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«Drag Story Time» in Zürich
Hunderte unterstützen Lesestunde – Pfiffe für Trychler

Ein Freiheitstrychler demonstriert vor der Pestalozzi-Bibliothek in Zürich Oerlikon gegen die «Drag Story Time».
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Eine Vorlesestunde, an der Kindern die Vielfalt der Geschlechter aufgezeigt werden soll, machte am Samstagmittag bei der Pestalozzi-Bibliothek in Oerlikon ein grosses Aufgebot der Stadtpolizei nötig.

Grund war eine vorerst nicht bewilligte «Mahnwache» aus Corona-kritischen und verschwörungstheoretischen Kreisen. Die Pestalozzi-Bibliothek hatte auch einen privaten Sicherheitsdienst.

Bunte Strassen, geschminkte Kinder

Die SP, Ortssektion Zürich-Nord, hatte Mitglieder und Freunde für 11 Uhr zum Widerstand gegen die Demonstranten in der Pestalozzi-Bibliothek bestellt. Weshalb sich schon zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn weit über 100 Sympathisantinnen und Sympathisanten vor und in der Bibliothek versammelten.

Schon zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn haben sich rund 100 Sympathisantinnen und Sympathisanten der Vorlesung versammelt.

Auch einige Kinder waren da, meist geschminkt. Die Strasse vor dem Gebäude beim Bahnhof Oerlikon war mit Kreide bemalt und sah aus wie ein Kinderspielplatz. Von den Gegendemonstranten war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen. Die Polizei hielt sich im Hintergrund.

Auch mit Konfetti-Regen zeigten die Sympathisantinnen und Sympathisanten ihre Unterstützung für den Anlass.

Vor Ort waren auch linke Politiker, etwa Juso-Präsident und Kantonsrat Nicola Siegrist sowie AL-Kantonsrätin Anne-Claude Hensch. «Ich bin hier, weil das meine Bibliothek ist und ich nicht will, dass hier eine Kinderstunde politisiert wird», begründete Hensch ihre Anwesenheit.

Gemäss Felix Hüppi, Direktor der Bibliothek, waren rund 300 Sympathisantinnen und Sympathisanten für einen Sit-in-Protest in der Bibliothek. Zeitweise wurden keine Leute mehr hineingelassen. In der Bibliothek sassen die Leute friedlich zwischen den Büchergestellen. 

Bewilligung für Gegner

Die Gegendemonstranten hatten in letzter Minute noch eine spontane Bewilligung für eine Kundgebung bekommen, wie der Einsatzleiter der Stadtpolizei vor Ort sagte. Allerdings durfte die Kundgebung nicht vor der Bibliothek stattfinden, sondern auf dem Max-Frisch-Platz – auf der anderen Seite des Bahnhofs Oerlikon. Dort blieb es allerdings den ganzen Mittag ruhig, und es tauchte kein Mensch auf.

Stattdessen trudelten einige Gegner der «Drag Story Time» vor der Bibliothek ein und mischten sich unter Hunderte dort wartende Beschützerinnen und Beschützer der Veranstaltung. Die Gruppe der Gegner setzte sich aus nicht mehr als drei Dutzend Leuten zusammen, darunter einige Männer in Trychler-Hemden.

Nur einmal wurde es etwas lauter: als ein einsamer Trychler mit seinen Glocken aufmarschierte. Er wurde ausgepfiffen und mit Konfetti und Seifenblasen eingedeckt. Ein Beamter in Zivil führte den Mann ab, er wurde etwas abseits von der Polizei kontrolliert.

Wie bestellt und nicht abgeholt: Ein Trychler auf dem Weg zur Bibliothek.
Wer der Mann ist, will die Polizei genau wissen und kontrolliert ihn deshalb.

Die wenigen Demonstranten zeigten sich enttäuscht über den spärlichen Aufmarsch. Einer ärgerte sich lautstark, dass nicht einmal Mass-voll-Chef Nicolas Rimoldi gekommen war.

Die Gegner bezeichnen die «Drag Story Time», die von der Pädagogin und Schauspielerin Brandy Butler organisiert wurde, unter anderem als «satanistisch». Konkret lesen an solchen Veranstaltungen Dragqueens oder -Kings den Kindern Geschichten vor. Das sind Verkleidungskünstlerinnen und -künstler, die jeweils in andere Geschlechterrollen schlüpfen.

Wie Brandy Butler auf Anfrage mitteilte, war in Oerlikon neben ihr nur ein Dragking dabei. Journalisten durften nicht an der Lesung teilnehmen. Laut Bibliotheksdirektor Felix Hüppi waren etwa 100 Kinder und 50 Begleitpersonen am Anlass. Leider habe man zehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn noch einige Kinder und Eltern abweisen müssen. 

Solche Vorlesenachmittage für Kinder finden in Zürich schon seit mehreren Jahren statt. Im Herbst 2022 gerieten die Anlässe erstmals in den Fokus von Neonazis. Aktivsten der «jungen Tat» störten einen Anlass im Tanzhaus.

Die «Gender»-Diskussion wird in der Schweiz zunehmend aggressiv geführt. So musste an der Schule Stäfa letzte Woche ein «Gender-Tag» abgesagt werden. Grund waren Sicherheitsbedenken der Polizei, nachdem der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner auf den sozialen Medien die Kontakte von Angestellten der Schule öffentlich gemacht hatte und diese in der Folge massiv bedroht wurden.