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Eklat in der Champions League
Teams laufen wegen Rassismusvorfall vom Platz

Wie man diese Geschichte auch dreht, egal, wie man die Worte, die darin gefallen sind, auch übersetzt und seziert: Sie wird wohl nie mehr gut, allen Beteuerungen zum Trotz. Diese Geschichte kreist um ein rumänisches Wort und wie es gemeint war: negru, schwarz.

Dienstagabend, Pariser Prinzenpark. Im Spiel PSG gegen Basaksehir Istanbul, Gruppe H der Champions League, läuft gerade die 13. Minute. Für die Türken geht es um fast nichts mehr, aber um die Ehre, und die will man verteidigen. Für den französischen Meister in katarischem Besitz geht es wieder um alles, die Königsklasse ist das Non-plus-ultra-Ziel, die einzige Trophäe, die der Emir mit dem vielen Geld in neun Jahren noch nicht gewonnen hat und die er ganz unbedingt bald gewinnen will. Im August war er nahe dran: Final in Lissabon. Doch jetzt steht man schon in der Gruppenphase am Rand des Ausscheidens.

Die Begegnung beginnt gehässig. Istanbul hat sich schon früh eine gelbe Karte eingehandelt: Rafael, wegen eines Fouls. Dann foult der Pariser Innenverteidiger Presnel Kimpembe einen türkischen Spieler, eine ganz ähnliche Situation. Doch Kimpembe wird nicht verwarnt.

Und so passiert, was in solchen Fällen immer passiert: Die geprellten Herrschaften auf dem Feld sind hell empört, sie belagern den Schiedsrichter. Während draussen, am Spielfeldrand, die Herrschaften von der Bank, Spieler und Staffmitglieder von Basaksehir, ihr ganzes Enervement zwecks Erweiterung des Drucks zum «vierten Mann» tragen, der steht zur Unterstützung des Referees zwischen den Bänken, buchstäblich und sprichwörtlich. Die Unparteiischen an diesem Abend kommen aus Rumänien, der Schiedsrichter heisst Ovidiu Hategan, der Mann an der Linie Sebastian Coltescu, ihm fällt gleich die Hauptrolle zu. Ebenfalls eine Hauptrolle hat der Ton: Man hört alles im leeren Stadion.

Unschöne Szenen beim Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Basaksehir. Demba Ba (links) und andere Spieler diskutieren nach dem Vorfall intensiv mit dem Schiedsrichter.

Die Gäste sind dermassen aufgebracht über die ausgebliebene Sanktionierung Kimpembes, dass es den vierten Mann dünkt, es sei jetzt angebracht, den Ton zu setzen und einen besonders verärgerten Vertreter des Mitarbeiterstabs, nämlich den kamerunischen Vizetrainer Pierre Webo, auf die Tribüne zu schicken. Das liegt allerdings nicht in seiner Kompetenz. Coltescu ruft deshalb Hategan zu sich, den Mann mit den farbigen Karten, und als der wissen will, wen er denn rausschicken müsse, zeigt Coltescu in die Istanbuler Schar und sagt: «Negru.» Webo hört das Wort und sagt: «Why you said Negro?» Immer wieder. «Why you said Negro?» Der vierte Mann schaut gerade aus, bewegungslos wie eine Statue, als gehe ihn das alles nichts an.

Dann tritt Demba Ba auf, 35 Jahre, Stürmer und früherer Nationalspieler Senegals: In vierzehn Jahren als Profi wechselte er dreizehn Mal den Verein, am längsten hielt er es bei Hoffenheim aus, von 2007 bis 2011, 97 Spiele und 37 Tore. Ba steht jetzt also vor Coltescu, mit Handschuhen und Kappe, weil es so kalt ist in Paris, und gestikuliert wild.

Die Aufregung holt auch die Spieler auf dem Rasen ein. Es bildet sich eine grosse Menschenansammlung, wie man sie in Zeiten von Corona nur noch selten zu sehen bekommt. Coltescu und Hategan erklären, dass negru das rumänische Wort für schwarz sei. Doch das beruhigt die Gemüter nicht. Ba findet, Coltescu habe sich eine rassistische Entgleisung geleistet. «Einen Weissen», sagt der gebürtige Pariser, «hätten Sie nicht ,den Weissen’ gerufen.» Alle scheinen mit der Deutung Bas einverstanden zu sein, auch die Spieler von PSG, in seltener Harmonie über die Vereinsgrenzen hinaus. Kylian Mbappé, der Jungstar von PSG sagt: «Mit diesem Typen wollen wir nicht weiterspielen.» Gemeint ist Coltescu.

Basaksehir beschliesst, sich in die Kabine zurückzuziehen, aus Protest. Kurz darauf postet der Verein in den sozialen Medien den Slogan der Uefa in deren Farben: «No to Racism – Respect.» Dazu zwei Fäuste, eine weisse und eine schwarze. Auch die Pariser verlassen den Platz. Die beiden Teams sollen nicht wiederkehren.

Auch die PSG-Spieler begaben sich im Parc des Princes in die Katakomben. Ein einstündiger Unterbruch folgt.

Und so hat der grosse Fussball nun den ersten Fall, da zwei Mannschaften ein Spiel wegen eines angeblich rassistischen Vorfalls eines Unparteiischen zum Abbruch gebracht haben. Es hätte in der jüngeren und nicht so jungen Vergangenheit schon oft Gelegenheit für eine maximale Demonstration der Empörung gegeben - solche mit Fans, die Spieler mit Affenlauten beleidigten, mit unsäglichen Chören und Gesten, mit Transparenten. Vielleicht war es diesmal, im leeren Stadion, auch etwas einfacher, demonstrativ zu sein.

Die Uefa wird die Premiere im Prinzenpark untersuchen. Audiomaterial gibt es genug, alles ist übergut verständlich, Topqualität. Wahrscheinlich wird es bei der Untersuchung auch um rumänische Etymologie im Allgemeinen und um die Wortwahl des Offiziellen im Besonderen gehen.

Partie wird am Mittwoch nachgeholt

Um Mitternacht entschied die Uefa dann, dass die Begegnung am frühen Mittwochabend fortgesetzt würde. Ab Minute 13. Pfeifen soll der Holländer Danny Makkelie, sein Helfer an der Linie ist ein Pole, man wird sich wohl auf Englisch unterhalten. Sportlich geht es nicht mehr um viel: Paris ist nach dem 3:2-Sieg von Leipzig gegen Manchester United bereits qualifiziert, offen steht nur noch, ob als Gruppenerster oder als Gruppenzweiter.

In den Köpfen wird ohnehin die Geschichte in der Geschichte haften bleiben. «L’Équipe» schreibt von «surrealen Szenen». PSG sei ja erst 50 Jahre alt. «Doch der Club hat schon tausend Leben gelebt – in seinem Umfeld passieren immer beispiellose und undenkbare Dinge.» Auch mal völlig unverantwortet.

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