«Meine Liedtexte sind ermalt und erfühlt»
Neu finden im Landesmuseum Zürich jährlich die «Unique Moments» statt. Bei der Erstausgabe vom 7. bis 10. Juni präsentieren Patent Ochsner ein eigens für dieses Festival entwickeltes Konzept, das ihre Musik mit der Malkunst von Büne Huber kombiniert.

Es ist der erste laue Abend im Mai. Vor dem Bistro beim Landesmuseum wird vielschichtig genossen. Patent Ochsners Büne Huber steuert – bemerkt wird er trotz seiner Körpergrösse kaum, zu viele Touristen – direkt ins Lokal. Hier hat es Platz und es lässt sich bei Kaffee und Gebäck in Ruhe über Musik und Malerei reden.
Sozusagen in Ruhe vor dem Sturm, denn das anstehende Projekt mit dem neu kreierten Festival «Unique Moments» ist auch für den gestandenen Berner Musiker eine ganz besondere Herausforderung.
Das Telefon läutete Sturm
Ganz so gelassen wie heute waren die Anfangszeiten bei Patent Ochnser nicht. Spielte die Band erst unter anderen Namen kleinere Gigs in der Umgebung Berns, änderte sich der Bekanntheitsgrad 1991 mit der Veröffentlichung des ersten Albums «Schlachtplatte», den Hits «Scharlachrot» und «Bälpmoos» schlagartig. «Ich wohnte damals in einer Wohngemeinschaft in Münsingen. Das Telefon läutete pausenlos.
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Verhalf Patent Ochsner zum grossen Durchbruch: «Scharlachrot», ab dem Album «Schlachtplatte»(Quelle: Youtube)
Jeder ‹Löu› wollte mit mir über unsere Songs reden. Wir drehten fast durch. Erst Jahre später bekam ich endlich die Telefonnummer aus dem Buch. Ich hatte aber schon vorher meine Stelle als Sozialpädagoge gekündigt, um das zu tun, was ich am liebsten mache: Musik, Schreiben, Malen und Zeichnen.»
Leidenschaften leben
Schon im frühen Kindesalter drückte mir meine Mutter ein Blatt Papier in die Hand, auch damit ich ruhiger werde. Ich kreierte darauf meine eigenen Universen, fühlte mich wohl in dieser (Traum-)Welt. Irgendwie konnte ich mir das bewahren. Als ich mich schliesslich für die Musik und die künstlerische Tätigkeit entschied, fand meine Mutter: ‹Denkst du, irgendjemand wartet auf dich und deine Liedli›?› Ich: ‹Nein, aber ich muss es versuchen, weil ich mit 40 kein frustrierter Sack sein will.›
Meine Mutter hatte grosse Zweifel, ob das Haifischbecken Musikbusiness, in welchem Menschen kaputtgemacht werden, das Richtige für mich sei. Als wir mit Patent Ochsner und einem Sinfonieorchester auf dem Bundesplatz aufspielten, der Stadtpräsident vor Freude strahlte und ich auf Armen getragen wurde – bei Vollmond –, das hat Mutter dann doch sehr ergriffen.
Musik und Malerei sind eins
Das Musikerdasein ist so vielschichtig. Du hast Freude und das Talent, Geschichten zu erzählen, zu unterhalten, zu provozieren, herauszufordern, Leute ‹z tanze mache› und Emotionen auszulösen. Also blickst du über die Welt, streckst deine Fühler aus, richtest die Antennen und baust dir etwas daraus. Schreibst eine Geschichte, einen Liedtext, ein Theaterstück oder malst ein Bild. Es ist alles der gleiche Kosmos. Was ich betreibe, ist Vielfelderwirtschaft. Ich beackere verschiedene Felder und am Ende geht es nur darum, etwas Essbares herauszubringen. Wie ich dieses Ziel erreiche?
Ich muss es versuchen, weil ich mit 40 kein frustrierter Sack sein will.
Der Weg dahin ist verzettelt. Die Musik beeinflusst mich beim Malen, das Malen beim Texten. Es sind immer wieder andere seelische Zustände, ich bewege mich in unterschiedlichen Hirnregionen. Beim Malen stosse ich in Räume vor, die meine Lieder, die Texte beeinflussen. Vielleicht ein Grund, weshalb manche finden, sie würden meine Texte nicht verstehen, weil sie ermalt, erfühlt sind. Während es dein Job als Journalist ist, die Welt präzise zu beschreiben, kann ich mit der Sprache machen, was ich will – gut, vielleicht versteht man das dann halt nicht.
