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Dubioser Kriminalfall im Baselbiet
Polizei ermittelt gegen Achtjährigen wegen Spielgeld

Chinesisches Totengeld, mit blau aufgedruckten Schriftzeichen auf normalem Papier, ohne etwelche Sicherheitsmerkmale. Das Wort Specimen wurde für diese Publikation hinzugefügt, um nicht eine weitere übereifrige Polizeiaktion auszulösen.
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Zwei Brüder im Alter von 8 und 10 Jahren sammelten von der Fastnacht in Sissach Geldscheine auf, die von einer Clique aus Jux unter die Menge geworfen war. Es handelte sich dabei um falsche Euroscheine auf gewöhnlichem, relieflosem Papier, ohne Sicherheitsmerkmale wie Wasserzeichen und Satelliten-Hologramm. Ende April probierten die beiden Brüder im Dorfladen von Diegten das aufgelesene Spielgeld aus. Der Achtjährige fragte die Verkäuferin, ob man mit diesen Noten etwas kaufen könne. Die Verkäuferin erkannte sofort, dass es kein echtes Geld war.

Die Frau sagte den Kindern, das sei unhöflich, sie sollen den Laden verlassen, sonst würde sie die Polizei rufen. Die beiden Knaben, begleitet von einem älteren Nachbarsmädchen, verliessen das Geschäft umgehend. Dennoch fühlte sich das Laden-Personal verpflichtet, die Polizei einzuschalten. «Es sind unsere Bestimmungen, von der Zentrale sind wir so angewiesen worden», begründet die Filialleiterin diesen Schritt.

Wie Verbrecher fotografiert

Ein sichtlich ambitionierter Polizist des Baselbieter Korps nahm sich der Sache an. Er brauchte gut einen Monat , um schliesslich die beiden Buben ausfindig zu machen und vorzuknöpfen, für «eine unschöne Tat, die gewiss keine Kleinigkeit ist», wie der Beamte den Eltern erklärte. Ausserdem handle es sich um «ein Offizialdelikt». Die Mutter reagierte aufgelöst: «Wir kooperieren, und ich stelle mich voll und ganz der Verantwortung, habe ich dem Polizisten gesagt. Aber dann musste ich heulen wie ein Schlosshund, weil ich das Schlimmste erwartete.» Beim Besuch präsentierte der Polizist den Eltern drei Bilder, die als Beweismittel herhalten sollten. «Sie zeigen, wie der Achtjährige und das Mädchen vor der Kasse stehen. Mehr nicht», erinnert sich die Mutter.

Anschliessend wurden beiden Buben vor die Kastenwand gestellt und sowohl im Profil als auch frontal wie Verbrecher fotografiert. «Der war geradezu enttäuscht, dass er den Achtjährigen als ‘Täter’ identifizieren musste und nicht unseren zehnjährigen Sohn», sagt der Vater. Beim Zehnjährigen hätte man ein Verfahren bei der Jugendanwaltschaft einfädeln können, der Achtjährige ist aber noch nicht einmal strafmündig. «Und uns hat der Beamte gesagt, er werde eine Hausdurchsuchung einleiten, würde weiteres Spielgeld auftauchen», erklären die Eltern. Wie auf dem Sicherstellungs- und Beschlagnahmungsprotokoll vermerkt ist, wurden dann «drei Mal 50 Euro Spielgeld, zwei Mal 20 Euro Spielgeld, fünf Mal 10 Euro Spielgeld und drei Mal 5 Euro Spielgeld» beschlagnahmt. Dies zur Verhinderung von Straftaten – wie es auf dem Formular heisst.

«Komme ich ins Gefängnis, Mami?»

Die Befragung fand ohne Rechtsmittelbelehrung für die Kinder statt. Nach der dreistündigen Prozedur fragte der Achtjährige: «Komme ich jetzt ins Gefängnis, Mami?» Das natürlich nicht, dafür ist der Bub aktenkundig bis ins Jahr 2032. Erst dann wird der Eintrag gelöscht. Dafür müssen die Eltern mit ihren beiden Knaben zum Präventionsgespräch mit dem polizeilichen Jugenddienst antraben.

Auf den Polizisten wartet auch noch Arbeit. Er muss das Mädchen, das die Brüder begleitete, noch verhören.