Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Neue Dimension der Gewalt gegen Polizisten erreicht»

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es ist eine weitere Eskalationsstufe von Gewalt gegen Polizisten, die sich am Samstagabend ereignet hat. Kurz nach 23 Uhr wurden die Stadtpolizei Zürich und die Sanität alarmiert, weil es an der Seepromenade am Utoquai zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Männern gekommen war. Dabei war ein 18-jähriger staatenloser Mann mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden. Die Ärzte mussten ihn im Spital notoperieren. Zwei gleichaltrige Kollegen, ein Syrer und ein Libyer, wurden ebenfalls leicht verletzt. Die unbekannten Täter konnten fliehen.

Als die Rettungskräfte vor Ort eintrafen, wurden sie von zahlreichen, zum Teil vermummten Unbekannte mit Flaschen und Steinen angegriffen. Dabei wurden zwei Polizisten verletzt. Umgehend wurde Verstärkung angefordert, damit die Sanität zum Verletzten vordringen konnte. Auch ein Wasserwerfer musste eingesetzt werden. Bei den Angreifern handelte es sich laut einer Polizeimitteilung um mutmassliche FCZ-Fans.

Gaffer solidarisieren sich

Die Polizei und die Sanität waren während des Rettungseinsatzes immer wieder gezielt mit Flaschen und Steinen attackiert worden. Laut Stadtpolizeisprecherin Judith Hödl bewarfen zu Beginn mehrere Dutzend Personen in FCZ-Fankleidung die Polizisten mit Steinen und Flaschen. Später hätten sich mehrere Hundert Personen und Gaffer mit den Fans solidarisiert und die Polizisten ebenfalls angegriffen. Deshalb habe man mehrfach Gummischrot und Reizstoff einsetzen müssen. So gelang es, den Mob zurückzudrängen.

Erst nach 1.30 Uhr beruhigte sich die Situation allmählich. Ein 18-jähriger mutmasslicher Flaschenwerfer aus Afghanistan wurde verhaftet. Die Bellerivestrasse war während über zweier Stunden für den Verkehr komplett gesperrt. Angaben über weitere verletzte Personen lagen bis gestern Abend nicht vor. Die Stadtpolizei sucht Zeugen, die Angaben zu den Angreifern am späten Samstagabend beim Sechseläutenplatz sowie am Utoquai machen können. Ebenso nimmt die Polizei in diesem Zusammenhang auch Foto- und Videoaufnahmen zu den geschilderten Vorfällen entgegen.

Polizei sucht nach Ursachen

Dass Polizisten vermehrt angegriffen werden, ist nicht neu. Besonders gravierend sei dies, wenn die Polizisten einen Rettungseinsatz begleiteten, sagt Hödl: «Dies ist ein absolut inakzeptables Verhalten, wo doch der Faktor Zeit bei einem Schwerverletzten entscheidend ist.»

Sie könne sich an keinen Vorfall in dieser Dimension wie am Samstagabend erinnern, obwohl in den vergangenen Jahren sowohl Polizei als auch Rettungskräfte immer wieder mal von Unbeteiligten grundlos angegriffen worden seien.

Häufung seit 2016

Gezielte Angriffe auf Polizisten werden in Zürich seit Anfang 2016 öfter beobachtet. In nicht einmal zwei Monaten wurde die Polizei damals in sechs Fällen gezielt angegriffen. In einer anonymen Stellungnahme erklärten linksextreme Gruppen darauf die Gewalt mit der Repression der Polizei: «Wolffs Polizei» enge ein, hiess es. Sie versuche, «mit Repression Bewegungen und Widerstand auf der Strasse zu unterdrücken». An Demonstrationen skandieren Autonome: «Ganz Zürich hasst die Polizei!»

Als Reaktion auf die zunehmende Gewalt rief der damalige Vorsteher des Sicherheitsdepartements, Richard Wolff, 2016 die Arbeitsgruppe Pius ins Leben. «Pius» steht für «Polizeiarbeit in urbanen Spannungsfeldern». Es ist unterteilt in mehrere Teilprojekte. In einem untersuchte die Gruppe die Ursachen der Gewalt gegen Beamte aus Gruppen heraus. Das Projekt wurde im vergangenen Frühling abgeschlossen. Daraus resultierten eine Reihe von Massnahmen, wie etwa der Einsatz von Polizisten mit Bodycams, temporäre Kameras an Brennpunkten und Dialogteams an Grossveranstaltungen.

Karin Rykart (Grüne), die dem Sicherheitsdepartement mittlerweile vorsteht, verurteilt die Angriffe auf die Polizei, wollte gestern aber nicht ausführlich Stellung nehmen. Laut ihrem Sprecher werde sie die Sachlage eingehend prüfen.

Ungelöstes Problem

Die Angriffe gegen die Polizisten bleiben vorerst ein ungelöstes Problem. Dies zeigen neben den Ausschreitungen von gestern zwei ähnliche Vorfälle, die sich an zwei Mai-Wochenenden ebenfalls an der Zürcher Seepromenade ereignet hatten. Am 13. Mai griffen Unbekannte Polizisten an, als sie einen Mann kontrollierten, der sie zuvor beschimpft hatte. Ein Polizist wurde dabei leicht verletzt. Die Beamten mussten Gummischrot und Tränengas einsetzen, um den aggressiven Mob in Schach zu halten.

Eine Woche später warf ein Mann ein Glas gegen die Frontscheibe eines vorbeifahrenden Polizeiautos. Als die Polizisten den Mann verhaften wollten, solidarisierten sich Drittpersonen und bewarfen die Beamten mit Glasflaschen. Die Polizei musste Gummischrot und Tränengas einsetzen. In beiden Fällen gab es keine Hinweise darauf, dass es sich bei der Täterschaft um Fussballfans handelt.

Dass GC- oder FCZ-Fans aber nicht vor Gewalt gegen Polizisten zurückschrecken, beweisen zwei weitere Vorfälle in diesem Jahr: Am 10. Mai griffen mutmassliche GC-Anhänger eine Streifenwagenpatrouille an, als diese an der Heinrichstrasse zwei Sprayer kontrollierte. Und am 27. Februar waren es FCZ-Fans, die im Niederdorf zwei zivile Polizisten angriffen. Einer rettete sich mit einem Sprung aus rund vier Metern Höhe von einer Mauer. Der andere zog seine Dienstwaffe und konnte sich in Sicherheit bringen.

FCZ distanziert sich

Weshalb die FCZ-Fans sich gestern an der Seepromenade aufhielten, ist unklar. Am Abend zuvor hatte der FC Zürich in Basel die Cup-Partie gegen den FC Concordia Basel ausgetragen. Der FCZ schrieb gestern auf seiner Website, dass 800 Fans am Samstag nach Basel gereist seien und um 21 Uhr ohne Zwischenfälle wieder im Zürcher Hauptbahnhof eingetroffen seien. Danach hätten sich die Fanwege getrennt. «Die Vorfälle, die sich zwei Stunden später am Bellevue und an der Seepromenade zugetragen haben, entziehen sich unserer Kenntnis und haben nichts mit dem Auswärtsspiel in Basel zu tun», schreibt der FC Zürich. Er verurteilt die Gewalt aufs Schärfste.