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Skandinavien entdecken
Mit dem Postschiff der norwegischen Küste entlang

Grün unterwegs: Das Schiff der Havila ist mit einer der leistungsstärksten Batterien für Passagierschiffe aus gestattet. Lautlos und energie­sparend verlässt es den Trollfjord.
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Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie

Am zweiten Abend meiner Reise entlang der norwegischen Küste umwehte mich mit dem aufkommenden Nachtwind ein eigenartiges Gefühl, das ich mir selber zunächst nicht recht erklären konnte. Ich befand mich auf dem Panoramadeck des hochmodernen, kürzlich vom Stapel gelaufenen Havila-Passagierschiffs mit Hybridantrieb und hatte soeben einen Küstenabschnitt fotografiert: eine Landzunge mit Birkenhain, darauf eine rote Holzhütte mit weissen Tür- und Fensterrahmen, wie sie in Norwegen vielerorts zu sehen ist. Nur dass auf dem flach ansteigenden Dach wilde Gräser und Zwergsträucher wuchsen.

Mir war ein schönes Bild gelungen, wie ich befand, während ich im Liegestuhl nach dem Apérol Spritz griff und mich zurücklehnte. Die Mitternachtssonne stand tief und beleuchtete fasrige Wolkenbänder, wie sie entstehen können, wenn Warmluftmassen emporsteigen. Demnächst würde die Sonne zu einem Drittel unter den Horizont tauchen, um kurz darauf, in den ersten Minuten des neuen Tages, aufzusteigen und die Landzunge, die Hütte und das fein gerippte Meer mit dem rotgolden schimmernden Farbton alter Münzen zu überziehen. In der Ferne fielen Berghänge ins Violette.

Himmlisches Schauspiel: Nördlich des Polarkreises bleibt die Sonne im Sommer auch um Mitternacht über dem Horizont.

Da wehte mich von der anderen Seite der Reling dieses Gefühl an, von dem ich nicht sogleich wusste, wie ich es einordnen sollte. War es ein Ahnen, Sehnen? Es fühlte sich an wie verliebt sein, wenn die Hoffnung gross, die Erfüllung ungewiss ist und alles Erleben zauberhaft intensiv und dicht.

Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Infos finden Sie hier

Schon zu Beginn meiner Reise war mein Empfinden vielversprechend. Vorfreudig. Erwartungsvoll. Ich ahnte, als ich in Kirkenes im Norden Norwegens an Bord des Havila-Schiffs ging, dass mich eine grossartige Fahrt erwartete. Bizarr geformte Klippen, felsflankierte Meer­engen, sagenhafte Schluchten, traditionelle Fischerdörfer an schwungvollen Küsten und Städte mit imposanten Bauten wie der Eismeerkathedrale in Tromsø, die aussieht wie aneinandergeschichtete Packeisschollen, oder dem reich verzierten gotischen Nidaros-Dom in Trondheim.

Trondheim mags bunt: Arbeiterviertel Bakk­landet.

Die Reederei Havila Kystruten befährt die über 2700 Kilometer lange Küste zwischen Kirkenes und Bergen auf derselben nord- und südgehenden Route wie die legendäre Hurtigrute und gilt als «die schönste Küstenreise der Welt». In zwölf Tagen legt das Havila-Postschiff an 34 Häfen an, um die Dörfer und Städte mit Waren und Post zu versorgen. Dank dem warmen Golfstrom ist die Küste das ganze Jahr hindurch eisfrei.

Lautlos und umweltfreundlich

Das Havila-Schiff selbst war ein Ereignis. Erst ­wenige Wochen zuvor hatte es seine Heimatwerft für die Jungfernfahrt verlassen. Es ist mit einer der weltweit grössten Elektrobatterien für Passagierschiffe ausgestattet. Dank dieser nutzt das Schiff die unterwegs erzeugte Energie und stösst bis zu 25 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid aus, während es lautlos durch die Inselwelt Norwegens kreuzt. Das macht es zum umweltfreundlichsten Postschiff der Küste.

Legendäre Route: Havila-Schiffe fahren unter der Flagge der norwegischen Post.

Das flatschneue Schiff ist komfortabel eingerichtet. Die lockere Anordnung der Birkenholztische und Sofasessel erzeugt den Eindruck skandinavischer Ungezwungenheit und Freiheit. Eigenschaften, die ich mir fernab von meinem verplanten und vernutzten Alltag wünschte.

Als das Havila-Schiff in Kirkenes unter einem schlierenfreien Himmel auslief, verwehte denn auch der beissend frische Wind der Barentssee nicht nur mein Haar. Mir war, als atmete ich in der polarnahen, arktisch sauberen Luft auf. Ich genoss die Weite des Blicks und die Kraft, mit der das Schiff die heranrollenden Wogen schnitt. Fasziniert sah ich vom Vorderdeck aus zu, wie die Wellen gegen die von Winden und Wellen zerfressenen, kargen, fast schwarzen Klippen brandeten. Alles erschien mir aufregend, verheissungsvoll.

