Eine Zeitreise in die Vergangenheit inklusive
Das Bündner Bergdorf ist vor allem als Endstation der Schlittelbahn Preda-Bergün bekannt. Doch das Dorf ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. So ist es möglich, eine Zeitreise zurück in die Geschichte des Kantons Graubünden zu machen.
Spätestens seit dem Frühsommer 2017 ist Bergün auch international ein Begriff. Das Fotografierverbot in der Bündner Berggemeinde schaffte es in die Schlagzeilen der internationalen Presse, auf Onlineportale und Fotoblogs in den USA und in Japan.
Der Marketinggag, den die Zürcher Kommunikationsagentur Jung von Matt zusammen mit dem Gemeindepräsidenten von Bergün, Peter Nicolay, lanciert hatte, wurde jedoch nicht nur gut aufgefasst. Sie löste in den sozialen Medien einen sogenannten Shitstorm aus. Es gab aggressive Kritik. Inzwischen ist das Fotografierverbot wieder aufgehoben, der Name Bergün aber bekannt gemacht.
Bekannt von der Durchreise
Das Dorf liegt idyllisch, eingebettet in das Tal am Fusse des Albulapasses. Die meisten Leute kennen es von ihrer Durchreise mit der Bahn ins Engadin – oder als Endstation der Schlittelbahn Preda-Bergün. Der Pass ist im Winter geschlossen, dafür wird die Strasse als Schlittelbahn genutzt.
Auch wir sind in den vergangenen Jahren jeweils im Winter mit dem Zug durch das Dorf gefahren. Je nach Wetter oder Uhrzeit stiegen in Bergün Leute zu, die nach ihrem Schlittelplausch ins Engadin zurückkehrten.
Doch das Dorf kann noch viel mehr. So wartet es mit Hängen auf, die im Sommer zum Wandern und im Winter zum Skifahren einladen – Bergün hat ein kleines, feines Skigebiet, das sich gut für Familien eignet. Und: In Bergün kann man eine Zeitreise zurück in die Geschichte des Kantons Graubünden machen. Das macht Fredo Falett deutlich, der uns in einer Führung das Dorf zeigt.
«Die Bauern waren Säumer und wie die Engadiner suchten viele von ihnen das Glück im Ausland.»
Der Bauer – er ist einer von insgesamt zehn, die noch in Bergün, Latsch und Sugl leben–, hat sich der Dorfgeschichte verschrieben. Sie ist sein Hobby. Er macht Dorfführungen während seine Frau Migga Falett ihrem Haus Gäste bewirtet (siehe Box). So waren denn auch schon Journalisten aus Holland und die Schweizer Boulvard-Presse bei ihnen zu Gast
Die Bauern waren Säumer
Wir erfahren von Fredo Falett, dass das Bergüner Dorfbild historisch geschützt ist. Viele der Häuser sind 300 bis 400 Jahre alt. Das älteste, das Haus Jenatsch, wurde 1554 erbaut und steht im Unterdorf. Die historischen Bergüner Häuser stammen aus der Zeit, in welcher sich das Dorf aus dem Besitz des Churer Bischofs frei kaufen konnte.
Neben der Viehwirtschaft bildete der Verkehr über den Albulapass ins Engadin eine der Lebensgrundlagen. «Die Bauern waren Säumer und wie die Engadiner suchten viele von ihnen das Glück im Ausland», sagt Falett.
Sie wanderten aus, dienten als Söldner oder liessen sich zu Zuckerbäckern ausbilden. Manche, darunter Faletts Urgrossvater, reisten bis nach Triest oder Odessa, um sich dort nieder zu lassen. Sie alle schickten Geld nach Hause. «Die Männer wanderten aus und die Zuhausegebliebenen investierten das Geld in die Häuser», weiss Falett. Sie ummantelten die ursprünglichen Holzhäuser mit dicken Steinmauern und bauten die typischen Kegelfenster ein. Ganz nach dem Vorbild der Steinhäuser im Engadin.
Gesellige Romanen
Oft wurden die Häuser gleichzeitig auch noch erweitert und die Flucht verändert. An krummen Fassaden, die sich in einer leichten Kurve der Strasse anpassen, ist das noch heute gut sichtbar. «Und da die Romanen es gerne gesellig mochten», erzählt Falett, «haben die Häuser einen grossen Eingang, eine gemeinsame Stube und einen Erker, von welchem aus die Bewohner die Strasse beobachten konnten.»
Der Stall befand sich ebenfalls im Haus. Davon zeugt der Abgang neben dem Haupteingang. Der Mist wurde zwischen Stall und Wohnbereich aufgehäuft. «Natürlich rochen die Dorfbewohner entsprechend. Da das aber bei allen so war, bemerkten sie es nicht mehr», schmunzelt er. Nur für Gäste, die in Bergün die Pferde wechselten, war der Geruch befremdlich. So soll sich Friedrich Nietzsche auf seiner Durchreise nach Sils Maria über den Geruch der Dorfbewohner ausgelassen haben.
Der Wohlstand wurde in den Häusern sichtbar
«Die Bergüner waren ein freies Volk und sicher auch deswegen in der Fremde als Geschäftsleute erfolgreich», sagt Falett. Manche der Auswanderer kehrten denn auch gar nicht mehr in das Bergdorf zurück. Andere, die wie Faletts Urgrossvater wieder heim kamen – er litt an einer Mehlallergie, hatten sich einen Wohlstand erarbeitet, der bis heute in den Häusern sichtbar ist.
Der Landadel und wohlhabende Familien wie die «von Salis», «von Plantas» oder «Juvaltas» investierten ebenfalls einen Teil ihres Vermögens in die prachtvollen Bürgerhäuser. Auch diese Häuser zeugen von der reichen Vergangenheit des Dorfes.
Die Recherechereise wurde unterstützt von Graubünden Ferien und Bergün Filisur Tourismus.
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