Bubentraum – Feuer und Flamme für Komik in der Manege
Seine Parodien sind beinahe besser als das Original. Aber Spass beiseite – vorerst. Komiker Peter Pfändler taucht bereits zum dritten Mal bei Salto Natale – diesmal im Programm «Fuego» – in vielschichtige Charaktere ab und lässt sie hochleben.

Peter Pfändler, nachdem Sie bereits mit Cony Sutter 2009 und 2015 im Salto Natale für Aufregung sorgten, stehenSie nun alleine im imaginärenSägemehlring. Endlich dieGelegenheit, auch einmalApplaus zu bekommen?Peter Pfändler (56): Ja unbedingt. Cony Sutter steht mir sowieso immer vor der Sonne. (lacht laut) Im ernst: Ich erfülle mir den Bubentraum, einmal alleine in der Zirkusmanege zu stehen. Irgendwie ist es für mich aber auch ein Heimkommen: Bevor ich begann, mit Cony als Sutter + Pfändler die Menschen zum Lachen zu bringen, hatte ich bereits eine eigene kleine Solo-Show.
Im «klassischen» Zirkussind es die Clowns, welche einzelne Nummern verbinden. Im Unterhaltungs-/Showzirkus oft Comedians. Worin liegtder Unterschied in der Art,das Publikum zu unterhalten?Im Grundsatz gibt es keine Unterschiede. Ziel der Clowns und Comedians ist, das Publikum zum Lachen zu bringen, manchmal auch zum Nachdenken. Die Mittel jedoch sind anders. Der Clown arbeitet mit weniger Wortanteil, dafür mit Kostüm, roter Nase, und spielt seine zeitlosen Streiche mit feinen Untertönen. Der Comedian hingegen verzichtet auf zu grosse Schuhe und Glatzenperücke, braucht aktuelle Situationen, um mit brachialen Vergleichen und mit robuster Verbalität das Publikum zu begeistern.
Auf Bühnenpartner kann man sich – in der Regel – verlassen. Jetzt spielen Sie alleine. Wasist das für ein Gefühl, so ohne Netz und doppelten Boden. Ein «nacktes»?Füdliblutt. Das ist präzise beobachtet. Sinnbildlich fühle ich mich ein wenig wie ein Pilot, der in einem einmotorigen Flugzeug über die Wüste fliegt und genau weiss: Wenn der Motor ausfällt, kommt das nicht gut.
Seit 18 Jahren sind Sie auf unzähligen Bühnen und vor TV-Kameras humoristisch unterwegs. Blieb Ihnen da nicht ab und an der Humor im Halse stecken? Weder meinem Bühnenpartner Cony Sutter noch mir – zum Glück. Aber manchmal unserem Umfeld. Wenn man etwa in der Findungsphase für eine neue Show ist, haut man dann und wann mal einen Spruch raus, der missverstanden wird. Das sind dann so die Momente, wo man halt einfach den inneren Rotstift ansetzt und diese Pointe streicht.
Wo hört bei Ihnen der Spass auf, und wo fängt er an?Witze über Prominente, Staatsstellen oder die Politik zu machen, gehört zum Geschäft des Comedians. Er ist ja eigentlich der Spiegel der Gesellschaft. Persönlich und beleidigend werden gegenüber Personen muss nicht sein und ist unnötig. Über Tabu- Themen müssen wir uns nicht unterhalten, das ist eine Frage der Ethik. Und dann gibt es ja immer wieder das Thema «Gürtellinie». Das ist letztendlich immer eine Toleranzfrage, wie hoch beim Empfänger diese ist. Es gibt eben auch Menschen, deren No-Go-Zone bereits unter den Achselhöhlen beginnt.
Ärger im Alltag, Sie fühlen sich krank. Gelingt es Ihnen, vor einer Show den Schalter umzulegen, oder legen Sie mit Ihrer «Laune» das Umfeld flach? Unterhaltung hat immer etwas mit Haltung zu tun. Wer den Schalter nicht umkippen kann, ist im falschen Beruf. Man muss auch mal auf die Zähne beissen und z. B. mit Fieber eine Vorstellung spielen. Es wäre ein Irrglaube zu meinen, dass es das Publikum interessiert, wie es dir wirklich geht. Die wollen Comedy. Die bezahlen, um sich amüsieren zu können, aber nicht, um zu sehen, dass es dir schlecht geht. Wer austeilt – das tun wir Comedians ja oft –, muss einstecken können, auch körperlich.
