Hauptdarsteller verletztEr ist das neue «Phantom» der Oper in Basel
Vor wenigen Tagen musste der britische Sänger Simon Whitaker die Titelrolle im Erfolgsmusical übernehmen. Im Interview spricht der junge Londoner über den Alltag hinter den Kulissen.
Seit dem 6. November 2024 residiert die Londoner Produktion von Andrew Lloyd Webbers «Phantom of the Opera» im Musical-Theater Basel. Weil Nadim Naaman, der die Titelrolle bis anhin bekleidet hatte, wegen einer Verletzung ausfällt, spielt Simon Whitaker jetzt das «Phantom» in Basel. Der Engländer ist Absolvent der renommierten Royal Academy of Music in London, wo er 2019 ein Studium im Fach Musiktheater abschloss. In Basel bekleidet Whitaker die Rolle des «Phantoms» zum ersten Mal in seiner Karriere.
Herr Whitaker, vielen Dank dafür, dass Sie mich an einem Showtag empfangen. Wie lange müssen Sie sich auf den Moment vorbereiten, wo Sie als «Phantom» auf die Bühne gehen?
Mein Job beginnt bereits in dem Moment, wo ich aus dem Bett steige. Dann schiesse ich mich mental und stimmlich auf meinen nächsten Auftritt ein, damit ich dann eine gute Performance abliefern kann. Zur Vorbereitung gehören natürlich auch die Prothesen, mit denen mein Gesicht «verunstaltet» wird. Sie helfen mir, mich auch physisch in die Figur des «Phantoms» einzufinden.
Wann haben Sie erfahren, dass Sie die Rolle des «Phantom» von Nadim Naaman übernehmen werden?
Wenn ich mich recht erinnere, war das am vergangenen Mittwoch. Wobei das nicht das erste Mal war, dass ich das «Phantom» in Basel gespielt habe. Es gab vorher schon Abende, an denen Nadim Naaman nicht zur Verfügung stand. Jetzt, wo er eine Achillessehne gerissen hat, werde ich das «Phantom» bis zum Schluss unseres Gastspiels im Musical-Theater spielen. Für mich ist das beruflich und auch persönlich eine grosse Kiste. Ich bin seit meiner Jugend ein Fan von «Phantom of the Opera», aber Basel ist die erste Stadt, in der ich die Titelrolle bekleiden darf.
Was heisst es, bei einer grossen Produktion wie «Phantom of the Opera» plötzlich vom Ensemblemitglied in die Titelrolle gehievt zu werden?
Bei einer Show wie dieser kommt es immer wieder vor, dass man für einen anderen Darsteller oder eine andere Darstellerin einspringen muss. Vier Stunden vor Showtime teilt unsere Company-Managerin Sharon Spiers uns mit, wie wir am kommenden Abend aufgestellt sein werden. Wir ziehen alle am selben Strick, damit diese aufwendige Show Nacht für Nacht stattfinden kann. Darum gibt es in der Company auch keine Neider, die mir die Rolle des «Phantoms» nicht gönnen.
Ist es für Sie sehr anstrengend, das «Phantom» achtmal die Woche spielen zu müssen?
Das «Phantom» ist eine herausfordernde Rolle, weil die Figur gegen viele gegensätzliche Gefühle ankämpfen und ansingen muss. Das bedeutet, dass ich mich jetzt noch besser auf meinen Auftritt vorbereiten muss. Das «Phantom» steht aber nicht konstant auf der Bühne. Während der Show kriege ich zwischendurch immer wieder Verschnaufpausen. Ganz anders sieht es bei der Figur der Christine Daaé aus. Sie steht im Dauereinsatz und muss dazu noch einen äusserst anspruchsvollen Gesangspart bewältigen. Wo das «Phantom» nur Sprints einlegt, bestreitet Christine einen Marathonlauf. Aus diesem Grund enthält unsere Company auch ganze vier Darstellerinnen, die sich als Christine abwechseln.
Basel hat bekanntlich eine lange Geschichte mit «Phantom of the Opera». Wie wurde die aktuelle Produktion vom Basler Publikum aufgenommen?
Ich spüre eine enorme Wertschätzung, dass eine Produktion wie die unsere nach Basel gekommen ist. Dazu ein Beispiel: Ich habe kürzlich eine Nachricht von einer Frau erhalten, die 1997 beim ersten Basler «Phantom» dabei war und jetzt ihren sechsjährigen Sohn ins Musical-Theater mitgenommen hat. Dass mehrere Generationen unsere Show sehen wollen, hat mich tief berührt.
Wie viel haben Sie seit Ihrer Ankunft Anfang November von Basel und Umgebung gesehen?
Wenn man in eine neue Stadt kommt, versucht man, alle örtlichen Touristenattraktionen abzuklappern. Bei Basel bin ich noch dran. Weil Company und Crew im äussersten Zipfel von Basel unweit der deutschen Grenze einquartiert sind und ich zunächst von dort an die Erlenstrasse gependelt bin, hat es eine Weile gedauert, bis ich die Basler Altstadt und ihren wunderschönen Weihnachtsmarkt für mich entdeckt habe.
Haben Sie mitbekommen, dass die Basler Regierung das Musical-Theater in ein Hallenbad verwandeln will?
Nur am Rande. Es wäre ein grosser Verlust, würde das Musical-Theater geschlossen. Die Infrastruktur ist erstklassig und damit besser als in vielen Häusern, in die wir kommen. Ich finde es grossartig, dass das Referendum gegen die Schliessung ergriffen wurde. Von der direkten Demokratie, wie sie in Basel gelebt wird, können wir Briten und Britinnen nur träumen.
Basel, Musical-Theater, Erlenstrasse 1. Bis zum 22. Dezember, jeweils Dienstag bis Sonntag, wechselnde Showzeiten. www.musical.ch
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