Wilde Ecken der Alten Welt Sieben aussergewöhnliche Fernwanderwege Europas
Durch das isländische oder das schottische Hochland, im Schatten des mächtigen Montblanc oder durch das Herz der Dolomiten.
Obwohl die Schweiz mit den Alpen eine fast unerschöpfliche Fülle an schönen Wanderungen bietet, fehlt uns wegen der Kleinräumigkeit und Erschlossenheit unseres Landes das, was in den verschiedenen Ecken Europas zu finden ist: der Reiz der Wildnis und das Vergnügen, sie für mehrere Tage zu durchwandern und abzuschalten. Hier stellen wir sieben besonders reizvolle Mehrtageswanderungen vor, die sich durch spektakuläre Landschaften, Abwechslungsreichtum und Abgeschiedenheit auszeichnen.
Island: Laugavegur-Trail
Schwierigkeitsgrad: mittel bis anspruchsvoll
Länge: 54 Kilometer
Dauer: 4 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: Gipfel des Hrafntinnusker mit einer Höhe von 1050 Metern
Höhenunterschied total: 1700 Meter
Start-/Endpunkt: von Landmannalaugar nach Þórsmörk
Beste Jahreszeit: Sommer (von Ende Juni bis Mitte September geöffnet)
Die Wanderung beginnt im Landmannalaugar-Tal im isländischen Hochland, bekannt für seine ungewöhnlich farbigen Rhyolithgebirge, und führt durch die spektakulären Vulkanlandschaften des Hochlandes Richtung Süden. Auch wenn insgesamt nur wenige Höhenmeter zu überwinden sind, ist der Trail mehrerer Flussdurchquerungen und des kühlen isländischen Wetters wegen durchaus anspruchsvoll. Island befindet sich in der subpolaren Kimazone. Auch im Sommer kann es noch schneien, und gerade in den Nächten können die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen. Daher sind warme Kleidung und gutes Schuhwerk ratsam.
Für die Traversierung der Flüsse bringt man am besten Badeschuhe mit Profil und Wanderstöcke mit. Zur Übernachtung stehen entweder Hütten mit Massenschlag oder Zeltplätze zur Verfügung. Am Ende werden die Strapazen mit imposanten Blicken auf die eisbedeckten Vulkane Katla und Eyjafjallajökull belohnt.
Schottland: West Highland Way
Schwierigkeitsgrad: mittel
Länge: 154 Kilometer
Dauer: 7–8 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: Gipfel von Devil’s Staircase mit einer Höhe von 548 Metern
Höhenunterschied total: 3155 Meter
Start-/Endpunkt: von Milngavie bis Fort William
Beste Jahreszeit: spätes Frühjahr, Früh- und Spätsommer
Der Track führt einen anfangs durch den Park des Städtchens Milngavie, ausserhalb von Glasgow, und man geht neben Spaziergängern. Allmählich lässt man das städtische Setting hinter sich, und man wandert neben und durch Schafweiden. Spektakulärer wird es während des Teilstücks entlang des Loch Lomond: Hier geht es meist nahe am Ufer des Sees durch Wälder und vorbei an einsamen Stränden. Der zweifelsfrei imposanteste Abschnitt ist allerdings die Durchwanderung des Rannoch-Moores im schottichen Hochland, das weitgehend unberührt ist. Mit einigen Blasen an den Füssen erreicht man nach rund einer Woche Wanderzeit Fort William. Zur Übernachtung stehen Hütten, Zeltplätze und je nach Tourenplanung auch Hotels oder Hostels zur Verfügung. Achtung vor den Mücken, die sich im Falle des Autors auch von Mückenmittel nicht beeindrucken liessen: «That’s not mist, that’s midges!» (Das ist kein Nebel, das sind Mücken!) Es gibt deshalb sogar eine regelmässig aktualisierte Mückenvorhersage.
Italien: Dolomiten-Höhenweg – Alta Via 1
Schwierigkeitsgrad: mittel bis anspruchsvoll
Länge: 120 Kilometer
Dauer: 10–12 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: Gipfel der Punta Penia im Marmolada-Massiv (3343 Meter)
Höhenunterschied total: 6500 Meter
Start-/Endpunkt: Der Weg beginnt am Pragser Wildsee und endet in Belluno.
