Real Madrid gewinnt die Champions LeagueReal glaubt an seine Stärke – und schlägt dann zu
Die Königlichen müssen auch im Final gegen Liverpool leiden. Am Ende setzen sie sich durch, weil sie nicht nervös werden.
Da steht Carlo Ancelotti auf dem Pariser Rasen und sagt in ein Mikrofon: «What can I say?» Wieder gewonnen, könnte er zum Beispiel sagen. Zum Beweis hängt eine Medaille um seinen Hals, die x-te in seinem Leben als Spieler und Trainer.
Es ist wieder eine Nacht der Nächte für Ancelotti und Real Madrid, «für diese wunderbare Mannschaft, diesen tollen Verein, diese starken Charaktere», sagt er, als ihm nach dem 1:0 im Final der Champions League gegen den FC Liverpool dann doch noch etwas einfällt.
Die Fussball-Welt rätselt, wer derzeit nun der grösste Trainer ist, Pep Guardiola oder doch Jürgen Klopp, der Tüftler oder der Charismatiker. Vielleicht heisst die Antwort einfach Ancelotti. Er ist weder Taktik-Nerd noch trägt er seine Emotionen gross nach aussen, er ist einfach der bald 63-jährige Italiener, der Titel um Titel gewinnt. In allen fünf grossen Ligen hat er die Meisterschaft gewonnen, das hat ausser ihm keiner geschafft. Und vier Champions-League-Titel hat ausser ihm auch keiner. (Lesen Sie hier mehr dazu, was ihn so erfolgreich macht.)
In seiner Autobiografie, 2016 erschienen, Name: «Carlo Ancelotti», schreibt er über seine Lust am Essen. «Ich futtere wie ein Pferd und bin glücklich dabei», erzählt er, «im Essen bin ich italienischer Meister, Europa- und Weltmeister.» Offenbar haben es ihm Tortellini besonders angetan. Und so heisst ein Satz von ihm auch: «Im Ernstfall lieber Tortellini – aber am allerliebsten den Pokal.»
Eigentlich sollte er gar nicht bei Real sein, wo er schon 2014 die Champions League gewonnen hatte. Zumindest war das nicht geplant, als er sich in seiner Funktion als Trainer von Everton in Madrid nach Spielern erkundigte. Weil er gerade am Reden war, fragte er auch noch, wie es mit der Suche nach dem Nachfolger von Zinédine Zidane aussehe. Am Ende bot er sich gleich selbst an.
Perfekte Betriebsanleitung
Darum ist er jetzt da, hochgeschätzt von Klopp, seinem Gegenspieler im Pariser Final, und von seinen Spielern. Er hat das Gespür für die Situation, welchen Spielern er wann vertrauen muss. Dass diese Spieler eine derartige Unerschütterlichkeit entwickelt haben, muss auch an ihm liegen. Der in diesem Final grossartige Verteidiger David Alaba sagt: «Der Glaube, den wir diese Saison haben, ist unglaublich. Wir werden nicht nervös. Wir glauben an unsere Stärken. Und dann schlagen wir zu.» Das tönt nach der perfekten Betriebsanleitung, wie man Titel gewinnt.
Real verliert in der Gruppenphase sein zweites Spiel daheim gegen Sheriff Tiraspol 1:2, das grosse Real steht blamiert da. Und macht weiter. In La Liga gibt es den einen oder anderen Rumpler, wie im März das 0:4 daheim gegen Barcelona. Aber was ist schon passiert? Der Vorsprung beträgt weiter neun Punkte. Und dann eben all diese K.-o.-Runden in der Champions League mit den grossen Wenden: im Achtelfinal gegen Paris St-Germain nach einem 0:2 im Zwischenstand noch 3:2 gewonnen; im Viertelfinal gegen Chelsea schon 0:3 zurück, aber in der Verlängerung gelingt noch das rettende 2:3; im Halbfinal gegen Manchester City eigentlich aussichtslos zurück, aber was ist schon aussichtslos bei Real? Es gewinnt noch 3:1.
Gegen Liverpool muss Real leiden, weil Liverpool gleich viel Druck erzeugt. Es braucht erste Paraden von Thibaut Courtois, um den Rückstand zu verhindern. Der Belgier wird zur Wand, an der vor allem Mohamed Salah so oft abprallt, zuletzt in der 82. Minute. Die Statistik sagt: neun Paraden von Courtois, null von Liverpools Alisson Becker. «Wenn der Goalie des Gegners der Man of the Match ist, dann ist das immer eine Scheissnachricht», sagt Klopp später.
Auf einmal schlagen die Madrilenen selbst zu, wie es Alaba sagt. Und gehen in Führung. Vinicius Junior gelingt nach einem Zuspiel von Federico Valverde in der 59. Minute das Tor, das zugleich das Siegtor ist. Valverde habe selbst schiessen wollen, vermutet Klopp. Aber der Schuss wird zur perfekten Vorlage. Vinicius profitiert in diesem Moment davon, dass Trent Alexander-Arnold ein einziges Mal nicht auf ihn aufgepasst hat.
14 Titel hat Real in der Champions League geholt, doppelt so viele wie Milan als Nummer 2. Die spanischen Mannschaften liefern noch eine Statistik, die etwas Einschüchterndes hat. 17 Endspiele haben sie seit 2001 gegen nicht spanische Mannschaften in Champions und Europa League bestritten, alle haben sie für sich entschieden. Als Garnitur kommen noch vier innerspanische Finals dazu.
Klopps falsche Niederlagen
Bei Real haben nun viele Spieler fünf Titel in der Königsklasse. Da ist Karim Benzema am Ende seiner wohl besten Saison überhaupt, Luka Modric, der mit 36 weiterhin auf einem wunderbaren Niveau spielt, oder auch Toni Kroos. Vor acht Jahren wurde er von Bayern München nicht gerade mit warmen Worten verabschiedet, der Club hatte nichts unternommen, um ihn wirklich zu halten. Jetzt hat auch er gleich viele Titel wie Cristiano Ronaldo.
Das Spiel gegen Liverpool ist erst ein paar Minuten zu Ende, steht Kroos beim ZDF vor der Kamera. Er ist noch auf Betriebstemperatur, als der Reporter ihn fragt, ob er überrascht gewesen sei, dass Real so in Bedrängnis gekommen sei. «Also», faucht er zurück, «du hattest 90 Minuten Zeit, dir eine vernünftige Frage zu überlegen. Und dann stellst du mir zwei so Scheissfragen.» Kroos bricht das Interview noch während der nächsten Frage ab und läuft davon. Als er später den Pokal sieht, strahlt er wieder.
Die Sieger stehen Spalier, als die Liverpooler ihre Medaillen abholen. Vorneweg marschiert Klopp, vorbei an Ancelotti, den er zuvor innig umarmt hat. In den Tagen zuvor hat er über ihn gesagt: «Ich finde keine Worte, um den Respekt auszudrücken, den ich für ihn habe.»
Nach der Niederlage muss er davon berichten, wie «brutal» sie sich anfühlt, wie «extrem» die Erschöpfung seiner Spieler sei und wie «maximal» die Enttäuschung. Zwei Titel haben die Liverpooler diese Saison gewonnen, im FA-Cup und im Ligacup, jeweils gegen Chelsea im Elfmeterschiessen. Was sie da an Glück gehabt haben, hat ihnen dafür in der Premier League gefehlt und nun gegen Real. Ihre Bilanz ist aussergewöhnlich, sie haben nur 4 von 63 Spielen verloren. Pech ist, dass sie die falschen Spiele verloren haben.
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