Kommentar zu Solothurner LiteraturtagenLeitung weg – jetzt brauchen die Literaturtage eine Pause
Wenn das Festival sein Renommee nicht ganz verlieren will, muss es seine Strukturen erneuern, um für die Schweizer Literatur attraktiv zu bleiben.
Das verflixte zweite Jahr! Die Solothurner Literaturtage stehen ohne Leitung da – schon wieder. Mitte Mai wurde noch die 46. Ausgabe gefeiert, nun gibt das Leitungsduo Nathalie Widmer und Rico Engesser seinen Rücktritt bekannt.
«Wir konnten uns zwar in zahlreichen Bereichen gut ergänzen, aber für eine längerfristige Co-Leitung sind wir zu verschieden», lässt es sich zitieren. Auch die Kommunikationsfrau Philine Erni verliess die Literaturtage Ende Mai. Nach zwei Jahren. 2022 folgten Widmer und Engesser auf Dani Landolf, der ebenfalls nach nur zwei Ausgaben das Handtuch geworfen hatte.
Vielleicht ist es für das Festival Zeit, aufzuhören, wenn es derart rumpelt. Aber es gibt bislang keinen anderen Ort, der sich die Schweizer Literatur zum Schwerpunkt gemacht hat und sich stolz «Schweizer Werkschau» nennt.
Sind die Probleme ganz oben anzusiedeln?
Für die Autorinnen und Autoren bedeuten das drei Tage Klassentreffen und für die Leserschaft die Möglichkeit, Lesungen ohne Schnickschnack zu erleben. Nur ist das vermutlich auch ein Problem: Wenn man sich das Line-up der Buch Basel oder des Leukerbad-Literaturfestivals anschaut, die mit weniger Menschen vielfältiger kuratieren können, weil sie keinen solchen Auftrag haben.
Dani Landolf sagte bei seinem Abgang, für seine Ideen, das Festival weiterzuentwickeln und zu öffnen, habe er im Vorstand keine Unterstützung erhalten. Der Vorstand quittierte das damals mit der Bemerkung, Landolf habe sich vielleicht nicht ganz auf die Reglemente und Strukturen einlassen wollen.
Auch unter dem aktuellen Leitungsduo scheint keine Ruhe eingekehrt zu sein. Sind die Probleme also ganz oben anzusiedeln? Vorstand, Geschäftsleitung, Programmkommission – schwerfällige Kommunikation, starke Konkurrenz?
Die Solothurner Literaturtage sind vermutlich das am besten subventionierte Literaturfestival der Schweiz. Der Kanton Solothurn, grösster Geldgeber, beteiligt sich gemäss Vorstand pro Ausgabe mit 180’000 Franken, und die Stadt unterstützt das Festival mit 80’000 Franken. Zur finanziellen Unterstützung durch die Pro Helvetia macht das Literaturfestival keine Angaben.
Die Kultur kämpft in allen Sparten um ihr Publikum, und die Buchszene verliert mit solchen Instabilitäten an Attraktivität. Jetzt braucht es für das Literaturfestival eine Pause von mindestens einem Jahr. Und ehrliche Gespräche im Vorstand darüber, wie die Strukturen verändert werden müssen. Denn man wünscht der Schweizer Literatur ihre Goldene Hochzeit mit den Solothurner Literaturtagen, die sie in vier Jahren zur 50. Ausgabe feiern könnten.
Transparenzhinweis: Die Autorin war von 2019 bis 2021 Mitglied der Programmkommission.
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