Geldberater: Der Marktschrei(b)erStadler Rail rollt auf sicheren Schienen
Wachstumsgeschichte Medartis ist intakt +++ Rieter stärkt seine Marktposition +++ Zu viel Fantasie bei Ascom +++ Vifor ist bereit für Überraschungen.
Stadler Rail: Halten
Stadler Rail hat zwei schwierige Jahre hinter sich. Seit dem Börsengang im April 2019 lief kaum etwas wie gewünscht. Prognosen mussten angepasst werden und wurden dann doch verfehlt. Es gab grössere Probleme beim Auftrag eines britischen Bahnbetreibers; Stadler wurde Opfer eines Hackerangriffs, und der Chef nahm überraschend den Hut. Es war daher eine Erlösung, als Stadler am Donnerstag endlich einmal positiv überraschen konnte – mit Zahlen für 2020 leicht über den Erwartungen am Markt. Dennoch gab der Kurs leicht nach. Die Aktien sind nicht länger günstig, zumindest wenn man die Kurse mit den Gewinnschätzungen für dieses Jahr vergleicht. Anders sieht es aus, wenn man längerfristig investiert. Stadler wird nämlich weiter wachsen, dafür sorgen der rekordhohe Auftragsbestand und strukturelle Treiber wie die Urbanisierung oder der Trend zu nachhaltiger Mobilität. Zudem peilt Stadler bis in zwei Jahren eine klar höhere Marge an. Die Gewinne dürften also weiter steigen. Wer zu heutigen Preisen einsteigt, muss aber so lange warten können. Halten
Medartis: Kaufen
Medartis zählte bislang nicht gerade zu meinen Favoriten. Das von Thomas Straumann gegründete Orthopädieunternehmen weckte beim Börsengang 2018 zu hohe Erwartungen. Entsprechend kam der Aktienkurs nicht vom Fleck, vielmehr notierte er meistens deutlich unter dem Ausgabepreis. In den vergangenen Wochen kam nun Leben in die Titel. Zu Recht, wie die jüngsten Resultate zeigen. Im zweiten Halbjahr ist Medartis aus eigener Kraft 9 Prozent gewachsen, obschon das Geschäft in Lateinamerika immer noch harzt. Das Management scheut sich nicht, eine Prognose für 2021 abzugeben, was derzeit eher Seltenheitscharakter hat. Eine Umsatzzunahme in Lokalwährung von mindestens 15 Prozent mit gehaltener Betriebsgewinnmarge: Der neue Chef, Christoph Brönnimann, hat die Erwartungen justiert, und er wird sie erfüllen. Für einige Jahre ist ihm Wachstum wichtiger als Gewinnmarge. Besonders der Aufbau des Geschäfts in den USA braucht viel Geld. Deswegen gibt es vorderhand auch keine Dividende. Für Aktionäre bedeutet das: Die Wachstumsgeschichte Medartis ist intakt, aber sie verlangt Geduld. Kaufen
Rieter: Kaufen
Der Spinnmaschinenhersteller Rieter hat mit einem hohen Verlust von über 80 Millionen Franken ein schwieriges Jahr hinter sich. Doch jetzt gehts aufwärts. Der Bestellungseingang lag zuletzt wieder über der Gewinnschwelle, und der Erholungstrend sollte sich fortsetzen, denn die Rieter-Kunden, also die Spinnereien, haben sich schnell von der Corona-Krise erholt. Die Kapazitätsauslastung beträgt 83 Prozent – mehr als vor der Pandemie. Zudem steigen auch die Baumwollpreise, was den Spinnereien hilft. Bis das auf die Erfolgsrechnung von Rieter durchschlägt, dauert es aber. Das erste Semester wird noch rot sein, denn der positive Bestelltrend ist mit Verzögerung im Umsatz sichtbar. Für das gesamte Jahr erwarten die Winterthurer aber einen Gewinn. Was mir an Rieter zusätzlich gefällt, ist die in den letzten Jahren erneuerte Maschinenpalette. Damit sollte es gelingen, die Marktposition auszubauen. Die Rieter-Aktien haben sich schon etwas erholt, doch das Hoch von 2018 ist noch weit entfernt. Die Aktien können weiter erworben werden. Kaufen
Ascom: Halten
Was hat Ascom schon für Tiefen erlebt. Der ehemalige Milliardenkonzern ist auf KMU-Grösse geschrumpft, doch unter der Chefin Jeannine Pilloud scheint es langsam zu klappen mit der Neuerfindung in Richtung eines fokussierten Kommunikationsspezialisten für das Gesundheitswesen. Nach Jahren der Stagnation hat sich ausgerechnet im Corona-Jahr der Umsatz stabilisiert. Unter dem Strich schreibt Ascom wieder einen kleinen Gewinn. Pilloud hat den Konzern entschlackt und das Verkaufsteam fitter gemacht. Mit Erfolg, wie es aussieht: Das Auftragsbuch ist ein Viertel dicker als im Vorjahr, kürzlich konnte das grösste Projekt der Firmengeschichte von einem Spital in Wales an Land gezogen werden. Operativ läuft es also wieder rund. Dennoch bleibt Pilloud vorsichtig. Eine Wachstumskanone wird Ascom dieses Jahr nicht sein, zu beschäftigt sind die Spitäler noch mit Covid-19. IT-Projekte werden noch auf die lange Bank geschoben, auch wenn die Regierungen in den kommenden Jahren Milliarden in die Spitalinfrastrukturen stecken wollen. Zudem haben die Aktien mit einem Plus von 135 Prozent in den letzten zwölf Monaten einen eindrücklichen Lauf hinter sich und sind hoch bewertet. Auch wenn sich Ascom in einem attraktiven Umfeld bewegt, nehmen die Aktien schon viel Positives vorweg. Halten
Vifor: Kaufen
Vifor hat zu kämpfen. Die Pandemie hat das jahrelang mindestens zweistellige Umsatzwachstum praktisch zum Stillstand gebracht. Auch wenn der operative Gewinn nach wie vor um fast 20 Prozent zugelegt hat und der Gewinn dank eines Verkaufs mehr als doppelt so hoch ist wie im Vorjahr, sind die Aktien seit einem Jahr nicht in der Gunst der Anleger. Ich glaube nicht, dass das ewig so bleiben wird. Etwas frischen Wind hat die Nachricht gebracht, ein Mittel gegen starken Juckreiz bei Nierenpatienten habe in den USA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren erhalten. Schon Ende August soll der Entscheid fallen. Erste Umsätze sollten sich noch dieses Jahr bemerkbar machen. Weitere Nachrichten könnten den Aktien Schub geben. Ascom strebt mindestens zwei Deals an. Dank einer Nettoliquidität gibt es Spielraum. Auch die zurückhaltende Jahresvorgabe bietet Raum für positive Überraschungen. Kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung.
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