Peter Stamm in Zürich«Was hätte ich davon, wenn ich über mich selbst schriebe?»
Der Schweizer Schriftsteller erzählt an drei Abenden im Literaturhaus Zürich von seiner Arbeit und warum er selbst als Romanfigur zu wenig hergeben würde.
«Autoren werden immer mit ihren Figuren gleichgesetzt, auch wenn man über Ausserirdische schreibt», sagt Peter Stamm und lächelt. «Eine Fantasie der Zeit» ist der Titel seiner aktuellen Poetikvorlesungen. An drei Abenden im November spricht der international erfolgreiche Schweizer Schriftsteller über seine Arbeit und verspricht, davon zu erzählen, welche Relevanz die Unterscheidung von Fiktion und Realität in seinem Schreiben hat.
Am ersten Abend ging es um seinen im Januar erschienenen Roman «In einer dunkelblauen Stunde». Er erzählt die Geschichte eines Schriftstellers, den ein Filmteam begleitet, während er an einem Roman arbeitet. Das Projekt scheitert, und Stamm lässt seinen Protagonisten Richard Wechsler nach einem Drittel des Romans bereits sterben.
Keine falsche Bescheidenheit
Über den Autor Stamm gab es dieses Jahr hingegen tatsächlich einen Dokumentarfilm «Wechselspiel», darüber, wie Stamm diesen Roman schrieb. Und wie viel Peter Stamm steckt denn in seiner Figur Richard Wechsler?
In jedem Buch sei viel von ihm selbst drin, erzählt Stamm, aber nicht in der Figur, sondern darin, wie seine Figur die Welt sehe und beschreibe. «Was hätte ich davon, wenn ich über mich selbst schriebe?», das sei für ihn fruchtlos. Das ginge nicht ohne falsche Bescheidenheit oder handkehrum eben Eitelkeit.
Aber wenn er als Autor also seine Verliebtheit in eine weibliche Figur seiner männlichen Figur im Roman leihe, dann halte er sich mit Avancen zurück, um kein «dirty old man» zu sein – und so auch nicht seine Figur Wechsler.
«Literatur muss immer ein Ernstfall sein.»
Dem Titel des ersten Abends «Eine Welt entsteht unter meinen Schritten» wird er gerecht und erzählt, wie die Geschichten beim Gehen entstehen. Man hört ihm gerne zu. Stamm erzählt ruhig, plastisch und mit einem gewissen Schalk, der aufblitzt, wenn man nicht mehr damit rechnet.
Wenn Stamm ein Video entdeckt, lässt er irgendwann seine Figur dieses in der Geschichte anschauen. Oder wenn er beim Schwimmen wegen fehlender Badekappe aus dem Wasser geholt wurde, sagte er seinen Figuren später irgendwann: «Nehmt Badekappen mit!»
In der ersten Vorlesung wird aber auch deutlich, womit Peter Stamm nichts anfangen kann. Jegliche Form des Aufschiebens habe in der Kunst keinen Platz. «Literatur muss immer ein Ernstfall sein.»
Die Zürcher Poetikvorlesung ist eine Zusammenarbeit des Literaturhauses Zürich mit dem Deutschen Seminar der Universität Zürich. Seit 25 Jahren werden Autorinnen und Autoren eingeladen, über ihre Arbeit zu reflektieren. Peter Stamm können Sie am 23. und 30. November nochmals im Literaturhaus erleben – oder online im Stream.
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