Erfolgreiche «Tatort»-Folge von 1977Sie war erst 15: Nastassja Kinski will «Reifezeugnis»-Nacktszenen untersagen
Die Schauspielerin war bei den Dreharbeiten noch minderjährig. Der verantwortliche Sender beschreibt die Nacktszenen bis heute als «sexuelle Initiation für männliche Jugendliche».

Schauspielerin Nastassja Kinski will die Nacktszenen von ihr in der legendären «Tatort»-Folge «Reifezeugnis» aus dem Jahr 1977 verbieten lassen. Die heute 63-Jährige beauftragte einen Rechtsanwalt damit, dies durchzusetzen, wie das Magazin «Der Spiegel» am Dienstag berichtete. Kinski spielte damals eine 17 Jahre alte Schülerin, die eine Affäre mit ihrem Lehrer hat – bei den Dreharbeiten war die in der Folge nackt zu sehende Kinski aber erst 15 Jahre alt.
Ihr Rechtsanwalt sagte dem «Spiegel»: «Nastassja Kinski war damals faktisch ohne Begleitung am Set, als die Szenen gedreht wurden – eine rechtswirksame Einwilligung als Minderjährige ist damit denklogisch ausgeschlossen gewesen.» Unabhängig davon habe er im Namen von Kinski für die Zukunft eine Einwilligung widerrufen.

Mit gut 25 Millionen Zuschauern und 67 Prozent Marktanteil bei der Erstausstrahlung 1977 zählt «Reifezeugnis» zu den erfolgreichsten Folgen der ARD-Krimireihe aller Zeiten. Die Episode wurde seitdem regelmässig wiederholt und auch als DVD veröffentlicht. Den Lehrer spielte der 2023 verstorbene »Landarzt«-Schauspieler Christian Quadflieg.
Die Folge lief erst vor kurzem wieder im Fernsehen. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg zeigte den «Reifezeugnis»-Tatort an Neujahr. Und der für die Folge verantwortliche Norddeutsche Rundfunk zeigte ihn letzten Sommer. In der Beschreibung dazu zeigt sich der Sender regelrecht begeistert von «Reifezeugnis». Die Darstellung der sexuellen Beziehung zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin sowie die Nacktszenen der damals erst 16-jährigen Nastassja Kinski hätten den Fall zum allgemeinen Tagesgespräch gemacht, heisst es bei NDR. Die junge Schauspielerin und Regisseur Wolgang Petersen hätten damit den internationalen Durchbruch geschafft.
Und der NDR Fernsehfilm-Chef sagt, dass die Folge für viele männliche Jugendliche eine «sexuelle Initation» gewesen sei und «Reifezeugnis» damit zur Legende gemacht habe.

Kinskis Rechtsanwalt äussert sich im «Spiegel» schockiert über diese Beschreibung. Es sei eine Sache, wie man diese Szenen und die Dreharbeiten mit einer nackten Minderjährigen in den Siebzigerjahren gesehen habe. «Offensichtlich anders als heute», sagt er, heute wäre ein solcher Dreh mit Sicherheit unzulässig.
Dass der NDR die Folge und die Nacktszenen mit einer Minderjährigen aber auch nach allen #MeToo-Skandalen noch wörtlich als sexuellen Erweckungsmoment von jungen Männern beschreibe, sei etwas anderes. «Ich weiss wirklich nicht, was da in die Köpfe der Verantwortlichen gefahren ist», sagt der Rechtsanwalt. Der Sender antwortete nicht auf Anfragen des «Spiegels», der Film sei derzeit aber nicht zur weiteren Ausstrahlung geplant.

«Tatort»-Regisseurin Julia von Heinz drehte 2019 eine Folge, die für eine Kontroverse sorgte, weil darin ein nacktes 15-jähriges Mädchen vorkommt. Dieses wurde allerdings von einer 18-Jährigen gespielt und man habe sie durch bewusst gewählte Kameraeinstellungen nie wirklich nackt gesehen.
Die «Reifezeugnis»-Szenen sieht die Regisseurin hingegen sehr kritisch. «Der Blick auf Nastassja Kinski ist männlich», sagt sie in einem Artikel der «Zeit». Sie werde mit nacktem Oberkörper im Wohnzimmer telefonierend gezeigt, ohne dass dies eine inhaltliche Notwendigkeit habe. «Das waren die Siebzigerjahre, die Zeit des ‹Schulmädchen-Reports›», sagt von Heinz.
AFP/anf
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