Robert Plant an der Baloise SessionEr wählt den Weg des grössten Widerstands
Am Freitagabend beschallten Robert Plant und seine neue Band Saving Grace die Baloise Session. Am Basler Hallenfestival führte der ehemalige Sänger von Led Zeppelin eine begeisternde Wurzelsuche vor.
- Robert Plant beeindruckte mit Saving Grace an der Baloise Session 2024.
- Statt Led-Zeppelin-Nostalgie präsentierte Plant ein reichhaltiges, obskures Repertoire.
- Saving Grace vereinte Blues-, Folk- und nahöstliche Einflüsse mit keltischem Touch.
Bei Led Zeppelin trieb Robert Plant die Rockmusik an die Grenzen des gesanglich Möglichen und des erotisch Erträglichen. Auf der Bühne markierte dieser schöne junge Mann den wandelnden Hormonbolzen, der die verschlüsselte Sexualität des schwarzen Blues für ein weisses Massenpublikum dechiffrierte. Inzwischen blickt Plant, mittlerweile 76 Jahre alt, eher amüsiert auf diese Zeit zurück. Anfänglich sei er ein Beifahrer gewesen, der die exzessiven Improvisationen seiner Bandkollegen ausgehalten habe, so Plant unlängst, nur schleppend habe er Led Zeppelins Musik seinen Stempel aufdrücken können.
Seit der Auflösung von Led Zeppelin 1980 hat Plant immer mehr zu seinen musikalischen Wurzeln im Blues und Folk zurückgefunden, diese Einflüsse aber auch mit Klängen aus dem Nahen Osten, den Appalachen und dem Maghreb kombiniert. Plants erweiterte Wurzelsuche findet mit seiner aktuellen Band Saving Grace mit Tony Kelsey und Matt Worley (Saiteninstrumente), Oli Jefferson (Schlagzeug) und der Sängerin und Multiinstrumentalistin Suzi Dian ihren vorläufigen Endpunkt. Wer von ihrem Auftritt an der Baloise Session eine Nostalgierevue erwartet hatte, wurde aber enttäuscht.
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Schon früh im Set beweist Plant, wie weit er die Zeit mit Led Zeppelin hinter sich zurückgelassen hat. «Four Sticks», im Original ein morgenländisch angehauchter Stampfer, wird am Basler Hallenfestival mit Half-Time-Passagen zersetzt und wirkt darum wie ein multipler Coitus interruptus. Dafür entschlackt Plant das Arrangement von «The Rain Song» so stimmig, dass diese schwebende Anmache zur ergreifenden Liebeserklärung mutiert.
Die Verweise auf Led Zeppelin sind seltene Kompromisse an ein Publikum, das vor allem wegen Plants alter Band in die Event-Halle der Messe Basel gekommen ist. Statt «Stairway to Heaven» oder «Kashmir», kriegt man den verzweifelten «Everybody’s Song» der amerikanischen Melancholiker Low zu hören, Neil Youngs frühe Komposition «For the Turnstiles» und «House of Cards», Richard Thompsons vertonte Scheidungsandrohung an seine erste Frau Linda. Jedes dieser Stücke hat genügend Substanz für eine Kurzgeschichte, und Saving Grace skizziert diese Narrative als Gefühlszustände zwischen Resignation und Zorn mitreissend nach.
Starker Gesang, schlankes Zusammenspiel
Dass die Band mit ihrem vorwiegend obskuren Repertoire das Konzertpublikum immer mehr begeistert, liegt nicht nur an Plants überraschend starkem Gesang, sondern auch am schlanken Zusammenspiel von Saving Grace. Tony Kelsey und Matt Worley greifen virtuos zu Instrumenten, für die nur sie die Namen kennen, Oli Jefferson wirbelt elegant mit seiner Perkussion und Suzi Dians Akkordeon verleiht der Musik eine keltische Bedrohlichkeit.
Im Zugabenblock holt Plant das Publikum endgültig ab – und erteilt ihm auch gleich ein bisschen Geschichtsunterricht. Led Zeppelin hätten «Gallows Pole» dem Blues-Meister Lead Belly abgeguckt, erklärt Plant. Dabei habe das Stück seinen Ursprung in der englischen Volksmusik. Plant scheut davor zurück, «Gallows Pole» im bekannten Arrangement aufzuführen. Stattdessen verpasst Saving Grace der Nummer einen House-Groove, dazu wirft Plant ein paar Zeilen aus Led Zeppelins Klassiker «Black Dog» ein.
Der grandiose Entertainer im schwarzen Hemd weiss sehr wohl, was sein Publikum von ihm erwartet – und verweigert sich doch bis zum letzten gespielten Ton. Einfach sei dieser Ansatz nicht, bestätigte Plant unlängst, bei jedem neuen Projekt und jedem weiteren Konzert komme er sich wie ein Sisyphus vor, der den gleichen Stein den gleichen steilen Hügel hinaufrollen müsse. Der Weg des geringsten Widerstands war aber nie sein Weg, und dass ist gut so. In Basel hat der würdig ergraute Sisyphus die Bergspitze einmal mehr erreicht.
Event-Halle, Basel. Messeplatz, Donnerstag, 17. Oktober, bis Freitag, 8. November, jeweils 20 Uhr. www.baloisesession.ch
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