Ich war im Fluss des Reisens und buchte für den ersten Morgen einen Land­ausflug per Bus zum Nordkap Plateau mit dem stählernen Globus, der den nördlichsten Punkt des europäischen Festlands symbolisiert. Von dort schaute ich zur Erdkrümmung. Irgendwo dahinter lag der Nordpol. Über mir flappten Küstenseeschwalben mit ihren roten Schnäbeln und schwarzen Kopfkappen.

Der nördlichste Punkt Europas: Die Felsnase des Nordkaps mit dem stählernen Globus reckt sich Richtung Nordpol.

Meine zu Hause gehegten Hoffnungen schienen sich zu erfüllen. Auf dem Havila-Schiff war alles darauf ausgerichtet, dass ich einen Zustand glückseliger Zufriedenheit erlangen konnte. Vom Fitnessraum über die Saunen und die zwei warmen Sprudelbäder auf dem Panoramadeck bis hin zum Essen à la carte mit Lachsschaum-Brioches, Moltebeerkompott auf Ren, Kabeljau auf Erbsenpüree und anderen Leckerbissen mit regionalen Zutaten. Serviert von einem Personal, das sich Zeit für einen Schwatz nimmt, gute Laune verbreitet.

Glitzernder Moment: Entspannung auf dem Panoramadeck.
Stilvoll: In der Schiffsbar wird Geschütteltes und Gerührtes ästhetisch präsentiert.

Rita Madureira kniff die Augen zusammen, als ich ihr erzählte, in welch fiebrige Erregung ich in der vergangenen Nacht unter den Goldtönen des Himmels geraten war. Sie stellte das Rührei mit Lachs neben das Sauerteigbrot und die gesalzene Butter. Sie ahne, sagte sie, wovon ich rede. Sie habe in Stockholm als Primarlehrerin gearbeitet und von dieser Schiffsreise geträumt. Als sie endlich an Bord war und die Küste wie in einem Monumentalfilm an sich vorbeiziehen sah, wusste sie: ­Dieser Film, der nach Salz in der Luft schmeckt, darf nicht enden. «Und jetzt bin ich hier und werde erst noch dafür bezahlt», sagte die Kellnerin.

Fahrt zu Sehnsuchtsorten

Selbst nach jahrzehntelangen Fahrten, zuerst mit der Hurtigrute, jetzt mit dem neuen Schiff der Havila, habe sich seine Begeisterung für die Landschaft nicht ­abgegriffen, sagte mir wenig später Truls Bruland, umringt von Flachbildschirmen mit symbolisierten Tempomaten, Schiffserkennungssystemen und anderen leuchtenden Navigationsgeräten. Der Kapitän blickte durch das raumhohe Fenster der Kommandobrücke aufs Wasser.

«Beim Navigieren tritt die Landschaft in den Hintergrund. Aber ihre Schönheit ist allgegenwärtig.» – Truls Bruland, Kapitän.

Eine Vielzahl kleiner Inseln mit Stoppelgras lag vor dem Bug des Schiffs, die meisten kaum grösser als ein Tennisplatz. Der Kapitän schwärmte vom Variantenreichtum der gerade befahrenen Strecke zwischen Tromsø und den Lofoten. Risøy-Kanal! Offene Meeresfläche! Schluchtartiger Trollfjord! Währenddessen steuerte das Schiff geradewegs auf eine Insel zu. Es schien eine Frage von Sekunden, bis der Kiel auf Grund laufen würde.

Seichte Meerenge: Das Schiff der Havila manövriert durch den sieben Meter tief ausgebaggerten Risøy-Kanal.

Doch Truls Bruland manövrierte seinen neundeckigen Koloss aus Stahl gelassen am Eiland vorbei. «Mein Hauptjob ist es, die Passagiere mit dem Schiff sicher an Land zu bringen», sagte Truls Bruland. «Vorher aber an Landschaften vorbei, die für viele Sehnsuchtsorte sind.»

Lofoten-Zauber im Kleinformat: Inseln und steil aufsteigende Berge bilden bei Reine eine Traumkulisse.

Seine Worte hallten in mir nach, als ich später vom Vordeck aus über die glitzernde Wasserfläche zur Lofoten Wand blickte: mächtige Berge wie eine aus dem Meer ragende Zahnreihe, an der sich einzelne Quellwolken verfingen.

