«Musicstar»-RevivalNur einmal teilt Chris von Rohr aus – dann aber richtig
Nach 20 Jahren liess SRF seine erfolgreichste Castingshow wieder aufleben. Wie damals stand der Altrocker im Zentrum – wenn auch anders als gedacht.
Das Erstaunlichste waren die Rückblicke: Wenn «Musicstar»-Kandidaten damals ihre Wohnorte besuchten, wurden sie von riesigen Menschenmengen und Blasmusik empfangen – wie wenn ein frisch gekürter Ski-Olympiasieger und ein neuer Nationalratspräsident gemeinsam heimkehrten. Auch die Zuschauerzahlen erscheinen heute surreal: In der ersten Staffel 2004 hatte die Sendung über eine Million Zuschauer, das Finale sogar 1,6 Millionen. Es gab Public-Viewings wie bei einer Fussball-WM.
Das Fernsehen zog damals mit einer eigenen Unterhaltungskiste das ganze Land in den Bann, alle redeten am nächsten Tag darüber – unvorstellbar heute in der Zeit von Social Media.
Für das Revival lud SRF die bekanntesten Kandidaten und Juroren wieder ein. Sie schwelgten nicht nur in Nostalgie, acht von ihnen traten erneut zum Wettbewerb um den «Musicstar 2024» an. Wie beim Original gab es nach jedem Song ein Juryurteil, nur die Tafeln mit den Noten fehlten.
Verkitschte Beatles-Version machte ihn sprachlos
Viel zum Erfolg der Schweizer Castingshow beigetragen hatte einst Chris von Rohr. Der Rockmusiker war mit seinen virtuosen Wortkreationen und seiner Erfahrung das Herz der Sendung – ähnlich wie Dieter Bohlen bei «Deutschland sucht den Superstar», allerdings auf deutlich empathischere Art. Sein Ausspruch «Meh Dräck!» wurde zum nationalen Kulturgut.
Am Samstag stellte von Rohr allerdings gleich klar: «Ich kann mich nicht mehr ganz mit dem Juror von früher identifizieren.» Ohne Moderatorin Viola Tami – von Rohr ist mit ihr und ihrem Ehemann Roman Kilchsperger befreundet – wäre er nicht gekommen, sagte er. «Ich will nicht mehr so urteilen, rauf und runter, sondern einfach die Musiker feiern.» Denn Musik sei in dieser turbulenten Zeit Medizin, «die wir alle brauchen».
Tönt sympathisch, aber nicht nach guter Unterhaltung. Tatsächlich war die sich stets wiederholende Lobhudelei der Jury das Langweiligste an der Sendung. Doch ausgerechnet Chris von Rohr scherte einmal aus – und zwar völlig zu Recht. Nachdem Kandidat Leo Ritzmann eine mit Zuckerguss überzogene deutschsprachige Version des Beatles-Klassikers «Yesterday» geschnulzt hatte und die Juroren Arabella Kiesbauer und Detlef D. Soost dies auch noch überschwänglich lobten, sagte von Rohr: «Ich bin sprachlos.» Ihm komme nur der Spruch in den Sinn: «Hättest du geschwiegen, wärst du weise geblieben.» Mehr wolle er nicht sagen. Wohltuend ehrlich, wie er ist, tat er es dann doch: «Mir als Beatles-Fan der ersten Stunde: Da chunts mir obsi.»
Baschi und Louves überstrahlten alle
Von den vielen Kandidatinnen und Kandidaten der vier Staffeln konnten sich nur zwei im Showgeschäft richtig durchsetzen: Fabienne Louves und Baschi. Ihre Performances überragten auch in der Revival-Show bei weitem. Baschi sang eine ganz eigene Version von Patent Ochsners «Bälpmoos», Fabienne Louves ehrte Tina Turner mit «The Best». Die beiden Überflieger zeigten auch, wie unterschiedlich man altern kann: Während Fabienne Louves im Vergleich zu vor 20 Jahren enorm an Grandezza zugelegt hat – sie sieht besser aus denn je, wie ein Hollywoodstar –, wuchs der einstige Mädchenschwarm Baschi vor allem in die Breite.
Den Wettbewerb aber gewann am Ende mit Katharina Michel eine andere. Die Kandidaten erkoren die Siegerin bei einer internen Wahl selbst, es gab kein Telefonvoting wie früher. Nicht etwa, weil man den Zusammenbruch des Telefonnetzes fürchtete, wie das in der ersten Staffel tatsächlich geschehen war, sondern weil es sich um eine Aufzeichnung handelte. Obschon die Moderatoren Viola Tami und Sven Epiney alles dafür taten, künstlich Spannung zu erzeugen, schien die Wahl kaum jemanden zu berühren. Für alle war die Sendung vor allem eines: ein grosses Klassentreffen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.