Geht es Ihnen nach einem Auftritt mit schlechten Vorzeichen besser? Oft vergisst man auf der Bühne seine Befindlichkeiten. Und man kommt mit einer ordentlichen Ladung Adrenalin zurück in die Garderobe. Das Problem beginnt bei der Heimreise: Man fährt innerlich runter, ist nach dem Jubel plötzlich alleine mit sich und seinen Gefühlen, hat Zeit, über die Situation nachzudenken. Dann kann es halt etwas unangenehm werden, oder man spürt wieder das Fieber oder den eingeklemmten Rückennerv.
Wenn was auf der Bühne schief geht, also richtig und vomPublikum schweisstriefendbemerkt …, haben Sie da einen «Plan B», oder hilft dann euer gleich benamstes Management?Unser Management hilft uns immer, überall und in jeder Situation. Spass beiseite und ganz ehrlich: So arrogant es klingt, aber so eine Situation bei Sutter + Pfändler ist undenkbar und gab es noch nie. Erstens, weil jede Panne Comedy ist und somit beste Unterhaltung. Zweitens, weil oft Pannen vom Publikum fälschlicherweise als gewollt analysiert werden, und drittens können wir genau in so einer Situation unser grösstes Talent ausspielen: die Improvisation.
Der Clown verzaubert dasPublikum meist ohne Worte, mit Mimik. Sie sind eher wortwuchtig. Ist Comedian die einfachere Disziplin als Komiker?Man darf das so nicht vergleichen, es sind zwei verschiedene Berufe. Man könnte sonst ja im Umkehrschluss sagen: Zieht der Clown nur die rote Nase an, weil er zu wenig wortgewandt ist? Oder ist der Geiger der schlechtere Musiker, nur weil er nicht die Oper singt?
Zählen wir Sie mal zu den Komikern. Gibt es in Ihrem Genre Vorbilder – tot oder lebendig –, die abgefärbt haben?Zu was soll man mich denn sonst zählen? Jeder von uns hat Vorbilder. Michael Mittermaier etwa ist vermutlich der grösste Fan von Jerry Lewis. Rolf Knie schaut noch heute zu Charly Chaplin hoch. Cony Sutter mag Jürgen von der Lippe, und ich lache wegen Steve Martin.
Sie krallen sich Figuren desAlltags und stellen dieseüberzeichnet dar. Oder haben Sie tatsächlich solche teilsverschrobenen Charaktereangetroffen?Als Comedian entwickelt man ein Sensorium für komische Situationen, beobachtet anders als Otto Normalverbraucher. Manchmal erlebt man deshalb Dinge, die auf der Bühne so nachgespielt gänzlich übertrieben wirken würden. Sicher ist aber: Da draussen laufen Figuren rum, die zum Brüllen komisch sind, aber niemand nimmt sie zur Kenntnis.
Als welche Ihrer Parodien-Figuren könnten Sie leben, liegt Ihnen eine autobiografisch nahe?Es gibt einige. Bemerkenswert ist das Leben von Bob-Olympiasieger Hausi Leutenegger. Dabei rede ich weniger von seinem Geld als vielmehr von seiner Leistung, wie ein Mensch aus ärmsten Verhältnissen mit Fleiss, Willen – okay auch mit Glück – nach ganz oben kommen kann, und trotzdem immer noch am liebsten Bratwurst mit Pürli oder Hackbraten mit Kartoffelstock isst.
Apropos: Wie nahe lassen Sie die Figuren an sich selber ran?So schnell wie ich in der Rolle drin bin, so schnell bin ich wieder draussen. Muss ich auch, denn die nächste Rolle wartet ja schon auf den Einsatz.
Worin sind Sie besondersgeschickt, und zu welcher «Meisterschaft» würden Sie oder darf man Sie keinesfalls antreten lassen?Wenn wir von der Bühne reden: Es ist allgemein bekannt, dass ich ein ziemliches Multitalent bin. Singen, Tanzen, Parodieren. Ich bin aber ein mieser Kopfrechner. Das geht bei mir immer schief.
Wenn Sie erneut die «Berufs»-Wahl hätten, würden Sie wieder irgendwie ins Rampenlicht drängen oder lieber die Seite wechseln und schreibend Kritik z. B. an Comedians üben?Einer der Jobs, den ich nie machen werde, ist Kritiker. Das ist mir zu destruktiv, zu negativ. Auch wenn ich den verstorbenen Literaturpapst und Vater aller Kritiker, Marcel Reich-Ranicki, liebend gerne imitierte. Müsste ich aber heute mit dem Beruf des Comedians nochmals beginnen – in meinem Alter –, würde ich abwinken und mich vielleicht mehr auf das Schreiben von Sketches für Kollegen konzentrieren.