Beste Jahreszeit: Sommer, insbesondere von Juni bis September
Die Alta Via 1 ist einer von sechs Höhenwegen Italiens. Ihre Geschichte reicht bis zum Ersten Weltkrieg zurück. Sie wurden angelegt, um Truppenbewegungen zu erleichtern. Die Fernwanderung führt mitten durch den dramatischen Gebirgszug der Dolomiten. Es gibt eine Handvoll Klettersteigabschnitte, die aber keine besondere Ausrüstung erfordern und abgesehen von ein paar kurzen, leichten Abschnitten zwischen den Berghütten Rifugio Tissi und Rifugio Carestiato, bei Bedarf umgangen werden können. Beim Berg Lagazuoi, dem höchsten Punkt des Höhenwegs, und bei der markanten Felsformation Cinque Torri hat man Gelegenheit, das während des Ersten Weltkrieges ausgedehnte System von Tunneln und Schützengräben zu erkunden.
Eine der Besonderheiten der Alta Via 1 ist das «enrosadira» (Alpenglühen), das spektakuläre Phänomen, das auftritt, wenn die Gipfel der Dolomiten bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang durch das weiche Licht rosa leuchten.
Frankreich, Italien und Schweiz: Tour de Montblanc (TMB)
Schwierigkeitsgrad: schwer
Länge: 170 Kilometer
Dauer: 7–10 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: der Gebirgspass Col des Fours mit 2665 Metern
Höhenunterschied total: 10’600 Meter
Start-/Endpunkt: Rundwanderung von Chamonix nach Chamonix
Beste Jahreszeit: spätes Frühjahr, Früh- und Spätsommer
Ursprünglich wurden die Wanderwege, die die Tour du Montblanc bilden, von Hirten angelegt, die ihr Vieh von Tal zu Tal trieben. Der Schweizer Geologe Horace-Bénédict de Saussure machte die Tour Mitte des 17. Jahrhunderts öffentlich bekannt. Während er nach der besten Route suchte, um den Montblanc zu besteigen, wanderte er schliesslich um das ganze Bergmassiv herum.
Traditionell beginnt man die Rundwanderung im französischen Les Houches und wandert dann im Gegenuhrzeigersinn um das Montblanc-Massiv herum. Es kann aber auch an den anderen mit Verkehrsmitteln erreichbaren Etappenzielen des Tracks gestartet werden. Die anspruchsvolle Fernwanderung führt in 170 Kilometern und 10’600 Metern Höhenunterschied um das höchste Bergmassiv der Alpen, wobei man acht Bergpässe überwindet. Die Szenerie reicht von der zerklüfteten Berglandschaft der Aiguille-Rouges-Bergkette bis zu den Weiden des Contamines-Tals.
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Je nach Etappenwahl kann man in Berghütten oder Hotels übernachten. Der offizielle Weg ist mit einem hellgrünen TMB-Symbol gekennzeichnet. Allerdings gibt es zahlreiche Abzweigungen, die nicht immer eindeutig beschildert sind. Daher empfiehlt es sich, den Weg im Vorfeld eingehend zu studieren und eine GPS-Datei auf sein Handy runterzuladen.
Schweden: Kungsleden
Schwierigkeitsgrad: mittel
Länge: 440 Kilometer, von Abisko nach Nikkaluokta: 108 Kilometer
Dauer: Für den ganzen Trail werden 3 bis 4 Wochen benötigt. Viele wandern nur einzelne Abschnitte.
Höchster Punkt: der Tjäktja-Pass mit einer Höhe von 1140 Metern
Höhenunterschied total: 8970 Meter
Start-/Endpunkte: von Abisko bis Hemavan
Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Mitte September
Der Kungsleden («Königspfad») führte ursprünglich von Abisko nach Ammarnäs im schwedischen Lappland und wurde vom Schwedischen Touristenverein angelegt. 1975 wurde der Weg erweitert und hat nun die Angelstelle des Königs am See Tärnasjön auf seiner Route. Für die Schaffung der «königlichen Ader» wurden die zum Teil schon seit Jahrhunderten bestehenden Teilabschnitte des Trails, die von den Einheimischen benutzt wurden, miteinander verbunden und umfassen nun eine Länge von 440 Kilometern. Der ausgedehnte Fernwanderweg führt durch vier Nationalparks mit alpinem Gelände, offenen Grasebenen, Birkenwäldern und Bergheiden. Insgesamt stehen 16 Hütten des Schwedischen Touristenvereins zum Übernachten zur Verfügung. Entlang grosser Teile des Weges wird Rentierzucht betrieben.
