1:6 im Achtelfinal gegen PortugalDie Schweizer wollten die Welt erobern – und erleben ein Debakel
Die Schweiz startet gegen Portugal schwach und lässt sich dann gehen. Mit einem 1:6 vergibt sie die Chance auf einen WM-Viertelfinal gegen Marokko.
Hat man Murat Yakin schon jemals derart leer in die Ferne blicken sehen? Zwanzig Minuten sind noch zu spielen in Lusail, dem Stadion, in dem der Final dieser WM stattfinden wird. Der Schweizer Nationaltrainer weiss längst, dass er dieses Spiel höchstens am TV verfolgt.
Geschichte wollten sie schreiben, seine Schweizer an dieser WM in der Wüste. Aber dann ist es, als hätte jemand einmal bitte den «Schweizer Achtelfinal spezial» bestellt. Wie 2018 gegen Schweden, wie 2006 gegen die Ukraine spielt die Schweiz ein K.o.-Spiel, als sei sie erst rund fünf Minuten vor dem Spielbeginn aus dem Bett gerissen worden – und mache sich erst mal auf die Suche nach einem dreifachen Espresso.
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«Believing is Magic» steht auf den Werbebanden, die das Spielfeld umgeben. Aber keiner der Schweizer liest es. Oder es glaubt an diesem Abend zumindest keiner von ihnen an Magie. Ganz anders als die Marokkaner, die kurz vorher mit Spanien einen Turnierfavoriten verabschiedet haben. Die Schweizer sind erst schwach. Dann bauen sie stark ab.
Irgendwann stellt man sich auf der Tribüne ganz viele Fragen: Dieses Virus, das einen nach dem anderen im Schweizer Lager befällt: Ist es vielleicht die Schlafkrankheit? Wie sonst kann eine Mannschaft nach einer Pausenansprache noch einmal exakt denselben, emotionslosen Stiefel runterspielen wie zuvor?
Stellen die Schweizer tatsächlich einfach noch einmal die WM 2018 nach? Ein hoch emotionaler Match in der Gruppenphase gegen Serbien – und dann ist die Luft draussen? Wo sind sie hin, all diese so selbstbewussten Spieler, die in Doha die Welt erobern wollten?
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Etwas Tröstendes hat der Abend aus Schweizer Sicht dann doch noch. Diesmal scheidet sie nicht gegen eine Mannschaft aus, die genau so schlecht auftritt wie sie. Die Portugiesen sind nicht mässig talentierte Ukrainer oder uninspirierte Schweden. Sie haben eine hervorragende Mannschaft, gegen die man ausscheiden darf. Einfach nicht unbedingt so, wie es die Schweizer tun. Mit ihrer höchsten Niederlage an einer WM überhaupt.
Yakins fatale Entscheide
Am Anfang des Debakels steht die Aufstellung des Trainers. Yakin stellt für diesen Match sein Personal gezwungen und ungezwungen anders auf. Mit Silvan Widmer fällt am Spieltag der dritte Schweizer an dieser WM krankheitsbedingt aus. Für Widmer verteidigt auf der rechten Seite Edimilson Fernandes. Im Abwehrzentrum entscheidet sich Yakin für Fabian Schär und gegen das Comeback des nach einer Erkältung genesenen Nico Elvedi, ausserdem stellt er von einer Vierer- auf eine Dreierkette um. In der Offensive rückt Xherdan Shaqiri von rechts in Richtung Zentrum.
Yakin hat vor dem Turnier auf Risiko gespielt und nur zwei gelernte Aussenverteidiger ins Aufgebot genommen. Er sagt schon damals, der bei Mainz vom Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger umgepolte Fernandes könne notfalls rechts spielen. Er ist auch unmittelbar vor dem Match gegen Portugal überzeugt von dieser Lösung: «Fernandes kennt die Position, er hat dort auch schon gespielt. Hoffen wir, dass er nicht nur verteidigen wird, sondern sich auch in die Offensive einschaltet und Druck erzeugt. Ich will ihn aktiv sehen.»
In den ersten drei WM-Partien hat Yakin auch eigenwillig gecoacht. Er hat den Basler Ersatzspieler Fabian Frei eingesetzt, um gegen Kamerun das 1:0 über die Zeit zu retten. Er hat gegen Brasilien auf den jungen Berner Fabian Rieder gesetzt, er hat die Mannschaft gegen Serbien mit Vorwärtsdrang auf den Rasen geschickt. Er hat in drei Spielen fast alles richtig gemacht.
Aber im Achtelfinal macht er fast alles falsch, das ist schon nach wenigen Minuten offensichtlich.
