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Neue Königin
Auf dieser 27-Jährigen ruhen die Hoffnungen der Maori

New Maori queen, twenty-seven-year-old Nga Wai hono i te po Paki, attends the funeral ceremony of New Zealand's Maori King Tuheitia at the Turangawaewae Marae in Ngaruawahia on September 5, 2024. A council of New Zealand's indigenous Maori chiefs anointed a new queen on September 5, as a flotilla of war canoes readied to transport her father, the late monarch, for burial on a sacred mountain. Nga Wai hono i te po Paki -- a surprise choice to be the next Maori leader -- was cheered as she sat atop a high-backed wooden throne. (Photo by DJ MILLS / AFP)
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Die Königin der Maori zu werden, war für Ngā Wai Hono i te Pō Paki sicher kein Kindheitstraum, im Gegenteil. Sie bekam ja schon als junges Mädchen mit, was ihr Vater, Tūheitia Pōtatau Te Wherowhero VII., durchmachen musste als Ureinwohner-König von Aotearoa, wie Neuseeland in der Sprache der Maori heisst: diese ständigen Zerreissproben in einer Heimat, die von weissen Einwanderern beherrscht wird, diese Kämpfe um bessere Chancen für die eigenen Leute. Ngā Wai Hono i te Pō Paki beschäftigte das.

Vor acht Jahren wurde sie dazu in einer Fernsehdokumentation befragt. Sie war 19, hatte noch nicht ihr «Moko Kauae», das traditionelle Kinn-Tattoo, mit dem Maori-Frauen den Stolz auf ihre Herkunft zeigen. Und als erste Wahl für die Nachfolge ihres Vaters galt nicht sie, sondern Whatumoana Paki, der ältere ihrer beiden grossen Brüder. Trotzdem hatte sie die Aussicht vor Augen, eines Tages den Thron des Kiingitanga, der Maori-Königsbewegung, besteigen zu müssen. Der Gedanke daran bewegte sie. Sie nannte ihn «in gewisser Weise beängstigend».

Und nun ist sie also tatsächlich keine normale Miss Paki mehr. Sondern Te Arikinui Kuīni Ngā Wai Hono i te Pō, die königliche Hoheit der Maori, dabei ist sie immer noch erst 27.

Nachfolgerin von Maori-König Tūheitia

Tūheitia ist tot, gestorben am 30. August nach einer Herzoperation im Alter von 69 Jahren. Die Tochter hat sein Erbe angetreten. Seit der Gründung des Kiingitanga 1858 ist sie die achte Person, die der maorischen Vielvölker-Welt als einende moralische Instanz dient. Sie ist die zweite Frau auf dem Thron – nach ihrer Grossmutter Te Atairangikaahu – und die Erste aus einer neuen selbstbewussten Ureinwohner-Generation. Viele Maori sehen in ihr die Chance auf mehr Mut im Streit um indigene Rechte und Teilhabe.

Und so lag eine seltsame Atmosphäre zwischen Abschied und Aufbruch am vergangenen Donnerstag über dem zentralen Versammlungsort der maorischen Monarchie in Ngāruawāhia auf Neuseelands Nordinsel. Tausende waren gekommen, um dem verstorbenen König am sechsten Tag der Trauerfeierlichkeiten das letzte Geleit zu geben.

Gleichzeitig wollten sie die neue Königin begrüssen. Es gibt keine streng geregelte Erbfolge im Kiingitanga. Trotzdem war es keine Überraschung, dass der zwölfköpfige Kiingitanga-Beirat aus Vertretern verschiedener Maori-Völker Ngā Wai Hono i te Pō als neue Führerin wählte. Die Krone sollte in der Familie des ersten Königs Pōtatau Te Wherowhero bleiben. Gleichzeitig waren ihre Brüder wegen diverser Eskapaden keine geeigneten Kandidaten mehr.

Beerdigung auf dem Fluss Waikato

Die junge Tochter nahm also am Tag der Beerdigung auf dem Holzthron neben dem Sarg des Königs Platz. Ngā Wai Hono i te Pō trug einen Kranz aus Farnblättern und hob kaum den Blick, als die Zeremonie ihren Lauf nahm. Sie wurde mit heiligen Ölen gesalbt und gesegnet mit derselben Bibel, mit der vor 164 Jahren schon der erste Maori-König gesegnet worden war. Später setzte sich eine Prozession aus Kanus auf dem Fluss Waikato in Bewegung, um Tūheitia zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Berg Taupiri zu bringen. Tänze und Gesang begleiteten die Männer, die den Sarg den steilen Anstieg hinauftrugen.

Kiingi Tuheitia's successor and now Maori Queen Nga Wai hono i te po Paki (C) looks on as Maori warriors paddle waka canoes down towards Taupiri Maunga during the funeral ceremony of New Zealand's Maori King Tuheitia Pootatau Te Wherowhero VII in Ngaruawahia on September 5, 2024. New Zealand's Maori chiefs anointed a 27-year-old queen as their new monarch on September 5, a surprise choice hailed as a symbol of change for the country's sometimes troubled Indigenous community. Nga Wai hono i te po Paki was cheered by thousands as she climbed atop a high-backed wooden throne during an elaborate ceremony on the country's North Island. (Photo by DJ MILLS / AFP)

Die laute, andächtige Feier war ein Manifest für die Kraft der Maori-Kultur. Die Kiingitanga wurde in den ersten Jahrzehnten nach der Ankunft der Europäer gegründet, um die Maori-Völker zu vereinen im Kampf um Selbstbestimmung. Sie hat im Grunde keine Macht und keinen gesetzlichen Status.

