Pro und KontraSollen Schüler bei der Wahl von Lehrpersonen mitbestimmen?
An der Oberstufenschule Wädenswil müssen sich bewerbende Lehrpersonen den Fragen einer Schülerdelegation stellen. Ist das sinnvoll?
Ja
Schüler wählen Lehrer aus. Das klingt erst einmal verkehrt. Denn seit wir unsere erste Prüfung geschrieben oder das erste Zeugnis abgeholt und den Eltern zur Unterschrift vorgelegt haben, wissen wir: Lehrpersonen beurteilen die Schüler und nicht umgekehrt. Selbstverständlich bleibt das so, auch wenn Schülerinnen und Schüler bei der Wahl von Lehrpersonen ein Wörtchen mitzureden haben wie an der Sek Wädenswil.
«Lehrpersonen müssen sich frühestmöglich in ihrem Kerngeschäft beweisen.»
Es geht dabei nämlich nicht darum, dass 15-Jährige an ihren Schulen plötzlich das Ruder übernehmen. Auch will die Schulleitung mit diesem Bewerbungsverfahren keine Entscheidungen abwälzen. Letztlich ist es immer noch an ihr, eine definitive Wahl zu treffen. Die Eindrücke der Schülerinnen und Schüler hat sie dabei im Hinterkopf.
Beim Wädenswiler Modell geht es in erster Linie darum, dass sich bewerbende Lehrpersonen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich bereits beim Bewerbungsgespräch und nicht erst während der Probezeit, zum ersten Mal in ihrem Kerngeschäft beweisen müssen: dem Umgang mit Kindern und Jugendlichen auf zwischenmenschlicher Ebene.
Das ist eine grosse Chance für Lehrpersonen: Statt in einem trockenen Dialog mit der Schulleitung von den eigenen Kompetenzen zu schwärmen, können sie diese aktiv zur Schau stellen. Ob die Fragen aus der Schülerschaft nun besonders raffiniert sind oder nicht, spielt keine entscheidende Rolle.
Eine Auswahl freiwilliger Schülerinnen und Schüler an Bewerbungsgesprächen mitwirken zu lassen, hat neben dem genannten Haupteffekt einen angenehmen Nebeneffekt: Es schenkt den beteiligten Jugendlichen eine potenziell wertvolle Erfahrung und zeigt auf, dass ihre Stimme zählt. Bei diesem Bewerbungsmodell gibt es nur Gewinner.
Nein
Jugendliche, die beim Bewerbungsgespräch Lehrkräfte befragen? Überflüssig.
Eigentlich scheint es wie eine tolle Sache: Die Jugendlichen werden in der Schule so ernst genommen, dass sie sogar am Bewerbungsgespräch für die neuen Lehrerinnen und Lehrer dabei sein und mitentscheiden können. Schliesslich stehen in der Schule die Jugendlichen im Zentrum.
Doch die Heranwachsenden dienen vor allem als überraschende Komponente im Gespräch. Denn so zeigt sich vielleicht, wie der Bewerber oder die Bewerberin unter Druck mit einer neuen Situation umgeht. Die Jugendlichen sind ausserdem Mittel zum Zweck: Die Schulleitung will sehen, wie die Lehrkräfte auf die Jugendlichen eingehen. Und daraus ihre Schlüsse ziehen.
«Die Jugendlichen werden in die falsche Rolle gedrängt.»
Ausserdem ist es mit den Schülerfragen so eine Sache. Erinnern Sie sich an Ihre Schulzeit? Wie war das damals mit Fragen an den Museumsführer auf der Schulreise oder an die Person, die vor der Klasse ihren Beruf vorgestellt hat?
In solchen Situationen stellen Jugendliche keine Fragen – ausser sie bereiten sie vor. Für das Jobinterview offenbar: «Wie würden Sie sich selber beschreiben? Wie reagieren Sie, wenn jemand gemobbt wird?» – Fragen und Antworten, die man sich schenken kann. Die Jugendlichen sind überfordert von der Aufgabe und reproduzieren Fragen, die sie von der Bewerbung für ihre Lehrstelle kennen oder von denen sie erwarten, dass es die gewünschten Fragen sind.
Die Jugendlichen können nichts dafür, sie werden in die falsche Rolle gedrängt. Es ist nicht an ihnen, bei Anstellungsentscheiden mitzureden. Dafür gibt es die Schulleitung und ein bewährtes Verfahren im Kanton Zürich: Die ersten fünf Monate einer Lehrperson an einer neuen Schule gelten als Probezeit. Das ist lang genug für alle, um eine Lehrperson kennen zu lernen.
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