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Mauch (SP) vs Fehr (SP)
Streit um Corona-Massnahmen erreicht Zürichs höchste Ämter

«Gesundsheitsrisiko sehr tief»: Jacqueline Fehr, Justizdirektorin des Kantons Zürich, hinterfragt weitere Grundrechtseingriffe zum jetzigen Zeitpunkt.  «Im Winter sieht es vielleicht anders aus.» 
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Spätestens seit diesem Wochenende ist es offensichtlich: Nicht einmal in den höchsten Ämtern sind sich die Verantwortungsträgerinnen einig, wie man auf die steigenden Corona-Fallzahlen im Kanton Zürich reagieren sollte. Die Frage entzweit sogar Parteikolleginnen wie Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch und die kantonale Justizdirektorin Jacqueline Fehr, beide SP.

Mauch hat sich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» für eine Ausweitung der Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden oder Läden ausgesprochen. Die Stadt Zürich befinde sich angesichts der hohen Fallzahlen in einer besorgniserregenden Lage.

Fast gleichzeitig hat Fehr auf Twitter eine ganz andere Position vertreten – und damit eine Debatte losgetreten, in deren Zug ihr unter anderem zwei prominente Wissenschaftler vorwarfen, die Lage falsch einzuschätzen.

Fehrs einseitiger Blick auf die Spitäler

Es begann damit, dass Fehr bekräftigte, was die gesamte Kantonsregierung schon wiederholt betont hatte: Sie orientiert sich vor allem am Geschehen in den Spitälern. Und dort liegt die Zahl der Patienten mit Covid-Erkrankung weit unter dem Niveau von März und April. Die entsprechende Grafik der Gesundheitsdirektion sei für die Risikoeinschätzung am wichtigsten, schrieb Fehr.

Corine Mauch spricht sich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» für eine Ausweitung der Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden oder Läden aus.

Darauf folgten zum Teil irritierte Kommentare, die Fehr vorhielten, sie verwechsle die aktuelle Lage mit der Riskobeurteilung für die kommenden Tage und Wochen. Ihr fehle der vorausschauende Blick. Worauf Fehr präzisierte, sie spreche nur vom aktuellen Gesundheitsrisiko. Dieses sei «sehr tief». Deshalb hinterfrage sie zum aktuellen Zeitpunkt auch weitere Eingriffe in die Grundrechte. «Im Winter sieht es vielleicht anders aus.»

«Hören Sie auf die Experten; seien Sie nicht Trump!»

Allerdings machte Fehr auch eine Aussage, die über die aktuelle Lage hinausweist: Sie schrieb, dass der Reproduktionsfaktor zurzeit tiefer sei als 1. Dies würde bedeuten, dass jeder Infizierte im Schnitt weniger als eine Person ansteckt – die neuen Fallzahlen müssten also künftig wieder sinken.

Tatsächlich stimmt diese Einschätzung allenfalls für den landesweiten Durchschnitt. Im Kanton Zürich hingegen lag der Reproduktionsfaktor laut Berechnungen der ETH im August immer über 1, zum Teil deutlich – was eine exponentielle Zunahme der Fälle erwarten lässt. Überdies hinkt diese Berechnung dem aktuellen Geschehen zehn Tage hinterher.

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Fehrs Aussage provozierte den Widerspruch von Adriano Aguzzi, Direktor des Instituts für Neuropathologie an der Uni Zürich. Im März hatte Aguzzi als einer der ersten Experten den Bundesrat kritisiert. «Frau Fehr, Sie liegen wirklich falsch», schrieb er auf Twitter. Alle Mitglieder der Taskforce des Bundes und die meisten Wissenschaftler könnten über ihre Aussagen nur den Kopf schütteln. «Hören Sie doch auf die Experten; seien Sie nicht wie Trump!»

Den gleichen Vorwurf erhob der Berner Epidemiologe Christian Althaus: Jacqueline Fehr glaube offenbar, dass sie mehr wisse als die über 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Task Force. Dabei erkläre diese in ihren Lagebeurteilungen deutlich, warum es einfacher sei, die Epidemie bei tiefen statt bei hohen Fallzahlen zu kontrollieren. Anders gesagt: Man müsse jetzt handeln.

«Zahlen in Deutschland steigen trotz Masken»

Fehr zweifelt auch daran, ob der Einsatz von Masken überhaupt etwas bringt. Sie verweist auf Deutschland, wo Masken in öffentlichen Räumen Pflicht sind. «Die Zahlen steigen trotzdem», schreibt sie.

Anders sieht dies Zürichs Stadtpräsidentin Mauch: «Wir würden gerne weitergehende Massnahmen ergreifen.» Darüber entscheiden müsse aber die Kantonsregierung. Es könne nicht das Ziel sein, dass jeder Ort eine andere Regelung habe. Je einfacher und einheitlicher die Regeln, desto eher würden sie verstanden und befolgt. «Deshalb wünscht sich der Stadtrat, dass der Kanton jetzt präventiv handelt.»

Der Regierungsrat habe ihren Appell zur Kenntnis genommen, sagte Mauch zur «NZZ am Sonntag». Niemand habe ein Interesse daran, dass Zürich zum Risikogebiet erklärt werde. Und niemand wolle, dass immer mehr Menschen in die Quarantäne müssten. Die Maske schütze nicht total. Aber sie schütze überall. Andere Kantone wie Genf oder Basel setzten bereits darauf. Die Pandemie sei nicht vorbei, sagte Mauch. «Wir müssen wachsam und vorsichtig bleiben. Insofern hat die Maske auch eine symbolische Bedeutung. Sie macht die Präsenz des Virus sichtbar.»

Eine Verschärfung der Massnahmen verlangt auch der Zürcher Epidemiologe Milo Puhan vom Regierungsrat. Er warnt insbesondere vor dem Herbst und sagt: «Wahrscheinlich wird eine Maskenpflicht in allen Innenräumen nötig.» (Lesen Sie hier das Interview mit Milo Puhan)

/hub