Die Etappe zwischen Abisko und Nikkaluokta im nördlichen Abschnitt ist der populärste Teil des Trails und der meistgewanderte Wanderweg in ganz Schweden. Während der 108 Kilometer wandert man durch die Bergbirkenwälder des Abisko-Nationalparks, durch weite, offene Ebenen mit Grasland und überquert den Tjäktja-Pass, den höchsten Punkt des Kungsleden. Langärmelige Oberteile und Hosen und Mückenspray sind besonders im Juli sehr zu empfehlen, da Mücken dann sehr zahlreich sein können.
Frankreich (Korsika): Grande Randonnée 20
Schwierigkeitsgrad: anspruchsvoll
Länge: 180 Kilometer
Dauer: 15–16 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: Gipfel des Monte Cinto mit 2706 Metern
Höhenunterschied total: 12’000 Meter
Start-/Endpunkt: von Calenzana bis Conca
Beste Jahreszeit: Ende Juni bis Anfang Oktober
Etwas für fitte und geübte Wanderer: Der GR 20 durchquert Korsika von Nordwesten nach Südosten in diagonaler Richtung und führt dabei durch das westliche Hoch- und das östliche Mittelgebirge. Wegen des Hochgebirges im nordwestlichen Teil ist dieser Abschnitt anspruchsvoller: Hier gilt es zahlreiche steile Auf- und Abstiege zu bewältigen. Der südliche Teil zwischen Vizzavona und Conca weist weniger Höhenmeter auf, dafür sind stellenweise ausgesetzte Grate zu überwinden.
Der Fernwanderweg wird traditionell von Norden nach Süden begangenen und ist in 16 Abschnitte unterteilt, während deren man in Berghütten mit Massenschlag übernachten kann. In der Mitte der Wanderung, im Dorf Vizzavona, stehen auch Hotels zur Verfügung. Das Wetter kann sich wegen der zahlreichen Mikroklimata auf Korsika von Tal zu Tal rasch ändern: So können sich Sonnenschein, Nebel und Regel schnell abwechseln.
Die Landschaft besticht durch ihre grosse Bandbreite: hochalpine Passagen mit steilen Felsen und grossen Granitblöcken, grüne, schwammige Weiden, Wälder, Seen und Weideflächen.
Portugal: Trilho dos Pescadores (Fischerpfad)
Schwierigkeitsgrad: mittel
Länge: 227 Kilometer
Dauer: 11–13 Tage, je nach Tempo
Höchster Punkt: 159 Meter
Höhenunterschied total: 3380 Meter
Start-/Endpunkt: von São Torpes (Porto Covo) nach Lagos
Beste Jahreszeit: ganzjährig
Der Trilho dos Pescadores ist Teil des Wanderwegnetzes Rota Vicentina im Süden Portugals. Der Weg schlängelt sich auf rund 230 Kilometern entlang der Südwestküste von Porto Covo nach Lagos. Er wird üblicherweise in 13 Etappen gewandert. Rund 60 Prozent des Weges führen über Sand, daher sollte entsprechendes Schuhwerk mitgenommen werden.
Wegen seiner spektakulären Küstenszenerie mit zerklüfteten Klippen, Sandstränden, Wasserfällen und Fischerdörfern gilt er als einer der schönsten Küstenwanderwege in Europa. Als Teil der Rota Vicentina ist der Weg mit einem grün-blauen Wanderzeichen gekennzeichnet. Jeder Etappe beginnt und endet in einer kleinen Stadt oder einem Dorf. Daher kann, anders als auf vielen anderen Fernwanderungen, in Hotels übernachtet und in Restaurants gespeist werden. Auch sind alle Städte auf der Route mit öffentlichen Bussen zu erreichen.
Der nördliche Teil des Tracks verläuft grösstenteils oberhalb der Küstenklippen und schwenkt zuweilen ins Landesinnere, und man wandert durch Küstengebüsch. Beim südlichen Abschnitt sind die zu bewältigenden Höhenunterschiede etwas grösser. Hier führt der Weg oft etwas landeinwärts durch bewachsene Dünen. Eines der Highlights der Wanderung ist das Cabo de São Vicente, die Südwestspitze des europäischen Festlands.
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