Arrivederci Piaggio ApeDas Aus für das kultige Italo-Dreirad
Die Ape ist die letzte Überlebende einer untergegangenen Epoche, als die Autos noch klein und die Welt übersichtlich war. Zum Jahresende wird die Produktion in Italien eingestellt. Ein Abgesang.

- Die Produktion der Ape wird in Italien aufgrund strenger Vorschriften eingestellt.
- Die Vespa bleibt weiterhin ein beliebtes Verkehrs- und Kultobjekt in Italien.
- Piaggio produziert die Ape weiterhin in Indien für den asiatischen Markt.
- Design und Zweck der Ape haben viele Generationen in Italien geprägt.
Die Vespa prägt nicht nur das Verkehrsbild in Italien, sondern ist auch in der Schweiz nach wie vor beliebt. Eher selten sieht man dafür auf Schweizer Strassen die Ape, die Biene, das wendige Lastenfahrzeug, das in Italien fleissig seine Dienste tut. Piaggio, die italienische Herstellerfirma, hat ihre Fahrzeuge liebevoll nach den beiden Insekten benannt.
Aber nun soll das eine aussterben: die Ape.
Die Wespe bleibt – und die Biene verschwindet. Jedenfalls in Italien, das bekanntlich in den wichtigen Fragen des Lebens das Mass aller Dinge ist. In Rom beispielsweise, gefühlt die Hauptstadt der Welt, piekst die Vespa den Autofahrer, die Autofahrerin. Nirgends ist man vor ihr sicher. Ob es nun wirklich eine Vespa ist oder nicht, die Gattungsbezeichnung gilt auch für andere Zweiräder: Kaum schaltet die Ampel auf Rot, fällt ein Schwarm von ihnen über die wartenden Autos her, sie schieben sich vor, neben, hinter sie, und bei Grün sind sie als Erste auf und davon.
Made in Italy
Die Vespa ist und bleibt allgegenwärtig, nicht nur in Rom, auch in jeder anderen Stadt, in jedem Dorf und auch im Ausland. Eine Institution, pures «Made in Italy», wie das die rechtsnationale Regierung von Giorgia Meloni gern hat, weshalb sie ihr Wirtschaftsministerium so benannt hat: Ministero delle Imprese e del Made in Italy. Ab jetzt keine Politik mehr in diesem Text, versprochen!

Die Vespa heisst Vespa, weil sie eine schmale Hüfte hat, dort, wo die Fahrerin oder der Fahrer die Füsse aufstellt, aber einen breiten Lenker vorn und einen dicken Hintern, auf dem man zu zweit sitzen kann und sogar auch zu dritt. Sie kommt aus einer anderen Zeit, schwacher Motor, Retrodesign, aber sie behauptet sich im hochmotorisierten Zeitalter, in dem die Autos immer grösser, stromlinienförmiger und austauschbarer werden, allerdings auch, wenn es gut geht, leiser und schadstoffärmer. Natürlich geht auch die Vespa mit der Zeit und kommt auf Wunsch elektrisch daher, aber so richtig cool ist sie dann nicht mehr.
Dann kam Hollywood
Dass sie so aussieht, die Vespa, ist dem Unternehmer Enrico Piaggio und seinem Chefingenieur Corradino D’Ascanio zu verdanken, zwei Flugzeugbauern, denen die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg das Rüstungsgeschäft versagten, weshalb die Firma sich etwas einfallen lassen musste, um weiter am Markt zu bleiben.
Also stellte Piaggio schon 1946 ein Zweirad her, das dem Nachkriegsitaliener etwas mehr Bewegungsmöglichkeiten bot als das Fahrrad. Ein Massenverkehrsmittel, das genau in seine Zeit passte. Praktisch, rundlich, emotional. Dann kam Hollywood, und wenn die Italienerinnen und Italiener noch nicht gewusst haben sollten, was Piaggio ihnen da Kultiges hingestellt hatte, dann lernten sie es in Filmen wie «Ein Herz und eine Krone», in dem Gregory Peck für alle Zeiten Audrey Hepburn durch Rom fährt.