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Edimilson ist auf der rechten Seite ein Schwachpunkt, er lässt immer wieder gefährliche Vorstösse der Portugiesen zu. Schär überzeugt im Zentrum nicht und sieht bei den ersten zwei Gegentoren schlecht aus. Vor dem 0:1 in der 17. Minute lässt er Gegenspieler Gonçalo Ramos zu viel Raum, wobei auch Goalie Yann Sommer keine gute Figur macht. Und vor dem 0:2 (33.) können weder Schär noch Manuel Akanji den bald 40-jährigen Pepe am Kopfball hindern.
Es sind die beiden Fehler, die am meisten schmerzen. Doch die Unzulänglichkeiten ziehen sich bei den Schweizern über das ganze Feld. Die Portugiesen stellen Granit Xhaka konsequent zu, ein guter Spielaufbau findet kaum einmal statt. In der Spitze hat Shaqiri im laufenden Spiel keinen guten Moment, er wird nur bei einem Freistoss halbwegs gefährlich. Und: Es wird nicht besser.
In der zweiten Halbzeit kommt Eray Cömert für Schär. Es dauert sechs Minuten, bis auch er zum ersten Mal zu spät ist. Jetzt hat Ramos seinen Doppelpack. Und weil kurz darauf auch Raphael Guerreiro unbedrängt schiessen darf, liegt die Schweiz in der 55. Minute 0:4 zurück. Der Untergang nimmt seinen Lauf. Akanji schönt zwar das Resultat mit dem 1:4 nach einem Shaqiri-Eckball – allerdings nur für ein paar Minuten. In der 67. Minute trifft Ramos erneut. Und dann kommt er.
Viel Lärm um Ronaldo
Cristiano Ronaldo ist seit 19 Jahren Nationalspieler. Er hat bis zu diesem Achtelfinal gegen die Schweiz 194 Mal für sein Land gespielt und 118 Tore erzielt. Er hat die WM in Katar mit dem ersten portugiesischen Treffer eröffnet.
Er reklamiert im zweiten Match einen weiteren Treffer für sich, weil er einen Ball mit den Haaren gestreift und damit sein neuntes WM-Tor erzielt haben will – gleich viel wie die portugiesische Legende Eusebio. Die Fifa mag davon nichts wissen, sie führt als Beweismittel gar die Chipdaten aus dem Spielball auf. Und zu Hause ist die nationale Debatte ausgelöst, wie viel Ronaldo-Ego es in dieser Nationalmannschaft noch erträgt.
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Vielleicht gibt Nationaltrainer Fernando Santos die Antwort darauf vor dem Spiel gegen die Schweiz. Er setzt den 37-Jährigen auf die Ersatzbank, das hat der Stürmer an einem grossen Turnier seit der EM 2008 nie mehr erlebt. Ob das gut ist für die Schweiz? Nicht wirklich. So falsch Yakin liegt mit seinen Nominationen, so richtig liegt Santos. Für den alternden Ronaldo spielt von Beginn an … der spätere Dreifach-Torschütze Ramos. Ronaldo springt und lacht bei jedem Treffer an vorderster Front mit.
Die meisten der fast 84’000 Zuschauer in der Arena hätten den fünfmaligen Weltfussballer gleichwohl gerne ab der ersten Minute auf dem Rasen gesehen. Als er während der Nationalhymne auf den Videobildschirmen gezeigt wird, ist der Jubel gross. Als er während des Spiels auf dem Videobildschirm gezeigt wird, ist die Aufregung riesig. Als er in der 73. Minute doch noch aufs Feld darf, wird es richtig, richtig laut. Und als sein Tor in der 84. Minute wegen Offside nicht zählt, ist die Enttäuschung heftig. Für das 6:1 sorgt später der ebenfalls eingewechselte Rafael Leao unmittelbar vor Spielende.
Wie geht es für die Schweiz weiter?
War es das? Verabschiedet sich die so unschweizerisch forsch auftretende Generation der U-17-Weltmeister von 2009 ganz schweizerisch mit einer riesigen Enttäuschung in einem Achtelfinal? Bleibt der Viertelfinal an der EM 2021 ihr grösster Exploit?
Es muss nicht so kommen. Wer sagt denn, dass diese Spieler in zwei Jahren nicht noch einmal eine gute Endrunde in den Beinen haben? Captain Granit Xhaka ist am nächsten Turnier noch nicht ganz 32. Xherdan Shaqiri ist 2024 zwar fast 33-jährig. Aber ihm kommt laut Georg Heitz entgegen, dass er in dreieinhalb Saisons bei Liverpool und Lyon kaum gespielt hat. «Er hat noch Benzin im Tank», sagt der Sportchef von Shaqiris Club Chicago Fire.
Manuel Akanji (27) und Nico Elvedi (26) kommen erst ins beste Alter für Innenverteidiger. Und die Offensivspieler Breel Embolo (25), Ruben Vargas (24) und Noah Okafor (22) könnten mit zusätzlicher Erfahrung besser werden.
