Spotify lanciert VideosRest in Peace, Musikvideo. Oder?
Die führende Musikplattform führt jetzt auch in der Schweiz einen Videomodus ein. Ob das schlau ist, zeigt ein Blick zurück in die Popgeschichte.
- Spotify lanciert Musikvideos in 97 Ländern.
- Nur zahlende Abonnenten können die Videos in der App nutzen.
- Musikvideos haben auf Streamingplattformen an Bedeutung verloren.
- Die teuersten Clips wurden in den 1990er-Jahren produziert.
Musikvideos erhalten eine neue Plattform, eine sehr prominente. Spotify schaltet – nach offenbar erfolgreichen Tests – in fast 100 Ländern einen Videomodus frei.
Zu sehen kriegt die Clips aber nur, wer sich ein Bezahlabo gönnt. 246 Millionen Menschen sind das weltweit. Auch in der Schweiz wird das Feature mit dem nächsten Update der Spotify-App ausgeliefert.
Es überrascht, dass Musikvideos überhaupt ein neues, derart grosses Schaufenster bekommen. Denn die Zeit liebevoll gemachter oder wahnsinnig teurer Videos ist vorbei. Bewegtbild ist auf den Smartphones gefragt, natürlich, die beliebtesten Formate bedienen aber Aufmerksamkeitsspannen von maximal einer Minute. Tiktok, Youtube Shorts und Instagram Reels haben der Welt das Kurzfutter antrainiert.
Das teuerste Musikvideo ist von Michael und Janet Jackson
Tausende oder gar Millionen Franken in ein Musikvideo zu investieren? Lohnt sich heute nicht mehr, ausser man ist vielleicht Coldplay und hat ohnehin unbeschränkte Mittel.
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Ihre erste Hochphase erlebten die verfilmten Lieder mit dem Aufstieg des Musikfernsehens in den 1980ern. MTV und später auch Viva fesselten eine ganze Jugendgeneration vor die Fernsehgeräte, auf denen es die Stars plötzlich ganz nah im Wohnzimmer zu sehen gab. Gleichzeitig entrückten Videos ihre Hauptfiguren noch ein bisschen mehr, weil sie in Welten gezeigt wurden, die Normalsterbliche nie betreten.
Das Musikvideo machte die Stars noch grösser.
In die MTV-Ära fallen einige der teuersten Videoproduktionen. In den 1990ern und frühen 2000ern wurden für die Topstars Millionenbudgets für einen Dreh gesprochen. Michael Jackson, Madonna, Britney Spears oder die Guns N’ Roses gehören zu den Acts, die besonders oft viel Geld verbraucht haben. Das teuerste Musikvideo ist von Michael und Janet Jackson: «Scream» von 1995 soll 7 Millionen Dollar gekostet haben.
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Mit dem Erfolg von Youtube gab es in den 2010ern noch einen Schub für die Disziplin, während die Digitalisierung gleichzeitig die Kosten für die Produktion senken konnte. Das bot neue Möglichkeiten, um von sich reden zu machen: Die US-Band Ok Go schaffte es um 2010 herum, eine Karriere auf ihren Musikvideos aufzubauen, die jeweils in einem Take gedreht wurden. Die Clips gingen viral, was in der Folge zum höchsten Anspruch wurde und heute mit deutlich weniger Aufwand gelingen kann.
Kanye West zeigte seinen künstlerischen Grössenwahn 2010 mit einer 34-minütigen «Filmversion» des Songs «Runaway», Pharrell setzte 2013 zu «Happy» ein 24-Stunden-Video um.
Auf Youtube reicht das Standbild
Youtube hat das Musikfernsehen obsolet gemacht. Worauf wiederum Social Media das Musikvideo obsolet gemacht haben.
Youtube hält sich zwar als wichtige Quelle für Musikfans, ist aber mehr und mehr zu einer Audioplattform geworden, mit eigenem Musikdienst. Fast alle Lieder der Welt sind dort zugänglich, meist mit einem Standbild. Das liegt daran, dass Künstlerinnen und Künstler nicht auf diese riesige Bühne verzichten wollen und ihre Lieder bei Veröffentlichung auch für Youtube Music freischalten.
Sogar Taylor Swift oder Beyoncé lassen auf Youtube primär Lyric Videos hochladen, auf denen über einem höchstens minimal animierten Bild die Songtexte zu lesen sind. Denn die brauchts zum Mitsingen auf Social Media. Die Stars selbst sind derweil auf Instagram und Tiktok für ihre Fans sowieso noch näher gerückt. Sie am Bildschirm zu sehen, ist heute der Normalzustand.
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Das Musikvideo als Promotionswerkzeug – denn darum geht es ja: Aufmerksamkeit – hat wohl irgendwo zwischen 2013 und 2019 seine Anziehungskraft verloren. Die Musik ist auf Tiktok zum Tanzhintergrund geworden, die Nutzerinnen und Nutzer führen Regie. Spotify hat 2019 mit Canvas eine eigene Kurzvideo-Variante eingeführt, dort wiederholen sich 8-Sekunden-Happen in Dauerschleife.
Rest in peace, Musikvideo. Oder?
Lieder mit Video werden häufiger gehört und gespeichert
Trotzdem setzt Spotify jetzt auf das gute alte Format. Das Timing scheint etwas beliebig. Bei Apple Music und Tidal sind Clips längst Teil des Angebotes.
Welche Lieder im Videomodus zu sehen sind, entscheidet Spotify vorerst selbst, in Absprache mit Künstlerinnen und Künstlern. Im Hintergrund läuft keine Verlinkung zu Youtube, die Clips werden in der Plattform selbst angelegt. Bisher gibt es Videos von Charli XCX, der Pop-Erscheinung des Jahres, den Neo-Punkern Fontaines D.C. oder K-Popperin Lisa. Mit einer neuen Schaltfläche kann man zwischen Audio- und Videomodus wechseln.
Das schwedische Unternehmen wertet damit seine Premium-Abos auf, was in Anbetracht der steigenden Preise nur fair erscheint. In der Pressemitteilung heisst es, man wolle den Musikschaffenden neue Möglichkeiten bieten, Fans zu beeindrucken und an sich zu binden. Gemäss Spotify werden Lieder, die ein Video aufweisen, häufiger wieder angehört und gespeichert. Das bringt letztlich die Nutzerinnen und Nutzer öfter auf die Plattform zurück.
Damit macht Spotify Youtube direkt Konkurrenz. Geht es darum?
Vielleicht passen die Musikvideos ja ins Revival der 1990er. Ob Künstlerinnen und Künstler sowie deren Labels noch einmal im grossen Stil mitziehen werden? Die haben Zeit und Geld längst auf Social Media verschoben. Was es wiederum ziemlich cool macht, Zeit und Geld in ein Musikvideo zu investieren.
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