Nach Machtwechsel wurden diverse Reformen zurückgedreht

Sie kann nichts daran ändern, dass Neuseeland als Commonwealth-Staat dem britischen König Charles untersteht. Aber sie ist ein wichtiger Identifikationsfaktor für Neuseelands indigene Bevölkerung, eine geschätzte Institution mit Symbolkraft. Deshalb begleiten die neue Königin grosse Hoffnungen.

Gerade jetzt, denn seit vergangenem Herbst regiert in Neuseeland eine rechte Koalition mit der libertären und maorifeindlichen Randpartei ACT. Das Bündnis hat diverse Reformen zurückgedreht, die die Sprache der Maori würdigen sowie soziale Benachteiligungen auffangen sollten. Sogar Zweifel an der Interpretation des Vertrags von Waitangi, den Maori-Häuptlinge 1840 mit der britischen Krone aushandelten, sind in der Koalition erlaubt. Premierminister Christopher Luxon sagt zwar immer wieder, dass Letzteres nur ein formales Zugeständnis an ACT gewesen sei. Aber das allein ist ein Problem für die Maori, die lange um ihre vertraglich gesicherten Rechte kämpfen mussten.

Neue Maori-Generation

Es gab Massenproteste gegen diese Politik. König Tūheitia hielt im Januar eine Versammlung im Kiingitanga-Zentrum ab, um die Lage zu erörtern. Und er beruhigte seine Leute. «Der beste Protest, den wir Maori jetzt machen können, ist, so zu sein, wie wir sind», sagte er. Ngā Wai Hono i te Pō klang damals zorniger.

Maori warriors participate during the funeral ceremony of New Zealand's Maori King Tuheitia Pootatau Te Wherowhero VII in Ngaruawahia on September 5, 2024. New Zealand's Maori chiefs anointed a 27-year-old queen as their new monarch on September 5, a surprise choice hailed as a symbol of change for the country's sometimes troubled Indigenous community. Nga Wai hono i te po Paki was cheered by thousands as she climbed atop a high-backed wooden throne during an elaborate ceremony on the country's North Island. (Photo by DJ MILLS / AFP)

«Es liegt an uns, der neuen Maori-Generation, die Verantwortung zu übernehmen und ein Beispiel für unsere ältere Generation zu sein», rief sie in einer Ansprache. Und nun fragen sich viele, wie sich der Ton der Kiingitanga wohl ändern wird mit ihr. Es gibt jedenfalls grosse Unterschiede zwischen ihrem Werdegang und dem ihres Vaters. König Tūheitia stammte aus einer Generation, die sich dem weissen Mainstream unterordnen musste und ihre Kultur eher kleinlaut auslebte. Bevor Tūheitia auf den Thron kam, war er ein Kraftfahrer, der gern Autos reparierte und Rugby schaute. Seine Stärke als König war seine leise Entschlossenheit.

Ngā Wai Hono i te Pō hingegen stammt aus der sogenannten Kōhanga-Reo-Generation, benannt nach einer Bildungsoffensive der Maori, die ab den Achtzigerjahren dem Aussterben ihrer Sprache entgegenwirkte. Worte und Werte ihres Volkes flossen ganz natürlich in sie hinein. Sie musste sich nicht verstecken.

Nach der Oberschule jobbte sie in einer traditionellen Maori-Tanzgruppe auf einem Kreuzfahrtschiff. An der Universität Waikato schloss sie ein Studium der Maori-Kultur ab. Bereitwillig begleitete sie ihren Vater später auf Termine oder liess sich von ihm für repräsentative Aufgaben einspannen. Sie muss dabei immer auch auf ihr Temperament achten. Das sagte sie selbst, als sie den König 2022 bei einem Besuch in England vertrat. Charles war damals noch Prinz, sie traf ihn in London und freute sich darauf. Aber sie kannte eben auch die Geschichte, die Verdrängung durch die Briten, deren Vertragsbrüche und die Abfuhr, die ihr Vorfahr König Tāwhiao kassierte, als er 1884 mit einer Delegation nach London reiste, um Königin Victoria eine Petition zu überreichen. Ngā Wai Hono i te Pō hatte gemischte Gefühle und sagte: «Ich habe eine grosse Klappe, also muss ich vorsichtig sein.»

Als Königin muss sie erst recht vorsichtig sein. Der Kampf um die eigenen Rechte wird mit der rechten Regierung wieder härter. Ngā Wai Hono i te Pō wird den richtigen Ton finden müssen, nicht zu laut, um die Gegner nicht überflüssig zu reizen, und nicht zu leise, damit die Ansprüche der Maori nicht überhört werden. Einen und streiten – das ist die Aufgabe der neuen Königin. Viele in der verzweigten Ureinwohnerwelt sind davon überzeugt, dass Ngā Wai Hono i te Pō beides sehr gut kann.