Erwerb des BürgerrechtsSollen Enkel von Saisonniers leichter den Schweizer Pass erhalten?
Nur wenige Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation machen von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch. Nun plant eine politische Allianz, die Hürden zu senken.
Tizianas Grossväter kamen aus Italien und aus Portugal in die Schweiz, um zu arbeiten. Die 24-jährige Primarlehrerin ist in der Schweiz geboren worden und lebt seither in Goldau im Kanton Schwyz. Um Personen wie Tiziana ging es, als sich das Stimmvolk 2017 mit über 60 Prozent Ja-Stimmen für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aussprach.
Doch Tiziana steht dieser Weg nicht offen: Weil ihre Grossväter Saisonniers waren und die Familie zunächst nicht nachziehen konnten, kamen ihre Eltern erst als Jugendliche in die Schweiz. Damit ist ein Kriterium für eine erleichterte Einbürgerung nicht erfüllt: Ein Elternteil müsste mindestens fünf Jahre in der Schweiz die Schule besucht haben.
Ob wegen dieser Bedingungen oder mangels Interesse: Nur wenige machen von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch. Als das Gesetz 2018 in Kraft trat, rechnete das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit vielen Gesuchen. Untersuchungen zeigten, dass die meisten Jugendlichen den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts in Erwägung zögen, schrieb es in einem Bericht. Die SVP warnte im Abstimmungskampf vor «Masseneinbürgerungen».
Damals kamen rund 25’000 bis 25-jährige Personen für eine erleichterte Einbürgerung der dritten Generation infrage. Bis Ende 2021 wurden aber – in vier Jahren – lediglich rund 2700 Personen auf diesem Weg eingebürgert, wie das SEM auf Anfrage schreibt.
Kommission will nachbessern
SP-Nationalrätin Ada Marra, welche die Gesetzesänderung angestossen hatte, sagt: «Der Volkswille wird nicht erfüllt.» Auch andere Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind unzufrieden mit dem Resultat. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat deshalb vor kurzem eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Für eine wirklich erleichterte Einbürgerung der 3. Generation» beschlossen.
Um die Einbürgerung der dritten Generation effektiv zu erleichtern, soll das Bürgerrechtsgesetz erneut geändert werden. Insbesondere sollen die Bedingungen überarbeitet werden. Stimmt die Kommission des Ständerates zu, können die Details ausgearbeitet werden. Im Minimum müssten sich auch jene Personen erleichtert einbürgern lassen können, deren Grosseltern Saisonniers gewesen seien und deren Eltern in der Schweiz eine Berufsausbildung statt der Schule absolviert hätten, sagt Ada Marra.
Manche Kantone sehen im ordentlichen Verfahren Erleichterungen vor. Wäre Tiziana statt im Kanton Schwyz zum Beispiel im Kanton Zürich geboren worden und zur Schule gegangen, könnte sie von einem vereinfachten ordentlichen Verfahren profitieren, das weniger Hürden beinhaltet als die erleichterte Einbürgerung für die dritte Generation auf Bundesebene. Sie müsste weder Nachweise zu ihren Eltern oder Grosseltern erbringen – wie bei der erleichterten Einbürgerung – noch einen Staatsbürgertest absolvieren wie im Kanton Schwyz beim normalen Verfahren.
«Wenn die erleichterte Einbürgerung schwieriger ist als die normale, dann ist das Ziel nicht erreicht.»
Deshalb empfiehlt die Stadt Zürich interessierten Personen der dritten Generation, statt der erleichterten Einbürgerung das ordentliche Verfahren zu wählen. Bei der erleichterten Einbürgerung seien die Hürden hoch, schrieb der Stadtrat in seiner Antwort auf eine Interpellation. «Die erforderlichen Unterlagen müssen zum Teil in verschiedenen Gemeinden, bei verschiedenen Behörden und aus Archiven eingefordert werden.»
FDP-Nationalrat Matthias Jauslin sagt dazu: «Wenn die erleichterte Einbürgerung schwieriger ist als die normale, dann ist das Ziel nicht erreicht.» Die Nationalratskommission will nicht nur die Bedingungen anpassen. Sie fordert auch, dass das SEM administrative Hürden beseitigt.
Fehlendes Interesse oder administrative Hürden?
GLP-Nationalrätin Corina Gredig hat einen Selbstversuch unternommen – und festgestellt, dass es kompliziert ist. Das Gesuchsformular mit allen Informationen zum Prozess muss per E-Mail beim SEM angefordert werden und wird nur per Post zugestellt. «Warum nicht Onlineformulare?», fragt Gredig.
Das SEM schreibt, es evaluiere, ob Vereinfachungen im administrativen Bereich möglich seien. Bei der Einreichung eines Gesuchs gehe es aber nicht nur um das Ausfüllen eines Formulars, sondern auch um die nötigen Unterlagen.
«Dass die Einbürgerung so kompliziert ist, obwohl ich hier geboren worden bin, finde ich unfair.»
Neben Verbesserungen für die dritte Generation stehen im Parlament auch Erleichterungen für die zweite Generation zur Diskussion. Die SVP stellt sich gegen beides. Vielleicht seien die Gesuchszahlen auch deshalb niedrig, weil das Interesse gering sei, sagt SVP-Nationalrätin Martina Bircher. Auf jeden Fall komme es nicht in Frage, die Bedingungen für die Einbürgerung der dritten Generation noch stärker aufzuweichen. Enkel von Saisonniers hätten schliesslich die Möglichkeit, ein normales Einbürgerungsgesuch zu stellen.
Tiziana hat das erwogen, wie sie auf der Website Einbürgerungsgeschichten.ch schreibt. Aber sie höre immer wieder von Personen, deren Gesuche abgelehnt worden seien, obwohl sie gut integriert seien. «Ich habe Angst, dass mir das auch passieren könnte», sagt Tiziana. Und sie frage sich, ob sie grossen Aufwand betreiben und viel Geld ausgeben solle, wenn das Gesuch vielleicht abgelehnt werde. «Ich wäre aber gerne Schweizerin», fügt Tiziana an. «Dass die Einbürgerung so kompliziert ist, obwohl ich hier geboren worden bin, finde ich unfair.»
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