Amoklauf im französischen AnnecyMutmasslicher Messerangreifer ist laut Mutter depressiv
Nach der Messerattacke eines Mannes auf einem Spielplatz in Annecy dauert die Suche der Ermittler nach dem Motiv des Täters an. Laut seiner Familie leidet er unter «schweren Depressionen».
Der mutmassliche Messerangreifer im französischen Annecy leidet nach Angaben seiner Familie unter «schweren Depressionen». Die Weigerung der schwedischen Behörden, ihm die Staatsbürgerschaft zu gewähren, habe seinen Zustand verschlimmert, sagte seine Mutter der Nachrichtenagentur AFP. Der Angriff im Südosten Frankreichs, bei dem fünf Menschen lebensgefährlich verletzt worden waren, darunter vier Kleinkinder, hatte auch international Entsetzen ausgelöst.
Der 31-Jährige sollte am Freitag einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen werden. Eine derartige Untersuchung sei für Freitagmorgen geplant, sagte Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstagabend dem Fernsehsender TF1.
Die laufenden Ermittlungen würden es ermöglichen, «das Motiv zu klären», sagte die Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis am Donnerstag. Sie fügte hinzu, dass sie «in diesem Stadium eine sinnlose Tat nicht ausschliessen» könne. Es gebe «keine Hinweise auf ein terroristisches Motiv». Nach Behördenangaben verbrachte der Angreifer die Nacht in Polizeigewahrsam.
Auch in der Schweiz Asylantrag gestellt
Der Mann war kurz nach 09.30 Uhr auf einem Spielplatz am Lac d’Annecy mit einem etwa zehn Zentimeter langen Klappmesser auf die Kinder losgegangen. Augenzeugen berichteten, dass er auch auf zwei Kinder eingestochen habe, die sich in einem Doppel-Kinderwagen befanden. Auf einem Video ist zu hören, dass er zwei Mal auf Englisch «Im Namen Jesu» schrie.
Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich bei dem Täter um einen Syrer, der zehn Jahre in Schweden gelebt hatte und dort als Flüchtling anerkannt war, sich aber vergeblich um die schwedische Staatsbürgerschaft bemüht hatte. Seine in den USA lebende Mutter sagte zu AFP, die Weigerung der schwedischen Behörden, ihm die Staatsbürgerschaft zu gewähren, habe «ihn wahrscheinlich aufgebracht».
Laut Innenminister Gérald Darmanin stellte der mutmassliche Täter in Frankreich, Italien und in der Schweiz weitere Asylanträge. In seinem Antrag in Frankreich bezeichnete er sich als «syrischer Christ». Am Tag des Anschlags trug er ein Kreuz an einer Halskette. Am vergangenen Sonntag sei sein Antrag von französischer Seite abgelehnt worden, da er bereits in Schweden Asyl erhalten hatte, sagte Darmanin. Die zeitliche Nähe zu dem Messerangriff sei «verstörend».
Sie selbst habe vom psychischen Zustand ihres Sohnes nichts gewusst, sagte die Mutter. Erst ihre frühere Schwiegertochter habe ihr davon berichtet. «Sie sagte, dass es ihm nie gut gehe, er sei immer depressiv, mit düsteren Gedanken, er wolle das Haus nicht verlassen, er wolle nicht arbeiten (...)».
Macron: «Angriff absolut feige»
Die in Schweden lebende Ex-Frau des Mannes reagierte laut eigener Schilderung fassungslos, als sie von dem Angriff erfuhr. «Ich weiss nicht, was mit ihm passiert ist (...) Es ist schrecklich», sagte sie der AFP. Das Paar hatte sich im vergangenen Jahr scheiden lassen, der Mann reiste später nach Frankreich.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war der Mann den Geheimdiensten nicht bekannt. Es gebe auch keine Hinweise auf frühere Aufenthalte in einer psychiatrischen Einrichtung. Drogen oder Alkohol seien nicht nachgewiesen worden.
Laut der Lokalzeitung «Le Dauphiné Libéré» war der Mann ohne festen Wohnsitz und «auf dem Weg der Verwahrlosung». Ein Beschäftigter an einer der Anlegestellen am Lac d’Annecy berichtete, dass der Mann sich seit etwa zwei Monaten täglich von morgens bis abends auf einer Bank am Seeufer aufgehalten habe. Dabei habe er zeitweise Selbstgespräche geführt.
Der Vorfall erregte grosse Anteilnahme. Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Angriff als «absolut feige». «Unsere Gedanken sind bei ihnen, ihren Familien und den mobilisierten Rettungskräften», betonte Macron auf Twitter.
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Der deutsche Kanzler Olaf Scholz drückte den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. «Lieber Emmanuel Macron, (...) Deutschland ist schockiert über diese unmenschliche und verachtenswerte Tat», schrieb er auf Deutsch und Französisch auf Twitter.
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Tat ist ein gefundenes Fressen für den RN
Mehrere Politikerinnen und Politiker der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National zogen eine Verbindung zwischen der Tat und der Migrationspolitik in Frankreich. «Wir müssen die Situation wieder unter Kontrolle bekommen, was der Regierung nicht gelingt», erklärte Parteichef Jordan Bardella. «Die massive Einwanderung steht in direktem Zusammenhang mit der Verrohung, unter der unser Land leidet», sagte Vizeparteichef David Rachline.
Der Spielplatz am Seeufer wurde am späten Nachmittag wieder geöffnet. Manche Menschen legten Blumen im Gedenken an die Opfer ab.
AFP/fal/lif
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