Die unterschätzte Macht der Fake-News
Faktenverdreher gab es schon immer. Neu ist aber die Geschwindigkeit, mit der sich Falschmeldungen ausbreiten – vor allem im Verborgenen.

Fake-News sind nichts Neues. Schon vor mehr als 3000 Jahren liess der ägyptische Pharao Ramses II. einen militärischen Siegin Stein meisseln. Es war eine Falschmeldung und trotzdem die Basis für Ramses' Ruhm und seine 66 Jahre dauernde Herrschaft. Später, um das Jahr 800, machte die katholische Kirche mittels einer gefälschten Urkunde ihren Anspruch auf Landgebiete geltend – darunter auch die heutige Vatikanstadt mitten in Rom.
Und im Jahr 1870 lösten Fake-News einen Krieg aus: Der preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck kürzte einen Brief der französischen Regierung an den preussischen König – die Emser Depesche – so geschickt, dass der Anschein entstand, Frankreich stelle Preussen ein Ultimatum. Der Text wurde der Presse zugespielt und provozierte einen einjährigen Krieg zwischen Frankreich und Preussen.
Unkontrollierte Verbreitung durch soziale Netzwerke
Fake-News haben also eine lange Tradition. Doch: «Sie haben sich noch nie derart rasant und unkontrollierbar verbreitet wie heute», sagt Mark Eisenegger, Medienwissenschaftler an der Universität Zürich. Dies durch das Internet und vor allem durch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter.
So haben mehrere Studien amerikanischer und italienischer Forscher gezeigt, dass die Menschen Falschmeldungen und Verschwörungstheorien auf Facebook öfter und über längere Zeit teilen als die Nachrichten seriöser Medien.
Auch in der Schweiz gibt es Fake-News
Auch in der Schweiz werden Fake-News produziert. So gibt es einige Onlineportale, die vor allem Halbwahrheiten und nicht belegbare Behauptungen verbreiten, beispielsweise Uncut-news.ch oder «Alles Schall und Rauch». Manche haben auf Facebook und Youtube Tausende Fans und Abonnenten. Welchen Einfluss solche Fake-News-Plattformen tatsächlich auf unsere Gesellschaft haben, weiss man nicht.
Zwar gibt es Fake-News, die leicht als solche zu erkennen sind – etwa jene, die während des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs um die Welt gingen. Eine davon lautete, Hillary Clinton betreibe in einer Pizzeria einen Pädophilenring. «Die meisten entlarven das als Fake- News», sagt Eisenegger. Schwieriger werde es, wenn verdrehte Fakten mit wahren Tatsachen vermischt sind.
Wie viele solche «Halb- oder Viertelwahrheiten», wie Eisenegger sie nennt, sich im Internet tummeln, ist unbekannt. Doch: «Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs», befürchtet er. Denn im Internet könne jeder etwas posten oder weiterverbreiten, ohne dass die Fakten jemals überprüft worden sind.
Vieles ist unsichtbar
Am meisten Sorgen macht dem Medienwissenschaftler aber, dass die Verbreitung von Fake-News zunehmend für die Öffentlichkeit unsichtbar abläuft. So können Fake-News heute über soziale Netzwerke gezielt an ein ausgewähltes Publikum gesendet werden. «Auf diese Weise treffen die Falschmeldungen von vornherein auf Menschen, bei denen sie auf fruchtbaren Boden fallen, und verbreiten sich von dort weiter», sagt Eisenegger.
«Möglich machen dies detaillierte Nutzerdaten, die Internetriesen wie Facebook und Google sammeln und weiterverkaufen.» Diese Firmen registrieren zum Beispiel, welche Websites Nutzer anschauen und wie weit sie in einem Text hinunterscrollen. Das Problem: Solche Vorgänge bemerkt die Öffentlichkeit nicht.
Wissenschaft muss dagegenhalten
«Hier muss die Wissenschaft deutlich aktiver werden», sagt Eisenegger. «Um gegen Fake-News vorzugehen, müssen wir sie besser verstehen.» Er selbst startet demnächst ein Forschungsprojekt, um zu untersuchen, welche Reichweite die Fake-News-Portale in der Schweiz haben.
Doch der Wissenschaftler fordert, dass auch Internetfirmen wie Facebook und Google ihre Verantwortung stärker wahrnehmen. Eine grosse Mehrheit der Bevölkerung befürwortet sogar ein Eingreifen des Staates, wie kürzlich eine Umfrage in Deutschland gezeigt hat. Darin sprechen sich 80 Prozent der Befragten für neue Gesetze aus, die soziale Netzwerke dazu verpflichten, Fake-News schneller zu löschen.
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