Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kontroverse um «Prix Romandie»
Michael Steiner fordert Abschaffung der Schweizer Filmpreise

Michael Steiner, Regisseur portraitiert am Bellevue am 1. November 2021 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Schon mal vom «Prix Romandie» gehört?

Mit scharfen Worten gab Regisseur Michael Steiner unlängst seinen Austritt aus der Schweizer Filmakademie bekannt. Er möchte nicht mehr beim «Prix Romandie» zuschauen, wie der Regisseur von «Wolkenbruch» in seiner Mitteilung an die Akademie schreibt.

Die Akademie hat rund 600 Mitglieder aus der Filmbranche. Diese entscheiden, wer die Schweizer Filmpreise gewinnt. Für die nächste Verleihung im März haben sie in der Kategorie «Bester Spielfilm» ausschliesslich Westschweizer Produktionen nominiert. Sie heissen «Bisons» oder «La voie royale». Michael Steiners Thriller «Early Birds» ist nicht dabei.

Filmförderung statt «Branchen- und Selbstbeweihräucherung»

Er sehe keinen Nutzen für den Schweizer Film, weil der Preis in der Öffentlichkeit kaum Beachtung finde. «Ich schlage vor, die Akademie aufzulösen und das Geld in die Filmförderung zu stecken», so Steiner in seinem Austrittsschreiben. Mehr Produktion würde dem hiesigen Filmschaffen guttun – anstelle eines «Abends der Branchen- und Selbstbeweihräucherung».

Der Schweizer Filmpreis – der Quartz – wird jährlich vom Bundesamt für Kultur vergeben, in Zusammenarbeit mit der SRG und der Association «Quartz» Genève Zürich. An der Gala, die abwechselnd in Genf und Zürich stattfindet, werden in 13 Kategorien rund 490’000 Franken verteilt. Alle Nominierten erhalten ein Preisgeld.

Westschweizer Produktionen holen auf: Siegerfoto am Schweizer Filmpreis im März 2023.

Haben Regisseure und Regisseurinnen aus der Deutschschweiz kaum Chancen, einen Quartz zu gewinnen? In Wahrheit waren seit 2013 rund doppelt so viele Deutschschweizer Produktionen in den Kategorien «Bester Spielfilm» und «Bester Dokumentarfilm» nominiert. Auch bei den Siegerfilmen beträgt das Verhältnis Deutschschweiz-Romandie ungefähr 2:1. In den letzten fünf Jahren hat sich das Verhältnis etwas angeglichen, vor allem wegen Gewinnern wie «Olga» oder «Ceux qui traivaillent».

Das Bundesamt für Kultur (BAK) findet, die Schweizer Filmpreise würden «recht gut die kulturelle Vielfalt unseres (Film-)landes» widerspiegeln. Mit 22 Prozent sei der Anteil der französischsprachigen Mitglieder in der Filmakademie in der Minderheit. Daraus ergebe sich aber nicht, dass welsche Filme bevorzugt oder dass sie benachteiligt würden.

73 Prozent der Filmakademie-Mitglieder sind deutschsprachig. Viele von ihnen werden dieses Jahr für die welschen Spielfilme gestimmt haben.

Mit «Wolkenbruch» nominiert

Steiners Literaturverfilmung «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» war 2019 nominiert, Joel Basman gewann für seine Darstellung der Hauptfigur Motti eine Auszeichnung. «Early Birds» taucht jetzt in keiner einzigen Kategorie auf. Auch die Komödie «Bon Schuur Ticino», die mit bisher mehr als einer Viertelmillion Zuschauerinnen und Zuschauern erfolgreich im Kino läuft, ist bloss in der Drehbuch-Kategorie nominiert.

Dass Kassenerfolge an Filmpreisgalas das Nachsehen haben, ist nicht neu. Die Oscar-Academy studiert seit Jahren an einer neuen Preiskategorie herum, die «herausragende Leistungen im populären Film» ehren soll. Anders als «Bon Schuur Ticino» gehört Steiners Langstrassen-Thriller «Early Birds» aber nicht zu den Kino-Blockbustern: Netflix hat den Film koproduziert und wird ihn weltweit zeigen. Solche Filme stossen im Kino auf wenig Interesse, in Schweizer Sälen sahen «Early Birds» bloss ein paar Tausend Menschen.

In der SRF-Sendung «Gesichter & Geschichten» suggerierte Steiner, die Romands würden sich beim Filmpreis gegenseitig Nominationen zuschieben. Wer einmal nominiert sei, könne abstimmen, und so bestehe die Gefahr, dass nur noch Westschweizer für Westschweizer stimmen würden. Das BAK verweist darauf, dass die Wahl anonym erfolge: «Wir sehen keine Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass die Mitglieder ihre Aufgabe nicht gewissenhaft und mit der nötigen Objektivität erfüllen.»

«Early Birds» ist die erste Schweizer Netflix-Koproduktion. Premiere war am letzten Zurich Film Festival.

Übrigens gehe oft vergessen, dass künstlerisch-technische Berufe wie Montage, Kamera und Musik ebenfalls ausgezeichnet würden, so das BAK. Diese Ehrung sei eine Anerkennung durch die Branche und ein Leistungsausweis.

Auch für Michael Steiner sind technisch-künstlerische Berufe im Film von zentraler Bedeutung. Bloss sieht er die Auszeichnungen in diesen Kategorien auf Anfrage kritisch: Anders als in den USA hätten die Filmakademie-Mitglieder in der Schweiz keine grosse Ahnung, wenn es um die Beurteilung von technischen Leistungen gehe – weshalb sie eher nach ihren Sympathien abstimmen würden.

Gewinner für «Beste Filmmusik» steht schon fest

Allerdings zeigt sich auch bei den Nominationen und Gewinnern in Kategorien wie Kamera, Musik und Montage, dass die Deutschschweiz in den letzten Jahren dominiert hat.

Sicher ist: Michael Steiner kann nach seinem Austritt nicht mehr mitentscheiden, wer künftig einen Filmpreis gewinnt. Sicher ist auch, dass dieses Jahr ein Westschweizer Spielfilm ausgezeichnet wird.

Und garantiert wird der Genfer Komponist Nicolas Rabaeus einen Preis mit nach Hause nehmen. Er besetzt in der Kategorie «Beste Filmmusik» sämtliche drei Nominationsplätze – für drei unterschiedliche Filme. Da muss man schon fragen: Ist das noch kurios? Oder schon stossend?