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Acht Jahre nach Inkrafttreten
So will der Kanton Zürich die UNO-Behindertenrechte umsetzen

«Alle Master-Module an der Hochschule für Heilpädagogik (HfH) sind seit 2021 auch als einzelne Weiterbildungsmodule zugänglich»: Regierungsrätin Silvia Steiner (Die Mitte).
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Der Regierungsrat hat einen Plan ausgearbeitet, wie er die Behindertenrechtskonvention – kurz BRK – der Vereinten Nationen (UNO) umsetzen will. Am Dienstagmorgen hat er die Massnahmen vorgestellt. Das grosse Ziel: Menschen mit Behinderung sollen die gleichen Rechte haben wie Nichtbehinderte.

So sollen etwa bis im Jahr 2025 Menschen mit Behinderung an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können. Wer beispielsweise sehbehindert ist, kann heute nicht allein seinen Stimmzettel ausfüllen. Im Bereich Bildung will der Kanton sämtliche Lehrmittel, Eignungstests und Prüfungen für Menschen mit Behinderung zugänglich machen. Insgesamt 26 Massnahmen in den Bereichen Politik, Justiz, Mobilität, Bildung, Arbeit oder im Gesundheitswesen sieht der Aktionsplan vor.

Bildungsdirektorin Silvia Steiner betonte, dass man besonders in der Bildung integrativer werden wolle: Beeinträchtigte Kinder sollen früh gefördert und unterstützt werden, damit sie bestenfalls in Regelklassen gehen könnten. Das will Steiner erreichen, indem Lehrpersonen speziell ausgebildet, unterstützt oder entlastet werden. Dass es derzeit an besagtem Personal mangelt, liess die Bildungsdirektorin aus, sagte aber: «In erster Linie wollen wir Schulen unterstützen, die am Anschlag sind.» Seit 2021 sind alle Module der Masterausbildung an der Hochschule für Heilpädagogik (HfH) auch als einzelne Weiterbildungsmodule für Lehrpersonen zugänglich.

Ob die 26 Massnahmen umgesetzt werden, will der Kanton jährlich überprüfen. Regierungsrat Mario Fehr strich heraus, dass die Ziele nicht statisch seien. «Wir werden sie stetig weiterentwickeln.» Dabei sollen Behindertenorganisationen mit einbezogen werden. 

Behindertenkonferenz: «Höchste Zeit»

Das Thema steht nun seit acht Jahren auf der Pendenzenliste des Kantons: Am 15. April 2014 hat die Schweiz die BRK ratifiziert. Einen Monat später trat sie in Kraft. Bund, Kantone und Gemeinden müssen sie umsetzen. Marianne Rybi, Geschäftsleiterin der Behindertenkonferenz Kanton Zürich, freut sich, dass es jetzt endlich vorwärtsgeht. «Es ist höchste Zeit, dass die BRK umgesetzt wird.»

«Wir wissen, wie viele Kühe oder Apfelbäume der Kanton Zürich hat, aber nicht, wie viele Menschen mit Behinderung hier leben.»

Marianne Rybi, Geschäftsleiterin Behindertenkonferenz Kanton Zürich

Zürich wird schweizweit als erster Kanton tätig. Im Ausland sei man viel weiter, sagt Rybi. So hat Deutschland bereits vor zehn Jahren damit begonnen, die BRK umzusetzen. Einen Grund dafür sieht Rybi in der fehlenden Sensibilisierung hierzulande. «Wer in den USA ein Konzert organisiert, an dem es keine Toiletten für Menschen im Rollstuhl hat, wird scharf kritisiert. In der Schweiz quittiert man das mit einem Schulterzucken.»

Regierungsrat Mario Fehr strich heraus, dass die Ziele nicht statisch seien, im Gegenteil: «Wir werden sie stetig weiterentwickeln.» Dabei sollen Behindertenorganisationen mit einbezogen werden. 

Ein weiteres Problem seien die fehlenden Daten. Die Behörden gehen davon aus, dass im Kanton Zürich 280’000 Menschen mit Behinderung leben. Genauere Zahlen gebe es nicht, kritisiert Rybi. Ganz im Gegensatz zu anderen Bereichen. «Wir wissen genau, wie viele Kühe oder Apfelbäume der Kanton Zürich hat, aber nicht, wie viele Menschen mit Behinderung hier leben.» Das liege hauptsächlich an der Definition: Ab wann man eine Behinderung hat, ist nicht offiziell festgelegt. Eine schwierige Frage, an die sich momentan keiner herangetraue, kritisiert Rybi. «Die Schweiz geht sehr konservativ mit dem Thema Behinderung um.»  

UNO kritisiert Schweiz

Erst im März dieses Jahres hatte der UNO-Ausschuss bemängelt, dass öffentliche Gebäude oder der Verkehr nicht barrierefrei zugänglich seien. Ähnlich sehe es in der Bildung oder bei der Teilnahme am politischen Leben aus.

Das soll sich nun ändern, auch in der öffentlichen Wahrnehmung: Zwischen dem 27. August und dem 10. September sind unterschiedliche Events geplant, beispielsweise blindes Kochen oder ein Gottesdienst im Grossmünster, mitgestaltet von Menschen mit Hörbehinderung. Nicht alle Events sind für die Öffentlichkeit vorgesehen, doch ein Grossteil ist für Menschen mit sowie ohne Beeinträchtigung gedacht.

Korrektur, 24.8.2022: In einer früheren Version des Artikels hiess es, die Bildungsdirektorin würde spezielle Lehrgänge an der pädagogischen Hochschule vorsehen, damit «kein ganzes Studium nötig ist». Richtig ist: Seit 2021 sind alle Module der Masterausbildung an der Hochschule für Heilpädagogik (HfH) auch als einzelne Weiterbildungsmodule für Lehrpersonen zugänglich.