Auch heute noch, mehr als 70 Jahre später, gibt es jede Menge Wespen in Rom, aber schon lange so gut wie keine Bienen mehr – also jene Lastenroller, die Piaggio bereits ein Jahr nach der Vespa, 1947, an den Start brachte. Ape, die grosse Schwester, das war ja eigentlich auch eine Vespa, in der Taille durchgeschnitten und hinten um eine Starrachse mit zwei Rädern und einer Ladefläche ergänzt.
Die Motorisierung entsprach der Vespa, ein 125-Kubikzentimeter-Motor, zwei PS mussten reichen, um 200 Kilogramm Nutzlast vom Fleck zu bringen, später auch ein Mehrfaches davon. Die Ape war einfach und preiswert in einer Zeit, da sich noch kaum jemand ein Auto leisten konnte.
Vorn blieb alles beim Alten, ein Lenker mit Griffen, die bei längerer Fahrt die Handgelenke schmerzen lassen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Idee, den Lenkbügel durch ein Lenkrad zu ersetzen, war nicht von Dauer. Die Vespa-Bank quergestellt, kein Radio und keine Heizung, Fensterchen zum Aufklappen. Erst war sogar alles offen, das Cockpit und die Ladefläche. Letztere wuchs dann zur Kabine, der Fahrer blieb zunächst im Freien, wie das Personal bei der Postkutsche im Wilden Westen. Später kam auch vorn eine Kabine dazu, dafür gab es dann das Hinterteil wahlweise offen oder geschlossen. Mit der Zeit wurde die Ape eckiger, aber auch vielseitiger.
Es lohnt sich, durchs Internet zu klicken. Es gibt so viele Modelle. Die Ape als Müllauto, als Tanklaster, als Foodtruck, sogar mit Pizzaofen (Neapel-Style), als Bücherstand oder Mini-Kleiderboutique, als Cross-Ape mit Überrollbügel, als Taxi mit offener Fahrgastkabine. Aber meistens: die klassische Ape mit der offenen Ladefläche. Sie war der motorisierte Esel der Bauern, der Händler, der Handwerker, sie knatterte durch enge Gassen und auf sonnige Hügel. Ein Arbeitstier.
Auch junge Paare fuhren Ape
Auf der Vespa, sagt man, sitzen hippe, junge Menschen, in der Ape grimmige alte Männer. Aber so stimmt das ja nicht. Die schönsten Bilder im Kopf erinnern an das alte Ehepaar, das gemeinsam von der Feldarbeit kam, Schulter an Schulter eingeklemmt im Cockpit. Auch junge Paare fuhren Ape, selbst mit Kindern. In den 1970er-Jahren eroberte sich die Ape sogar die Jugend, mit dem 50-Kubikzentimeter-Zweitaktmotor konnte sie ohne Führerschein mit 14 Jahren gefahren werden, Tempo 40 und mit ein paar Handgriffen auch deutlich mehr. Auch heute steht die Ape mitten im Verkehr.
Noch ist das so. Doch jetzt weiss man – und die Firma Piaggio hat es vor einigen Tagen bestätigt: Ende des Jahres ist Schluss im Werk Pontedera bei Pisa. Es sind die europaweiten Sicherheits- und Abgasvorschriften, die der Ape den Garaus machen, so wie Dünger und Gift der Biene – die eine muss jetzt also der anderen helfen.
Ape aus Indien
Aber gemach, noch ist nicht aller Ape Abend. Mehr als zwei Millionen Exemplare sind über die Jahrzehnte gebaut worden, in so einfacher und damit langlebiger Machart, dass sie noch lange im Alltag zu sehen sein werden. Vielleicht nicht mehr in Rom und nicht in Mailand – aber draussen auf dem Land wohl doch.
Und dann wird die Ape ja weiterhin im fernen Indien gebaut. Piaggio hat 1999 in Baramati eine Produktion eröffnet, rund 200’0000 Dreiräder laufen da jährlich vom Band, darunter die Ape Calessino als motorisierte Rikscha.

Made in Italy ist das dann aber nicht mehr.
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