In die Mystik des Trollfjords

Mit einem Mal wurde es still. Truls Bruland hatte die Motoren des Schiffs ab­gestellt. Es lief jetzt nur noch mit der Energie aus der Batterie. Im gefühlten Schritttempo steuerte das Schiff, das länger als ein Fussballfeld ist, in den Troll­fjord. Fast senkrecht stiegen die Felswände beidseits des Havila-Schiffs empor. Armlängen von den Relingen entfernt eine mystische Welt aus Fels und Wasser, in der Fischer einst Trolle gesichtet haben wollen. Am Ende des Fjords wendete das Schiff nahezu auf der Stelle und glitt geräuschlos hinaus aufs inselversetzte Meer, wo es Fahrt aufnahm zu den Lofoten. Ich hätte gerne verharrt im Fjord, der Natur ganz nah.

Die Lofoten wie ­aus ­dem Bilderbuch: ­Traditionelle Fischer­hütten auf Stelzen, ­sogenannte Rorbuer, säumen die Ufer ­von Svolvær.

Als ich abends um zehn im taghellen Licht der Mitternachtssonne einem Islandpferd die Zügel anlegte, um über weisse Sandstrände der Lofoten zu reiten, fand ich einen weiteren Erklärungsansatz für meine Ergriffenheit auf dieser Reise. Mir kam der griechische Held Odysseus aus Homers Versgedicht in den Sinn. Der Seefahrer liess sich auf seinem Schiff an einen Mast fesseln, um nicht den Gesängen der Sirenen zu verfallen. Die Reise auf dem Schiff der Havila band mich wohltuend zurück, ich konnte mich auf das konzentrieren, was im Moment vorhanden war, statt wie im Alltag dem Lockruf und auch den Plagen der unendlichen Möglich­keiten zu erliegen. Konzentration auf das Wesentliche. Was auf diesem Schiff hiess: mich in einer grandiosen Natur zu erleben.

Anderntags die Gewissheit, dass ich auf der richtigen Fährte war, um hinter den Grund für mein sehnsuchtsvolles ­Gefühl zu gelangen. Ich erwanderte Torghatten, einen 258 Meter hohen Felsen, der eine Insel trennte und in dessen Mitte ein 35 Meter hohes Loch prangte. Ich hatte während des Aufstiegs einen jungen Birkenwald durchquert und danach das Geröll in der Höhle, die am Ende der letzten Eiszeit durch Ausspülungen entstanden war.

Augenweide: Nach der Durchquerung des Torghatten-Felslochs eröffnet sich ein phänomenaler Blick auf einen Schären­garten im Atlantik.

Als ich auf der anderen, östlichen Seite der Insel hinaustrat, war mir, als hätte ich durch eine Geheimtüre ein Wunderland betreten. Grün fluoreszierten unter mir Inseln auf dem blaublauen Samtkissen des Meeres. Ein Sprühregen setzte ein. Die feinen Wasserperlen auf der Haut, fühlte ich mich mit der Natur Norwegens verbunden. Mir war, als sei ich jetzt und damals unter der Mitternachtssonne Teil von etwas Wunderbarem, das mich übersteigt und mein gesamtes Glück enthält.

Als ich zurück auf dem Schiff war, lachte mich Gabriella Tangen an: «Du hast es geschafft», sagte die Havila Hotelmanagerin – ohne zu wissen, wie richtig sie mit ihrer Bemerkung lag, auch wenn sie die ­geglückte Wanderung meinte und nicht meine Erkenntnis. Ich legte mich auf einen Liegestuhl des Panoramadecks und schaute aufs Meer, um es um seiner selbst willen zu betrachten.

Träume im Schärengarten

Später tauchten gleissend glatt geschliffene Schären aus dem Wasser auf, die aussahen wie Walrücken. Die Schäreninseln wurden grösser und begrast, bewaldet, behaust. Gelbe, hellblaue, weisse und falunrote Holzhäuser setzten Farbtupfer wie Blumen in einer Sommerwiese. Keines hatte Gras auf dem Dach. Aber jedes erschien mir wie eine Möglichkeit, um für einen Sommer lang als Gast einzu­ziehen. Und da wurde mir gewahr, dass es im Herzen eines Menschen einen Ort für die Schönheit geben muss, damit sie dort fühlbar existieren kann. Ich wünschte mir, das Gefühl daure an.

Weisse Wolken mit seidigem Schimmer und vom Schiffsrumpf das Flüstern des Meeres. Bergen, die Endstation, nahte. Sollte ich dort zuerst mit der Standseilbahn auf den Ausflugsberg Fløyen, um dien  vorgelagerten Inseln zu überblicken? Oder ins Naturhistorische Museum zum wohlgeformten Blauwal­skelett. Oder ins Quartier mit den farbigen Holzhäusern oberhalb des Hafens?

Diese Reportage ist in Zusammenarbeit mit unserem Partner Kontiki entstanden.

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