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Schummelei beim Marathon
Pipi-Unfall oder Täuschung? Der heikle Fall um eine einflussreiche Läuferin

Lauf-Journalistin unter Verdacht: Die Britin Kate Carter.
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Derek Murphy ist ein besonderer Detektiv. Er fahndet daheim in seinem Wohnzimmer nach Betrügern. Dafür braucht er einen Computer, sein Faible für Zahlen – und immer mal wieder den einen oder anderen Hinweis.

Der Amerikaner überführt Läuferinnen und Läufer, die an Wettkämpfen betrügen. Die also die Strecke abkürzen, den Zeitmess-Chip jemand Schnellerem überlassen – oder Teile der Strecke mit Rad, U-Bahn oder gar Auto absolvieren. Seinen grössten Coup landete Murphy 2017, als er über 5000 Läuferinnen und Läufern am Marathon von Mexiko-Stadt das Schummeln nachweisen konnte. Sie hatten damals alle eine bestimmte Medaille angestrebt.

Die Episode zeigt, selbst der nichtigste Grund kann Anlass fürs Betrügen sein. Dazu zählt auch: Schummler wollen vor ihren Kollegen mit einer schnellen Zeit prahlen oder auf ihren sozialen Kanälen ein paar Daumen-rauf-Klicks abholen. Ambitioniertere Hobbyläufer wiederum frisieren ihre Zeit, damit sie sicher Eingang in einen der grossen, prestigeträchtigen Marathons finden.

Seit 2015 betreibt Murphy dieses Hobby, das er primär dann pflegt, wenn sich die Familie ins Bett legt. Ihm, dem früheren Marathonläufer, geht es dabei um Fairness und Integrität, zwei zentrale Pfeiler des Sports. Die will er nicht von Schummlern erodiert sehen.

Plötzlich fehlt die Zeit

Doch der neueste Fall macht auch ihn zum Thema. Die Geschichte geht so: Ende Januar publiziert Murphy auf seiner Seite einen Text zu Kate Carter. Die Britin ist Redaktorin des wichtigsten Laufmagazins – «Runner’s World». Carter arbeitet für den britischen Ableger in zentraler Position.

Murphy kann zweifelsfrei belegen, dass Carters Resultate im letzten Jahr sowohl am Londoner Halbmarathon als auch am Marathon zu hinterfragen sind. Am Halbmarathon fehlte ihr plötzlich eine Abschnittszeit. Ausgerechnet in diesem Abschnitt aber lief sie sehr viel schneller als davor und danach, wie sich anhand der Endzeit und der anderen gemessenen Abschnitte berechnen lässt.

Für den Marathon wiederum lud sie auf ihren Strava-Account eine Zeit samt Strecke hoch, die sich als veraltet herausstellte. Carter erklärte darauf: Beim Halbmarathon habe sie in die Hose gemacht und kurz die Strecke verlassen. Es sei darum möglich, dass sie nicht exakt am selben Ort wieder eingestiegen sei.

Das zweideutige Urteil

Beim Marathonresultat begründete sie: Sie habe schon vor dem Start entschieden, nicht offiziell teilzunehmen – sie sei nicht in gewünschter Form gewesen. Trotzdem sei sie zu Trainingszwecken gestartet. Weil ihre Zeit dann doch toll rausgekommen sei, habe sie die Zeit auf Strava hochgeladen, samt einer offenbar veralteten Strecke. Der Veranstalter habe gewusst, dass sie trainingshalber starte.

So weit, so seltsam. Das Problem für Detektiv Murphy begann wiederum, weil zwar der britische Leichtathletik-Verband eine Untersuchung einleitete, aber jüngst zum Schluss kam: Man habe bei Carter «keine Absicht zum Betrug festgestellt», um doch viel Interpretationsspielraum mit folgendem Satz zu lassen: «Keiner dieser Vorfälle erfüllt den Grenzwert für schwerwiegendes Fehlverhalten.»

Dass Oxford-Absolventin Carter mit dem Sport-Chefreporter des renommierten «Guardian» verheiratet ist, der danach umgehend auf Twitter mitteilte, seine Frau sei freigesprochen worden, ärgerte Murphy (und viele Interessierte des Falls) massiv. Sie glauben eher, die in der britischen Szene bekannte Läuferin habe über einen Bonus verfügt.

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Zumal die Causa viel mehr ist als eine Posse um eine halbwegs prominente Läuferin. Carter wurde nach dem Bekanntwerden auf den sozialen Medien so massiv attackiert, dass sie alle ihre Kanäle sperrte. Und Murphy musste sich wiederum anhören lassen, dass er eine Art öffentliches Tribunal führe.

Das hatte in einem Fall besonders tragische Folgen: Einem Arzt konnte Murphy 2019 nachweisen, dass jener mehrmals bei Marathonrennen betrogen hatte – auch bei seinem vermeintlichen Altersweltrekord.

Der Amerikaner nahm sich kurz darauf das Leben. Seine Familie sagte, der Grund seien anhaltende schwerwiegende Kommentare in den sozialen Medien gewesen. Murphy begab sich danach in Therapie, hinterfragte seine Arbeit und auch, ob er sein Hobby weiterführen wolle. Er entschied sich dafür – mit allen Konsequenzen.