Mich haben schon immer Songtexte interessiert, die viel Interpretationsspielraum hergaben. Man könnte sagen, ohne Drogen fressen zu müssen, einen tranceartigen Zustand erleben, weil man mit Worten ‹zugetan› wird.»
Ein Satz will ein Song werden
Büne Huber ist ein kommunikativer Mensch. Er setzt sich gerne mit Freunden an einen riesigen Tisch und bekocht diese. Dort, oder auf der Zugfahrt zu diesem Interview, fliegen ihm Worte, Sätze, Melodien zu, zeichnet oder schreibt er. Sein Leben ein einziger Prozess mit Mosaiksteinchen die manchmal herumliegen bleiben und sich irgendwann zu einem Ganzen formen.
«Ich notiere mir manches auf kleinen Zettelchen, bei mir zu Hause sieht es oft wie in einem Saustall aus. Erst kürzlich griff ich in eine Jackentasche und fand darin einen Satz auf Papier. Seither schreit er danach, ein Song zu werden. Also tue ich ihm den Gefallen.» Strukturiert geht Büne dabei – auch beim Malen – nicht vor. «Wenn ich das Ziel kenne, fange ich gar nicht erst an.»
Festivalidee hat ihn gepackt
Als Maler hat man Büne Huber bisher kaum wahrgenommen . . . «Weil wir mit Patent Ochsner so erfolgreich waren, konnte ich es mir leisten, das Malen für mich zu behalten. In der Malerei ist man ungeschützt. Sich der Gesellschaft öffnen, ausstellen ist nicht gerade das, worauf man scharf ist, um dann möglicherweise von der Kritik verrissen zu werden. So konnte ich ungestört an meinen Werken arbeiten.»
Und jetzt, bei «Unique Moments», wagt sich Büne Huber also doch ins Licht. «Der Gedanke der Macher des neuen Festivals, das Verschmelzen von Musik und Kunst in einer einmaligen Kulisse und Atmosphäre, gefiel mir. Wir spielen vier besondere Konzerte auf einer fast transparenten Bühne. Ein junger Videokünstler hat sich meiner Bilder angenommen, bewegt deren Inhalt auf LED-Wänden und schafft so eine weitere visuelle Ebene.
Buntes Sinnesspektakel
Auf der Bühne haben wir personell aufgestockt. Ich wollte schon immer einen Bläsersatz mit Posaunen und Trompeten als Schwergewicht. Wir sind also fleissig am Arrangieren. Die Songs sollen mit der Ausstellung (diese findet vom 2. bis 15. Juni, täglich von 10 bis 17 Uhr, Auditorium Landesmuseum, statt, an den Konzertabenden bis 20.30 Uhr) korrespondieren. Es wird eine richtig bunte Welt. Für mich eine ganz neue Erfahrung und das macht mich schon etwas nervös.»
Ein junger Videokünstler hat sich meiner Bilder angenommen, bewegt deren Inhalt auf LED-Wänden und schafft so eine weitere visuelle Ebene.
Vielleicht weil das Publikum einfach ein tolles Ochsner-Konzert erwartet und auf ein solch tiefgründiges Sinnesspektakel gar nicht vorbereitet ist? «Das bekommen sie auch und noch etwas obendrauf. Wir haben gute, schlaue, geschmackssichere und kulturbegeisterte Fans. Diese wissen, was sie erwartet. Musiker, die unbedarft die Bühnen rocken, ohne Netz und doppelten Boden drauflosbrettern.
Da geht auch schon mal etwas daneben. Egal. Diese Unberechenbarkeit, nicht durchchoreografierte Gigs mögen sie und wir. Genau deshalb sind wir Musiker geworden, die nicht am Fliessband stehend Toblerone produzieren wollen.»
Mit dem Schritt aus dem Atelier in die Ausstellungsräume, legt Büne Huber sozusagen einen »Seelenstriptease» hin und ruft Kritiker auf den Plan, die ihn in irgendeine Schublade stecken wollen. «Das macht mich etwas nervös. Allerdings habe ich in all den Jahren gelernt, mit Kritik umzugehen. Manchmal muss man es einfach tun, etwas riskieren.» Etwa 25 Leute erschaffen diesen speziellen Event – eine Riesenarbeit. «Eigentlich eine Nummer zu gross für mich. Ich freue mich riesig – wenn alles vorbei ist.» Nicht umsonst heisst es: Der Weg ist das Ziel.
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