Tansania bekommt erste PräsidentinNach dem Corona-Leugner soll eine Frau das Land retten
Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan übernimmt von John Magufuli und beteuert, dieser sei nicht an Covid-19 gestorben. Das Land braucht dringend Massnahmen gegen die Pandemie.

Statt Distanz zu halten und Masken zu tragen, empfahl er Gebete und Dampfbäder, nun ist Tansanias Präsident John Magufuli, der die Gefahren der Pandemie so herunterspielte, tot. Es wird spekuliert, dass er an Covid-19 gestorben ist. Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan erklärte in einer Fernsehansprache, dass Magufuli an einer Herzkrankheit gestorben sei. Zu den Spekulationen verlor sie kein Wort.
Hassan, 61 Jahre alt, wird nun die Nachfolgerin des bekanntesten Corona-Skeptikers Afrikas und sechstes Staatsoberhaupt Tansanias. Gemäss der Verfassung wird sie vereidigt, um die fünfjährige Amtszeit Magufulis zu beenden, die mit dessen Wiederwahl im Oktober begann. Sie stammt aus der halbautonomen Region Sansibar, die zu 99 Prozent muslimisch ist. Tansania hatte seit der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft 1961 keine einzige Frau in einem führenden politischen Amt. Im Jahr 2015 wurde sie Vizepräsidentin.
Die erste Frau im Kabinett
Nach einem Verwaltungsstudium und einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Manchester im Jahr 1994 arbeitete sie für das UNO-Welternährungsprogramm, danach hatte Hassan in der Verwaltung Sansibars verschiedene Posten inne. Ihre politische Karriere begann im Jahr 2000: Sie wurde ins Repräsentantenhaus von Sansibar gewählt. Später wurde sie dort zur Ministerin ernannt, die erste Frau im Kabinett der Region. Ihre männlichen Kollegen hätten zunächst auf sie «herabgeschaut», wie sie vor einigen Jahren der tansanischen Zeitung «Daily News» erzählte.
Dass sie nun als erste Person aus Sansibar – und erst recht als Frau – an die Spitze des Landes rücke, passe einigen hartgesottenen Magufuli-Anhängern und christlichen Nationalisten nicht in den Kram, schreiben lokale Medien. Anderen Berichten zufolge geniesst sie in der Regierungspartei aber durchaus Rückhalt und ist gerade bei Muslimen beliebt. Nach dem Tod ihres Vorgängers kündigte sie nun eine 14-tägige Staatstrauer an.

Magufuli war seit Ende Februar nicht mehr öffentlich gesehen worden, was Gerüchte über seinen Gesundheitszustand befeuerte. Regierungsvertreter hatten eine Covid-19-Erkrankung immer wieder dementiert, aber auch nicht gesagt, woran er denn leide. Zuletzt soll er in Nairobi behandelt worden sein.
Als Magufuli 2015 zum Präsidenten gewählt worden war, wurde er zunächst für seine Bemühungen gelobt, Korruption zu bekämpfen und Tansanias Infrastruktur zu verbessern. Dann allerdings führte er das Land zunehmend von der Demokratie weg. Schon bald bezeichneten ihn viele als «tingatinga», als Bulldozer, da er systematisch versuchte, Andersdenkende mundtot zu machen.
«Coronavirus, ein Teufel, kann im Leib Christi nicht überleben. Es wird sofort brennen.»
Vor allem mit Beginn der Pandemie machte dieser «tingatinga» immer wieder von sich reden, indem er Zweifel an der Wirksamkeit von Masken und Tests äusserte und die Menschen aufforderte zu beten. «Coronavirus, ein Teufel, kann im Leib Christi nicht überleben. Es wird sofort brennen», sagte er. Seit Mai hatte die Regierung keine Angaben zu Infektionszahlen veröffentlicht und sich geweigert, Impfstoffe zu kaufen. Im Juni gab Magufuli schliesslich bekannt, das Virus sei durch drei Tage Gebet in Tansania ausgerottet worden. Vor kurzem brach der katholische Erzbischof sein Schweigen und mahnte, Vorkehrungen zur Eindämmung des Virus zu beachten. Zuvor waren zahlreiche Nonnen und Priester gestorben.
Welche Richtung die neue Präsidentin nun einschlägt und ob sie die populistische Linie ihres Vorgängers weiterführt, dürfte sich rasch zeigen. Es ist fast unmöglich, das wahre Ausmass der Pandemie in Tansania einzuschätzen. Während Regierungsbeamte den Tansaniern ein Smoothie-Rezept mit Ingwer, Zwiebeln und Pfeffer für das Immunsystem empfehlen, berichten Medien immer wieder über Menschen, die um Familienmitglieder trauern, die an dem Virus starben, das es angeblich gar nicht gibt.
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