ist schliesslich nicht Berlin.
Bernmobil habe eine Stimme gesucht, die Mundart spreche – Berndeutsch oder einen verwandten Dialekt. Zudem hätten auch die Berner auf einen angenehmen Klang geachtet und darauf, dass die Person hinter der Stimme das Liniennetz kennt und die Haltestellen auf eine natürliche Weise aussprechen kann.
Auch die Verkehrsbetriebe Zürich halten den Namen hinter ihrer ÖV-Stimme geheim – auf Wunsch der Sprecherin. Für die VBZ habe die Stimme «sympathisch, professionell und angenehm» klingen müssen, heisst es auf Anfrage. Im Rahmen eines Castings hätten Fahrgäste damals fünf Stimmen bewerten können.
Seit 2006 werden die Haltestellen im ganzen Gebiet des Zürcher Verkehrsverbundes, also im ganzen Kanton, von der aktuellen Sprecherin angesagt. Fast 5000 Ansagen habe diese inzwischen eingesprochen, jährlich kämen 20 bis 30 hinzu. Und somit übertrumpft zumindest der Kanton Zürich die deutsche Hauptstadt.
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