Eine Chance hat diese Mannschaft also noch, um für sich selber ein schöneres Ende ihrer Geschichte zu schreiben.
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38'
Endlich mal ein Lebenszeichen der Schweiz. Fernandes bringt den Ball von der rechten Seite zur Mitte, Freuler kommt zum Kopfball, dieser wird abgelenkt. Dann kann Dalot vor der Linie klären.
Ratlose Schweizer
Das 0:2 müssen die Schweizer erst einmal verdauen. Fernandes, der für den kranken Widmer spielt, verlor zuvor Pepe aus den Augen. Rächt es sich, dass Yakin neben Widmer keinen gelernten Rechtsverteidiger aufbot? Hier noch einmal zurückzukommen, wird jedenfalls eine Herkulesaufgabe.
33' Tor für Portugal
Und dieser Eckball wird gefährlich, und wie! Pepe, das Urgestein, ist zur Stelle und bezwingt Sommer mit einem wuchtigen Kopfball aus kurzer Distanz zum 2:0.
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32'
Einmal durchatmen. Eine portugiesische Flanke segelt in den Schweizer Strafraum und wird länger und länger. Schär kann den Ball gerade noch entscheidend verlängern. Es gibt Eckball.
30'
Der bisher unauffällige Shaqiri führt den Freistoss direkt aus. Ein starker Versuch. Der Goalie kann den Schuss gerade noch neben das Tor lenken. Eckball. Diesen tritt dann Shaqiri deutlich schwächer, Portugal kann klären.
29'
Wir würden hier gerne Schweizer Chancen vermelden. Nur: Es gibt sie nicht. Immerhin: Jetzt kann sich Embolo mal an der Mittellinie durchsetzen, er wird dann gefoult. Die Distanz zum Tor ist allerdings gross.
26'
Schär kann weiterspielen.
Schär am Boden
Jetzt liegt Schär, der heute sein 75. Länderspiel für die Schweiz bestreitet, am Boden und muss gepflegt werden. Was genau geschah, wissen wir nicht. Cömert und Elvedi laufen sich warm.
22'
Weitere Chance für Portugal: Erneut ist es Ramos, der gefährlich wird. Diesmal zieht er vor dem Strafraum ab. Sommer kann den Ball allerdings relativ mühelos fangen.
Wie reagieren die Schweizer?
Wir erinnern uns, auch gegen Serbien lag das Team von Trainer Yakin zwischenzeitlich im Rückstand. Die Antwort fiel dann eindrücklich aus. Eine solche braucht es auch heute, allerdings sind die Portugiesen weit weniger anfällig als die Serben.
Herrliches 1:0
Gonçalo Ramos wird von Schär im Strafraum ein klein wenig Platz gelassen, er nutzt diesen für einen wuchtigen Schuss aus spitzem Winkel. Der Ball streift auch noch leicht den Pfosten. Das war Millimeterarbeit. Wir müssen es neidlos anerkennen.
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17' Tor für Portugal
Kaum haben wir es geschrieben, wagen sich die Portugiesen nach vorne. Und gehen in Führung: Ramos, der für Ronaldo in die Startaufstellung rückte, erzielt das wunderbare Tor.
Eine Viertelstunde ist absolviert
Die Schweizer stehen gut und müssen dem Gegner wenig zugestehen. Für die Portugiesen gilt allerdings dasselbe.
Wo bleibt die Stimmung?
Im Stadion ist es auffällig ruhig. Kein Vergleich zum vorherigen Achtelfinal, als zehntausende Marokkaner ihr Team zum Erfolg gegen Spanien schrien.
11'
Yakin wünschte sich von Fernandes Offensivkationen. Nun wagt sich der Rechtsverteidiger erstmals nach vorne. Seine Flanke mit dem schwächeren linken Fuss gerät allerdings viel zu lange. Sagen wirs so: Der 26-Jährige hat Steigerungspotenzial.
Santos geht volles Risiko
Der Trainer verzichtet auf Ronaldo und Cancelo. Man muss kein Prophet sein, geht das hier für die Portugiesen schief, ist der 68-Jährige seinen Job los.
5'
Embolo steht längst wieder. Und kommt zur ersten Mini-Chance für die Schweiz. Sein Schuss im Strafraum von links wird geblockt. Es gibt Corner für die Schweiz. Dieser bleibt ertragslos.
4'
Embolo bleibt am Boden liegen. Er hat im Laufduell nahe der Seitenlinie den Ellbogen eines Portugiesen an den Hals gekriegt. Der Schiedsrichter will nichts gesehen haben.
3'
Die Portugiesen drängen erstmals in den Schweizer Strafraum ein. Vargas ist zurückgeeilt und kann für Rodriguez klären.
2'
Gegen die Serben kamen die Schweizer sogleich zu einer Dreifachchance. Hier hingegen geht es erst einmal relativ gemächlich los.
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