Was tun Sie eigentlichauf der Salto-Natale-Bühne, haben Sie eine Funktion?(lacht lauthals) Was tut wohl der Komiker auf der Bühne? Er ist komisch. Zumindest versucht er es. Und genau das ist meine Funktion – ich habe das Publikum zum Lachen zu bringen. Nicht mehr und nicht weniger. Aber eine Funktion, etwa stellvertretender Stellvertreter des Stellvertretenden Stellvertreters habe ich nicht bei Salto Natale. Ich bin Peter Pfändler Comedy und somit einer vom Team.
Sie sind nun schon zum dritten Mal bei dieser «Weihnachts-Show» dabei. Fühlen Siesich wie zu Hause?Unbedingt. Wenn ich an das Team vom Ticketing oder die PR-Abteilung denke, an die polnische Zeltbauer-Truppe, die seit Jahren dabei ist, oder die Schneiderin aus Moldawien. Wenn ich auf die internationalen Musiker treffe, und wenn ich Rolf und Gregory Knie sehe, ist das wie meine Familie. Es gibt diese magische Verbindung untereinander, die sich nicht in Worte fassen lässt. Und all die neuen Artisten und Tänzer, die erst vor ein paar Tagen aus dem Ausland angereist kamen, verschmelzen erfahrungsgemäss in den nächsten Wochen zu einer homogenen, familiären Gemeinschaft. Es ist wunderbar.
Gibt es da so etwas wieFamilien-Groove?Ich glaube, dass sich Artisten, ganz ähnlich wie Menschen, die in der Aviatik arbeiten, weltweit als Familie sehen. Die unausgesprochene Verbindung aufgrund einer einmaligen Arbeit ist einfach genial.
Haben Sie Freundschaftengeschlossen?Und wie. 2009 sass ich in der Garderobe neben Roberto aus Argentinien, der heute in Las Vegas lebt und arbeitet. Wir schreiben uns regelmässig. Und 2015 sass ich neben einem Akrobaten aus Russland. Wir chatten wöchentlich und verfolgen mit Freude die gegenseitigen Karrieren, Facebook und Instagram sei Dank. Eine wirkliche Freundschaft entwickelte sich mit den spanischen Ton- und Lichtmeistern: Jährliche Treffen sind ein Must.
Finden das z. B. asiatische Artisten-Völklein und die Herrender spitzen Worte zusammen?Da war diese zehnköpfige Truppe aus Nordkoreanern mit ihrer wahnsinnigen Schleuderbrettnummer. Ich war der einzige «Westler», der diese Truppe knacken konnte und bis zum Schluss mit ihnen gelacht und rumgealbert hat. Mir half damals mein komödiantisches Talent, Menschen zu imitieren. Selber haben sie sich aber erst aufgemacht, als sie verstanden, dass meine Fröhlichkeit ihnen gegenüber ehrlich und von Herzen ist.
Nach der Spielzeit wird eswieder ziemlich ruhig um Sie herum …, aber Sie haben ja noch den Cony ... Im Herbst 2018 gibt es ein neues Programm von euch. Zuvor diverseVorpremieren …Warum soll es ruhig werden? Sutter + Pfändler sind aber so was von laut unterwegs. (lacht) Ab April gehts schon in die ersten Tryouts, das wird sehr laut, glauben Sie mir. Laut ob all den Lachern. Denn die vorbereiteten und geschriebenen Nummern versprechen wirklich gut anzukommen. Was in der Show leicht und locker aussieht, ist harte und disziplinierte Arbeit im Vorfeld.
Will man Erwartungenerfüllen, weil man weiss,worauf das Publikumanspricht, und dennochauch Neues wagen oder?Wir dürfen zum Glück auf etwas Erfahrung zurückgreifen und wissen etwa, was funktionieren könnte und was nicht. Aber: Es gibt kein Rezept für garantiertes Gelingen. Sicher ist nur: Wer nie Neues wagt, bleibt stehen, das ist der Anfang vom Ende. Man muss sich dem Zeitgeist anpassen können, neue Wege probieren. Viel mehr, als eine Nummer, die nicht funktioniert, wieder aus dem Programm zu kippen, kann nicht passieren.
Ich nehme an, 20 Jahre Sutter + Pfändler sollten zu schaffen sein. Gibt es konkrete Jubiläumspläne (ausser Best-off- CD), Tickets fürs Hallenstadion?Ich mag ihren schwarzen Humor – sollte zu schaffen sein. Hallo? Natürlich schaffen wir das, ganz im Gegenteil. Wir wissen einfach noch nicht, ob wir im Stade de Suisse oder doch lieber im Letzigrund feiern wollen. Spass beiseite: Bis in den Herbst machen wir viele Firmen-Events und Privatanlässe. Dann kommen wir mit dem neuen abendfüllenden Programm in die Theater und lassen es auf unserer 6. Tournee bis etwa 2020 in der ganzen Schweiz krachen. Ich denke, das ist doch eine lange und hübsche Jubiläumsfeier, nicht?
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