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Neuer «Allmen» von Martin Suter
Und dann verliert María zwischen Margaritas und Martini-Oliven die Geduld

Swiss author and actor Martin Suter of the Film, Alles ueber Martin Suter - ausser die Wahrheit, at a photocall at the 75th Locarno International Film Festival in Locarno, Switzerland, Saturday, August 13, 2022. The Festival del film Locarno runs from 3 to 13 August 2022.(KEYSTONE/Urs Flueeler)
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Und am Ende duzen sie sich. Bis dahin trinkt der Amateurdetektiv und Kunstliebhaber Johann Friedrich von Allmen Margaritas, und der Kunstsammler Adrian Weynfeldt isst die Oliven, seinen Martini lässt er stehen. Als bei Weynfeldt ein Picasso verschwindet und eine Frau tot auf dem Boden liegt, steht den beiden nichts mehr im Weg, eine etwas unbeholfene Männerfreundschaft zu beginnen.

Martin Suter lässt in «Allmen und Herr Weynfeldt», wie in seinem eigenen Marvel-Universum, zwei seiner Lieblingsfiguren aufeinandertreffen. Was, wenn man auf das ganze Personal im Werk des umtriebigen Bestsellerautors blickt, beinahe überfällig scheint. Detektiv Johann Friedrich von Allmen kennt die Leserschaft von Suter aus der seit 2011 laufenden Allmen-Reihe. Adrian Weynfeldt, Erbe und Kunstmäzen von Beruf, hatte seinen ersten Auftritt 2008 im Roman «Der letzte Weynfeldt».

Im neuen «Allmen» vermisst Weynfeldt seinen liebsten Picasso. Allmen bietet ihm seine Hilfe bei der Suche nach dem verschwundenen Kunstwerk an – und hofft, nicht schon wieder seine Kreditwürdigkeit improvisieren zu müssen. Es könnte für den «Pleitendandy» eine Zeit ohne den Duft schwarzer Bohnen kommen, denn er gehört nun ein bisschen dazu, zum Kreis der illustren Kunstfreunde von Weynfeldt. Wenn es jeweils nach schwarzen Bohnen duftet, wissen alle, dass die Haushaltskasse leer ist, weil es für andere Gerichte nicht mehr reicht.

Ein tragischer Unfalltod. Wirklich?

Carlos und María, Allmens Angestellte, die glücklicherweise tragende Nebenrollen haben, halten ihrem Patron tapfer den Rücken frei, denn der Adelstitel Johann von Allmen führt irrtümlicherweise zum Adel, ist aber bäuerlicher Herkunft. Carlos kann auch nicht zu oft die Mansarde hochsteigen und ein Bündel Banknoten holen und sie dem Johann Friedrich leihen.

Ohne María wäre dieser neue «Allmen» nur halb so gut. Sie frotzelt mit ihrem Mann, fragt ihn anstandshalber nach seiner Meinung und tut dann genüsslich immer das Gegenteil von dem, was er sagt. Und sie stellt dem Patron Allmen die entscheidenden Fragen, als aus dem Kreis um Weynfeldt die Kunstbuchhändlerin Karin Winter stirbt.

Allmen ist nämlich gut darin, die Wirklichkeit auszublenden. Das hat er in seiner Kindheit gelernt, als er die Augen schloss und sein Vater mit einem Stück Holz das Kaninchen Mimi vom kleinen Johann erschlug. Aber dann muss er die Augen aufschlagen, als es hupt und eine Bahre mit grauem Deckel geholt wird. Karin Winter ist tot. Sie soll die Treppe in ihrem Laden heruntergestürzt sein. Oder wurde sie gestossen?

María, Margaritas und die Martini-Oliven

Die beiden Männer treffen sich mit allen möglichen Leuten, die sich sofort verdächtigt fühlen, und fahren sogar bis nach Rom. Dazwischen erzählen sie sich etwas mehr aus ihren Leben – zwischen Schein und Sein. An Melancholie fehlt es auch nicht, wenn Allmen in seinem Sessel sitzt und überlegt, ob sich Weynfeldt vielleicht auch ein bisschen allein fühlt. Aber dann gibt es auch schon wieder Margaritas mit nicht zu viel Salz am Glasrand. Und Martini-Oliven.

Irgendwann verliert María die Geduld. Während Allmen bei einem Besuch in Weynfeldts Villa nicht besonders geistesgegenwärtig auf das Laufband im Fitnessraum steigt und die Knöpfe verkehrt herum drückt, bis er beinahe strauchelt, zieht sie allein los, klettert in einem Club auf einen Barhocker und nimmt einen Mann ins Kreuzverhör.

Da sind keine schnellen Schnitte, keine Spannung, die einem den Atem nimmt, aber Suters Dialogtalent bleibt konkurrenzlos. Mit «Allmen und Herr Weynfeldt» gewährt uns Suter wieder Einblicke in die Welt der Reichen. Und irgendwann trinkt Weynfeldt dann doch noch den Martini zur Olive. Aus Gründen.

Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt. Diogenes-Verlag, 2024. 224 S., ca 35 Fr.